Die Zahl der unbesetzten Lehrstellen steigt, Azubis sind vielerorts gesucht. Foto: dpa

Der Arbeitsmarkt wird zu einem Ausbildungsmarkt. Darauf muss das Handwerk reagieren, meint Anne Guhlich.

Stuttgart - Handyverträge, Mitgliedschaften im Fitnessstudio oder Filmabos – vielen Jugendlichen wird immer wichtiger, dass sie sich aus Bindungen jederzeit schnell und unkompliziert wieder lösen können. Und auch bei der Ausbildung springen immer mehr Jugendliche ab. In Baden-Württemberg steigt die Lösungsquote seit Jahren; sie lag 2017 bei 22,5 Prozent. Damit steht Baden-Württemberg zwar immer noch besser da als andere Bundesländer, aber der Trend bleibt bedenklich. Vor allem im Handwerk ist die Quote mit 29 Prozent hoch.

Freilich wäre es zu einfach gedacht, die Gründe dafür lediglich in einer gewissen Sprunghaftigkeit zu suchen. Die Ursachen für Vertragslösungen sind vielschichtig. Ein Hauptgrund ist: Es gibt immer mehr Alternativen. Wer mit seinem Ausbildungsplatz unzufrieden ist, wird schnell einen anderen Arbeitgeber finden: Die Zahl der unbesetzten Lehrstellen steigt. Manche Betriebe locken den Nachwuchs sogar schon mit Geschenken wie Smartphones.

Nachwuchskräfte binden

Doch kurzfristige materielle Anreize taugen nicht dafür, Nachwuchskräfte an einen Betrieb zu binden. Und genau daran hapert es bei vielen Handwerksbetrieben. Die Kammern verweisen zwar zurecht darauf, dass die hohe Lösungsquote nicht bedeutet, dass die Jugendlichen danach auf der Straße landen. Viele beginnen eine neue Lehre. Aber klar ist auch: Das Thema Bindung bleibt im Handwerk auch nach der Ausbildung ein Problem.

Viele Mitarbeiter, die das Handwerk nicht schon während der Ausbildung verlassen haben, tun dies später: Rund zwei Drittel aller im Handwerk ausgebildeten Menschen verlassen im Laufe ihres Berufslebens den Wirtschaftsbereich. Vor allem kleine Betriebe tun sich schwer, sich auf Bedürfnisse wie zeitliche Flexibilität oder die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben einzustellen. Hier besteht Handlungsbedarf. Sonst könnten die Personalnöte der Betriebe noch größer werden. Das spürt dann auch der Verbraucher: Er muss jetzt schon lange auf einen Handwerker warten.