Daimler steht unter dem Verdacht, mittels eines bislang unbekannten Programmiercodes die Abgasreinigung von 60 000 Fahrzeugen des Mercedes-Typs GLK 220 CDI manipuliert zu haben. Foto: dpa

Hat Daimler über eine bislang unbekannte Softwarevariante den Schadstoffausstoß bei rund 60 000 Fahrzeugen manipuliert? Das Kraftfahrtbundesamt prüft seit Monaten. Im Mai könnte es entscheiden.

München -

Sind die Vorwürfe gegenüber Daimler neu?

In Teilen ja, wenn Experten die Lage richtig beurteilen. Zwar hat das Kraftfahrtbundesamt (KBA) schon im Herbst 2018 als zuständige Behörde verdächtige Softwarefunktionen bei einem Mercedes-Motor mit dem Kürzel OM 651 gefunden und Softwareupdates verlangt. Nun geht es aber um einen bisher unbekannten Programmcode.

Wie hat man die Manipulation entdeckt?

Daimler soll, so heißt es, bei den Updates, eine Softwarefunktion geändert haben, die bisher unbekannt war. Erst dadurch sei dem KBA diese spezielle Variante einer möglicherweise illegalen Abschaltvorrichtung bekannt geworden, die Daimler per Update heimlich habe beseitigen wollen.

Ist diese Einschätzung richtig?

Das KBA schweigt bis zur endgültigen Entscheidung. Daimler dementiert, heimlich gehandelt zu haben und etwas vertuschen zu wollen. Über die strittige Funktion wird seit Monaten mit dem KBA diskutiert, sagen Verfahrensbeteiligte. Jetzt habe das KBA nach den beiden bereits als unzulässig eingestuften Softwarebestandteilen einen dritten als nicht mehr gesetzeskonform angesehen. Daimler räumt nur ein, dass ein Anhörungsverfahren läuft – eine Stellungnahme soll bis Ende April vorliegen.

Wie funktioniert der Softwarecode?

Soweit man weiß, aktiviert er auf dem Prüfstand eine Temperaturfunktion, die den Kühlmittelkreislauf des Motors künstlich kalt schaltet. Die Aufwärmung des Motoröls verzögert sich. Auf dem Prüfstand bleiben in der Folge Stickoxidwerte temperaturbedingt niedrig. Auf der Straße sind die Temperaturen aber höher, wodurch der Grenzwert von 180 Milligramm Stickoxid je Kilometer deutlich überschritten wird.

Wie viele Fahrzeuge sind betroffen?

Rechtlich entscheidend ist laut Experten aber nicht das Verhalten auf dem Prüfstand, sondern der signifikant überhöhte Schadstoffausstoß im Verkehr. Wie der zustande komme, sei zweitrangig. Es geht um 60 000 Fahrzeuge des Diesel-Modells GLK 220 CDI, das mit der Abgasnorm Euro-5 zwischen 2012 und 2015 gebaut worden ist.

Ist die Temperatur-Funktion illegal??

Bislang hat das Kraftfahrtbundesamt diesen Verdacht. Daimler bestreitet dagegen kategorisch, ungesetzlich gehandelt zu haben und hat auch Widerspruch gegen den Bescheid des KBA vom vorigen Herbst eingelegt. Zwar räumen die Stuttgarter ein, dass verschiedene Softwarefunktionen den Schadstoffausstoß auf der Straße erhöhen können. Das sei aber legal und geschehe, unter anderem, um sicherzustellen, dass der Motor nicht kaputtgeht. Kritiker und teils auch das KBA sehen das anders. Illegale Abschaltvorrichtungen eingestanden hat bislang branchenweit nur VW und das ausschließlich in den USA. Das liegt auch an unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in den USA und der EU.

Sind die Regelungen hierzulande zu lax?

Einige Experten sagen das. Die Grünen nehmen den aktuellen Daimler-Fall zum Anlass, um in Deutschland härteren Umgang mit der heimischen Schlüsselindustrie und erneut Hardware-Nachrüstungen zu fordern. Das KBA werde wegen der laschen politischen Führung im von Andreas Scheuer (CSU) geführten Bundesverkehrsministerium von den Autoherstellern nicht ernst genommen, kritisieren die Grünen. Sie befürchten, dass gegen Daimler im aktuellen Fall kein Bußgeld verhängt wird.

Wie weit ist Daimler mit den Softwareupdates?

Durchgeführt sind bei Daimler derzeit rund 200 000 von rund einer Million zugesagter Updates. Davon entfallen 280 000 Fälle auf eine Anordnung des KBA. Der große Rest geschieht freiwillig. Insgesamt ist die gesamte deutsche Autoindustrie säumig. Von gut fünf Millionen branchenweit zum Softwareupdate vorgesehenen Wagen sind aktuell rund eine Million nicht auf den neuesten Stand gebracht.