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Der Ludwigsburger Kreistag beschließt erneut einen Aufschlag von 14,5 Prozent bei der Müllgebühr. Schon jetzt ist der Kreis in der Region der teuerste.

Kreis Ludwigsburg - Die Bürger im Landkreis Ludwigsburg werden ihren Augen nicht trauen: Obwohl sie ihr Restmüll-Aufkommen von rund 80 000 Tonnen im Jahr 2011 auf rund 72 000 Tonnen im Jahr 2019 heruntergefahren haben, und obwohl sie die Mülleimer sogar weniger dicht befüllt an den Straßenrand stellen als früher, müssen sie ausgerechnet wegen der Kosten für die Restmüll-Entsorgung bald deutlich tiefer in die Tasche greifen. Die Abfallgebühren steigen 2020 um 14,5 Prozent.

Für einen Musterhaushalt von vier Personen mit 120-Liter-Rest- und Biomülltonnen fallen bei durchschnittlich zehn Leerungen künftig 190,40 statt bisher 166,26 Euro an. Dass der Landkreis seine Abfallwirtschafts-Leistungspalette als „weiterhin umfangreich und bürgerfreundlich“ anpreist, dürfte die Verbraucher wenig trösten. Und würde die Abfallverwertungsgesellschaft (AVL) nicht knapp 3,6 Millionen Euro an Überschüssen einsetzen, fiele die Gebührensteigerung noch massiver aus.

„Unangenehme und ungewöhnliche Erfahrung“

Grund für die disproportionale Verteuerung ist die Tatsache, dass der bisherige Vertrag für die Restmüllentsorgung mit der Ettlinger Firma T-Plus ausläuft. Bei der zweifachen Neuausschreibung bewarb sich just diese Firma wieder um den Auftrag – als einzige. Und weil die baden-württembergische Autarkie-Verordnung vorschreibt, dass gemischte Siedlungsabfälle aus dem Ländle auch nur in Baden-Württemberg entsorgt werden dürfen, kommt es zu der – wie es Freie-Wähler-Kreisrat Rainer Gessler es formulierte – „unangenehmen und ungewöhnlichen Erfahrung“, dass dem Kreis nichts übrig bleibt, als in die Konditionen des einzigen Anbieters einzuwilligen.

Der Landkreis hatte zwar versucht, beim Umweltministerium eine Ausnahmeregelung zu erreichen, war aber damit gescheitert. Parallel dazu strengt er eine Prüfung der Preisfindungspolitik von T-Plus beim Bundeskartellamt an. Das Ettlinger Unternehmen selbst will sich nicht zu Ausschreibungsdetails äußern und beruft sich auf noch laufende Fristen.

Mehr Menschen, mehr Wachstum, mehr Abfall

Allgemein seien die Abfallmengen wegen des Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums und des Rückgangs von Auslandsexporten stark gestiegen. „Diese Tendenz wird durch Mengenreduktionen wie getrennte Bioabfallsammlungen und verstärkte Recyclingbemühungen nicht vollständig kompensiert“, sagt ein Sprecher der T-Plus-Muttergesellschaft EnBW. Zugleich habe sich die Kostenstruktur für den Entsorger verändert. Wegen der starken Auslastung brauche man Zwischenlager, dazu kämen höhere Transportkosten und Kosten für die Kompensation von Ausfällen.

Schon seit 2017 hatten die Kreisräte immer wieder Preisaufschläge zwischen zwei und fünf Prozent bei den Müllgebühren beschlossen. Damit liegen die Bewohner des Kreises Ludwigsburg landesweit auf einem Spitzenplatz. Das zeigt die Abfallbilanz des Umweltministeriums, das jedes Jahr die Müllgebühren aller 44 Landkreise miteinander vergleicht. Jeder Landkreis hat ein etwas anderes Müllsystem, die für die Gebühr erbrachten Leistungen schwanken stark. Deshalb müssen die Zahlen mit Vorsicht genossen werden. Doch die Restmüllgebühr plus Bioabfall für einen Vier-Personen-Haushalt ist ein guter Gradmesser, es wird von einer 120-Liter-Tonne ausgegangen.

Sogar die Landeshauptstadt ist günstiger

Ludwigsburg liegt bei diesem Musterhaushalt in diesem Jahr mit 166 Euro weit vorne. Nur Stadtkreise wie Mannheim (239 Euro) oder Pforzheim liegen über der Marke. Sogar in Stuttgart zahlt jener Norm-Haushalt nur 156 Euro. In der Region ist der Kreis Ludwigsburg am teuersten, im Kreis Esslingen zahlt ein Haushalt gar nur 90 Euro, das ist landesweit der niedrigste Preis. In Böblingen, Göppingen und Rems-Murr pendelt der Beitrag für die Normalhaushalte um die 140 Euro. Übrigens: Im Rems-Murr-Kreis hat sich der Kreistag gegen eine Gebührenerhöhung für 2020 entschieden.

Die Teuerung im Kreis Ludwigsburg hängt neben neuen Verträgen – nicht nur beim Rest-, sondern auch beim Biomüll – auch an steigenden Sperrmüll-Verwertungs- und Sortierkosten und an Rückstellungen für die Deponie-Nachsorge. Die Kreisräte stimmten zähneknirschend zu. CDU- und SPD-Vertreter forderten, der Kreis müsse überlegen, die Entsorgung selbst zu übernehmen, um dem fehlenden Wettbewerb zu entgehen. Einzig Peter Schimke (Linke) votierte gegen den Beschluss. Er plädierte für eine Variante, bei der die AVL mehr Überschüsse einsetzt und die Preissteigerung so moderater hält.