Mit sinkenden Müllgebühren ist in den nächsten Jahren nicht zu rechnen, meint Umweltminister Franz Untersteller. Vielleicht hilft das den Baden-Württembergern bei der wichtigsten Müllfrage auf die Sprünge: der Vermeidung.
Stuttgart - Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) hat gleich die vergangenen dreißig Jahre in den Blick genommen, als er die Abfallbilanz der öffentlich-rechtlichen Entsorger von 2018 im Landtag vorstellte. Untersteller ist sich sicher, dass der Südwesten sich vom Problemfall mit Müllnotstand zum Musterland entwickelt hat, seit 1990 die allererste Abfallbilanz vorgestellt wurde. Baden-Württemberg, so Unterstellers Kernaussage „steht bei der Sammlung, Verwertung und Entsorgung kommunaler Abfälle und bei den Müllgebühren hervorragend da“.
Allerdings sind die Zahlen nicht so positiv, wie die Bewertung des Ministers. Denn tatsächlich ist die Müllmenge, die jeder Baden-Württemberger im statistischen Durchschnitt produziert, seit dreißig Jahren gleich geblieben. Waren es 1990 im Schnitt 352 Kilogramm pro Kopf und Jahr, sind im Vorjahr 353 Kilogramm verbucht worden. Gelungen ist es in drei Jahrzehnten, einen erheblich größeren Anteil an Wertstoffen aus dem Abfall herauszufiltern. Je mehr Wertstoffe in der Kommune gesammelt werden, desto niedriger ist der Anteil des Haus- und Sperrmülls, der am Ende übrig bleibt.
1990 produzierte jeder Einwohner im Land im Schnitt 269 Kilogramm Haus- und Sperrmüll jährlich; der Wertstoffanteil wurde auf 81 Kilogramm pro Kopf und Jahr beziffert, die Bioabfälle machten damals nur zwei Kilogramm aus. Ein dicker Wermutstropfen ist allerdings, dass die größten Erfolge bei der Reduktion des Restmülls von 1990 bis 1998 erreicht wurden. In dieser Anfangsphase gelang es, den Haus und Sperrmüll auf jährlich 154 Kilogramm pro Kopf zu reduzieren, während die Wertstoffe auf 153 Kilogramm und die Bioabfälle auf 38 Kilogramm pro Person und Jahr stiegen. Seither bewegt sich der Fortschritt allenfalls in kleinen Schritten.
Insgesamt fallen im Land pro Jahr fünfzig Millionen Tonnen Müll an
Tatsächlich geht es in Unterstellers Bilanz lediglich um den Müllberg, aus den Abfällen der Privathaushalte, sowie Bauschutt und ähnliches, die von den kommunalen Entsorgungsbetrieben bewältigt werden. Davon sind im vergangenen Jahr 12,44 Millionen Tonnen angefallen – 416 000 Tonnen mehr als 2017. Den Anstieg führen die Experten auf die wachsende Einwohnerzahl im Südwesten zurück. Zum Vergleich: Die Gesamtmüllmenge einschließlich Gewerbe- und Industrieabfällen, die 2018 im Südwesten aufgelaufen ist, wird auf fünfzig Millionen Tonnen beziffert.
Von den 12,44 Millionen Tonnen Müll stammen 3,9 Millionen Tonnen aus den Privathaushalten der Bürger. Hinzu kommen 956 000 Tonnen Grünabfälle, 81 000 Tonnen Elektroschrott und Altgeräte sowie 221 000 Tonnen Gewerbe- und Baustellenabfälle. Etwa zwei Drittel der Müllmenge mit 6,97 Millionen Tonnen entfällt auf Bauschutt, Straßenaufbruch und Bodenaushub.
Da dieser Bauabfall nach Unterstellers Worten zu 77 Prozent untauglich für eine Verwertung ist, müssen 45 Prozent des gesamten kommunalen Abfalls in Deponien untergebracht werden. Die Folge: Die Deponiekapazitäten in Baden-Württemberg sind fast ausgelastet. Das Land verhandelt mit den Kommunen über ein Konzept, weil in den nächsten Jahren neue Anlagen geschaffen werden müssen.
In der Regierungszeit der Grünen gab es den größten Erfolg beim Biomüll
Seit Untersteller die Abfallbilanz als Minister vorstellt, halten sich sowohl der Haus- und Sperrmüllanteil (zwischen 140 und 144 Kilogramm pro Kopf und Jahr) als auch der Wertstoffanteil (von 164 bis 170 Kilogramm) stabil. Erhöht hat sich seit 2011 der Pro-Kopf-Anteil des Biomülls von jährlich 42 auf 50 Kilogramm.
Bei der Müllvermeidung, die Untersteller als „Königsdisziplin der Abfallwirtschaft“ bezeichnet hat, hat das Land keine Fortschritte zu vermelden. Dabei zeigen die unterschiedlichen Entwicklungen in den Kreisen, dass Dynamik möglich ist. Im Kreis Calw macht der Sperr- und Hausmüll nur noch 65 Kilogramm, im benachbarten Kreis Freudenstadt 74 Kilogramm pro Kopf und Jahr aus. Ortenaukreis und in Emmendingen, wo es im 2018 noch keine Biotonne gab, waren 2018 die Schlusslichter mit 208 beziehungsweise 183 Kilogramm pro Kopf.
Mit Müllgebühren von durchschnittlich 156 Euro steht der Südwesten nach Einschätzung des Umweltministers im bundesweiten Vergleich gut da. Allerdings geht der Minister davon aus, „dass die Zeiten sinkender Abfallgebühren vorbei sind“. Stolz ist Franz Untersteller darauf, dass von den Siedlungsabfällen nur noch ein Prozent in Mülldeponien eingelagert werden müssen und dass die schadstoffbelasteten Klärschlämme zu 99 Prozent verbrannt werden. Darin sei der Südwesten Vorreiter.