Die Mitarbeiter der Stadtreinigung haben alle Hände voll zu tun – und werden der Abfallberge dennoch nicht Herr. Foto: dpa


Der Union ist die zunehmende Vermüllung der Stadt ein Dorn im Auge. Ihrer Ansicht nach schwindet in der Bevölkerung das Bewusstsein für Sauberkeit. Jetzt soll die Verwaltung in anderen Kommunen nach Ideen suchen.

Stuttgart - Wenn Simone Rehm aus dem Haus geht und mit dem Fahrrad in die Stadt fährt, gäbe es einiges zu tun, wenn sie es nicht eilig hätte. „Ich könnte jedes Mal zehn achtlos weggeworfene Zigarettenschachteln und mindestens genausoviele Coffee-To-Go-Becher aufsammeln“, sagt die 57-jährige Informatikerin. Von gebrauchten Papiertaschentüchern, Servietten und Bäckereitüten ganz zu schweigen. Seit sie Anfang des Jahres den Job gewechselt hat, fährt sie täglich von der Olgastraße über die Stadtmitte in den Westen. Und kann die Strecke so gar nicht genießen.

Rehm ist eine engagierte Bürgerin, aber sicher nicht die einzige, die in Sachen Sauberkeit Verbesserungsbedarf sieht. Auch die CDU beklagt eine zunehmende Vermüllung von Stuttgarts Straßen und Plätzen. Darum hat sie einen Antrag an den zuständigen Ausschuss im Gemeinderat gestellt, der klären soll, wie andere Kommunen mit der Müllproblematik umgehen. „Eine öffentlichkeitswirksame Plakatkampagne wäre denkbar, um die Bürger für das Thema zu sensibilisieren“, meint die stellvertretende CDU-Gemeinderatsfraktionsvorsitzende Beate Bulle-Schmid, die den Antrag verfasst hat.

Reklamationen über Verschmutzungen nehmen zu

Grund für den Vorstoß sei, dass die Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) nicht mehr mit der Müllentsorgung nachkomme. „Öffentliche Plätze sauber zu halten wird immer schwieriger“, bestätigt AWS-Sprecherin Annette Hasselwander. Trotz aller Bemühungen um die Stadtbildpflege sei in Stuttgart sowohl in der Innenstadt wie auch in den Außenstadtbezirken eine Zunahme des achtlosen Wegwerfens von Verpackungsmüll festzustellen. Einhergehend nehmen die Reklamationen über Verschmutzungen zu.

Zum Beispiel von Bürgerinnen wie Simone Rehm, die sich nicht nur ärgert, sondern aktiv etwas gegen die Verschmutzung unternehmen will. „Als ich einmal eine junge Dame, die inmitten von Müll ihr Smartphone bediente, fragte, ob sie der Müll nicht störe, sagte sie: ‚Wieso, das ist doch nicht mein Zuhause‘“, erzählt Rehm. Sie findet das alarmierend.

Genau wie Stadträtin Bulle-Schmid. Das Bewusstsein in der Bevölkerung, den Müll selbst sortengerecht zu entsorgen schwinde. „Alle werfen ihr Mittagessen-To-Go einfach weg“, sagt sie. Außerdem trage der allgemeine Trend zur denkwürdigen Entwicklung in Stuttgart bei, dass Einwegverpackungen bei Lebensmitteln stark zugenommen hätten. Besonders die Innenstadt sei von dem Müllberg betroffen, der nebenbei noch „Ratten und Tauben einen gedeckten Tisch“ biete, wie es in dem Antrag heißt.

Klagen von den Mitgliederbetrieben der City-Initiative

An den Tauben stört sich auch die City-Initiative massiv. „Der Taubendreck ist ein echtes Problem. Sauberkeit ist ein unabdingbarer Wohlfühlfaktor in einer Stadt“, sagt die Pressesprecherin Bettina Fuchs. Sie hört regelmäßig Klagen von den Mitgliederbetrieben. „Auch Schnellrestaurants werden bei uns als Problem wahrgenommen, da deren Kundschaft die Verpackungsreste oft einfach auf die Straße wirft“, so Fuchs weiter. Sie ist auch der Meinung, dass die Vergehen von Müllsündern strenger geahndet werden müssten. Andere Städte tun das, Stuttgart bis jetzt nicht. Darum hofft die CDU jetzt, dass andere Kommunen Rat wissen. Der Ausschuss soll sich laut dem Antrag umhören, wie es in vergleichbaren Städten aussehe und ob dort Maßnahmen ergriffen werden, die auch in Stuttgart umgesetzt werden könnten. Bulle-Schmid geht davon aus, dass Stuttgart nicht die einzige Stadt mit ähnlichen Müllproblemen ist.

Vor allem im Sommer spitzt sich die Lage zu

Im Bereich Straßenreinigung sind für das gesamte Stadtgebiet etwa 100 Mitarbeiter zuständig. 2014 gab es insgesamt 4710 öffentliche Papierkörbe, jährlich kommen in den Eimern etwa 1600 Tonnen Müll zusammen. Vor allem an Wochenenden ist die Straßenreinigung gefordert, wo überproportional viel Müll auf den Straßen zusammenkommt. Besonders betroffen sind in der Innenstadt Königstraße, Theodor-Heuss-Straße und der Schlossplatz.

Müll ist in Stuttgart nicht erst seit gestern ein Thema. Vor allem in den Sommermonaten spitzt sich die Lage zu. Die Saison der Open-Air-Veranstaltungen hat eben erst wieder begonnen. „Da wird es sicher noch viel schlimmer“, befürchtet Bulle-Schmid. Für den Weg zur Arbeit von Simone Rehm sind das zunächst keine guten Aussichten.