Rupert Stadler spricht im März auf einer Pressekonferenz in Ingolstadt, als er noch als Chef von Audi agierte. Foto: AP

Die Hintergründe zu Rupert Stadlers U-Haft hellen sich auf. Er soll erwogen haben, einen internen Audi-Aufklärer zu beurlauben. Der hatte zuvor gegenüber Ermittlern geplaudert.

München - Der Vorstandschef eines Unternehmens mit 60 Milliarden Euro Umsatz und 90 000 Beschäftigten kommt in Deutschland nicht alle Tage in Untersuchungshaft. Es muss triftige Gründe geben, dass ein Richter das bewilligt. Beim inzwischen beurlaubten Audi-Chef Rupert Stadler war das offenkundig der Fall. Stadler habe mit dem Gedanken gespielt, einen Audi-Mitarbeiter beurlauben zu lassen, der zuvor gegenüber Ermittlern in der Abgasaffäre Belastendes ausgesagt hatte. Das gab eine mit den Vorgängen vertraute Person zu verstehen. „Ein solches Verhalten rechtfertigt U-Haft“, stellte sie klar. Was die Sache besonders pikant macht, ist der Umstand, dass der betroffene Audianer einer Audi-Sondereinheit angehört haben soll, die für die interne Aufklärung der Abgasschummeleien zuständig ist.

Wie die Ermittler darauf gekommen sind, dass Stadler einen Belastungszeugen aus dem eigenen Reihen zu feuern erwägt, wollte der Insider nicht sagen. Dafür gibt es drei Möglichkeiten. Entweder wurde Stadlers Telefon abgehört, wofür es Anzeichen gibt, ein entsprechendes Dokument wie etwa eine Email wurde entdeckt oder ein Zeuge hat das glaubhaft ausgesagt. Wie fragwürdig Audi bei der internen Aufklärung trotz aller anderslautenden Beteuerungen offenbar vorgegangen ist, zeigen noch andere Details um die Sondereinheit, die bei Audi Diesel-Taskforce genannt wird.

Die Diesel-Taskforce war offenbar eher dazu da, Dinge unter den Teppich zu kehren

Zum einen soll ihren Mitgliedern aus dem Audi-Vorstand heraus untersagt worden sein, diejenigen Audianer zu befragen, die für die Abgasmanipulationen zuständig gewesen sind. Zum anderen wird auch der Leiter der Taskforce, der Beschaffungsvorstand Bernd Martens, von der Staatsanwaltschaft seit voriger Woche im Zusammenhang mit der Diesel-Affäre verdächtigt, sich des Betrugs und mittelbarer Falschbeurkundung schuldig gemacht zu haben. Hinter Letzterem steckt der Vorwurf, Audi habe per Schummelsoftware unter Vorspiegelung falscher Tatsachen bei Behörden die Typgenehmigung mehrerer Diesel-Modelle erschlichen. Stimmt das, war die Diesel-Taskforce offenbar eher dazu da, Dinge unter den Teppich zu kehren, als sie ans Tageslicht zu befördern. Dazu passt auch, dass Audi einen längst fertigen Untersuchungsbericht der US-Kanzlei Jones Day bislang nicht öffentlich gemacht hat.

Stadler wurde indessen am Mittwoch von Staatsanwälten im Beisein seines Rechtsanwalts vernommen. Zu den Inhalten der Vernehmung schweigen bislang alle Verfahrensbeteiligte. Das gilt auch für Stadlers Rechtsanwalt, was insofern ungewöhnlich ist, als Rechtsvertreter in einem solchen Stadium üblicherweise zumindest eine Unschuldsbeteuerung ihrer Mandanten öffentlich machen.

Stadler sitzt in Augsburg in U-Haft

Offen ist auch, ob es bei einer eintägigen Vernehmung Stadlers bleibt oder ob das für den Informationsbedarf der Ermittler nicht ausreicht. Um wieder auf freien Fuß zu kommen, müsste der 55-Jährige auch den Vorwurf der Verdunklungsgefahr entkräften. Stadler sitzt in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Augsburg und nicht in der Münchner JVA Stadelheim. Grund dafür ist, dass sich dort bereits seit vorigen September ein ehemaliger Audi-Motorenentwickler in U-Haft befindet, dem ebenfalls eine Mitschuld an den Abgasmanipulationen zur Last gelegt wird. Die Justiz bringt Verdächtige in der gleichen Sache in verschiedenen Gefängnissen unter, um zu verhindern, dass sie sich absprechen können.