Nun steht auch Stadler, Chef des Autobauers Audi, im Fokus der Ermittlungen. Foto: dpa

Die Privatwohnungen des Audi-Chefs Rupert Stadler und eines weiteren Audi-Vorstands sind durchsucht worden. Mit den Razzien erreicht der Diesel-Skandal nun die Führungsspitze der VW-Tochter.

Ingolstadt - „Die Diesel-Krise ist noch nicht vorbei", hat Audi-Chef Rupert Stadler vor kurzem in einem Interview bekannt. Diese Aussage hatte er allerdings auf weitere Rückrufe für Audi-Dieselmodelle bezogen. Nun aber ist die Diesel-Affäre um manipulierte Abgassteuerung zu einer ganz persönlichen des 55-jährigen Konzernlenkers geworden. Stadlers Privatwohnung und die eines weiteren amtierenden Audi-Vorstands ist am Montag von bayerischen Ermittlern durchsucht worden. Das hat die Staatsanwaltschaft München 2 mitgeteilt.

Bereits seit 30. Mai werde gegen den Audi-Chef und seinen Vorstandskollegen wegen Betrugs und Falschbeurkundung ermittelt. Die Zahl der Beschuldigten im Audi-Ermittlungsverfahren sei nach gut einjährigen Ermittlungen nun auf 20 Personen gestiegen, so die Staatsanwaltschaft weiter. Immer weiter haben sich die Staatsanwälte in der Audi-Hierarchie dabei emporgearbeitet. Über geständige Motorenentwickler und Ex-Vorstände sind sie jetzt ganz oben angekommen. Stadler und sein Vorstandskollege repräsentieren die absolute und aktuelle Spitze der VW-Tochter, die als eine Keimzelle der konzernweiten Abgasmanipulationen gilt. Am Ingolstädter Firmensitz wussten bis Anfang dieser Woche wohl nur wenige, was die Stunde geschlagen hat. „Wir kooperieren mit den Behörden“, sagte ein überraschter Audi-Sprecher nur kurz angebunden zur Bekanntgabe der Ermittlungen gegen den eigenen Chef. Mutterkonzern VW wollte dem nur einen Satz hinzufügen. „Es gilt weiterhin die Unschuldsvermutung", betonten die Wolfsburger. Der Rechtsanwalt Stadlers war für eine Stellungnahme vorerst nicht zu erreichen.

Stadlers Stuhl wackelt

Der Audi-Chef hat immer wieder jede Beteiligung an den Manipulationen entschieden bestritten. Dennoch hatte sein Stuhl zuletzt mehrmals gewackelt. Bei früherer Gelegenheit hatte ihm der abgetretene VW-Boss Matthias Müller noch den Rücken gestärkt. Aber in Wolfsburg hält jetzt mit Herbert Diess ein anderer Manager das Lenkrad in Händen. Auch der schätzt Stadler, wie zu hören ist. Aber das war vor der Aufnahme von Ermittlungen gegen den gebürtigen Bayern. Einen Sturz Stadlers in der jüngeren Vergangenheit immer wieder verhindert hatten die beiden VW-Familien Porsche und Piëch. Während man in Arbeitnehmerkreisen schon Kandidaten für eine Stadler-Nachfolge benennen konnte, waren diese den beiden Konzernfamilien nicht zu vermitteln, sagen Insider. Nun dürfte es erneut Diskussionen um Stadler geben. Wer der zweite amtierende Audi-Vorstand ist, gegen den ermittelt wird, sagt die Justiz nicht. Ermittlungskreise verweisen allerdings darauf, dass große Teile des Audi-Vorstands vorigen Herbst personell erneuert wurden. Außer Stadler gehört nur noch ein weiterer Manager dem Gremium seit längerer Zeit an. Das ist Einkaufschef Bernd Martens.

Pikant wären Ermittlungen gegen Martens, weil er bei Audi in Personalunion auch Leiter der dortigen Diesel-Taskforce ist, die alle Manipulationen intern aufarbeiten soll. Die Staatsanwälte legen Stadler und seinem Kollegen jeweils eine Mitschuld daran zur Last, abgasmanipuliert Diesel-Fahrzeuge in den Verkehr gebracht zu haben und dafür bei den zuständigen Behörden Typzulassungen erschlichen zu haben. Juristisch werden daraus die Vorwürfe Betrug und mittelbare Falschbeurkundung.

Mehrere Razzien bei Audi seit 2017

Hätte Audi beim Zulassungsverfahren eingebaute Abschaltvorrichtungen nicht verschwiegen, wäre den Diesel-Fahrzeugen die Typgenehmigung verweigert worden, erklärte ein Justiz-Sprecher. Stadler ist schon länger im Fokus der Ermittler. Um ihn ebenfalls in den Kreis der Beschuldigten aufzunehmen, bedürfe es nicht nur einfacher Verdachtsmomente, sondern eines begründeten Verdachts, hatte ein Ermittler vor kurzem erklärt. Wegen der Abgasaffäre hat es seit 2017 mehrere Razzien bei Audi oder ehemaligen Führungskräften des Konzerns gegeben. Immer mehr Dokumente sind beschlagnahmt und Zeugen vernommen worden. Stadler gilt unter Ermittlern nicht als Auftraggeber von Abschaltvorrichtungen, aber als jemand, der die Manipulationen nicht beendet hat, nachdem er darüber informiert worden ist. Die anrüchigen Dieselmotoren hat Audi nicht nur für den eigenen Bedarf entwickelt, sondern auch für andere Marken des VW-Konzerns. In Deutschland ermitteln Staatsanwälte in Braunschweig, Stuttgart und München gegen ehemalige und amtierende Vorstände von VW, Porsche und Audi. Finanziell hat die Abgasaffäre bislang allein Audi rund zwei Milliarden Euro gekostet. Die Ingolstädter haben in Europa und den USA mehr als 200 000 Diesel-Autos mit manipulierter Abgasregelung verkauft, heißt es aus Ermittler-Kreisen.