Abdulfeta Djemaili und sein Team suchen den Untergrund nach Bomben ab. Foto: Stefanie Schlecht

Blindgänger, die unentdeckt im Boden schlummern, stellen potenziell eine große Gefahr da. Deshalb suchen Kampfmittelsondierer auf der A81-Baustelle den Untergrund nach ihnen ab.

Fast sieht es so aus, als wäre auf der A81-Baustelle bei Böblingen ein Maulwurf zugange. Ein sehr ordentlicher Maulwurf, der in regelmäßigen Abständen Haufen aufwirft. Doch natürlich wühlt sich dort kein Tier durch den Boden. Stattdessen wird in den Boden gebohrt. Diese Bohrungen fordern die volle Konzentration von Abdulfeta Djemaili und seinem Team von der bayerischen Firma Geomer: Sie suchen den Untergrund nach Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg ab.

 

Die Arbeit der Kampfmittelsondierer rückt vor allem dann ins Rampenlicht, wenn sie tatsächlich eine Bombe entdecken. So wie im Juli und September dieses Jahres. Beide Male gelang es dem hinzu gerufenen Kampfmittelbeseitigungsdienst im Nachgang, die Blindgänger zu entschärfen.

Wo nach Bomben gesucht wird

Aktuell nehmen Djemaili und sein Team den Baustellenabschnitt zwischen der Calwer Straße in Böblingen und der neuen Ausfahrt Böblingen/Sindelfingen unter die Lupe. Dort entsteht, parallel zum Lärmschutzwall mit den PV-Anlagen, die neue Fahrspur in Richtung Stuttgart. Die Sondierung folgt einem Plan. „Wir suchen nicht wild und zufällig“, sagt Martin Schippers, Bauingenieur der Deges und für diesen Bauabschnitt zuständig. Karten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes (KMD) dienten als Orientierung.

Links die A81, rechts der Wall zum Flugfeld und in der Mitte die „Maulwurfshügel“. Foto: Stefanie Schlecht

Im Zweiten Weltkrieg waren in den beiden Städten vor allem das Mercedeswerk in Sindelfingen und der Flughafen in Böblingen Ziele der alliierten Bombenangriffe gewesen. Wie viele Blindgänger noch im Boden liegen, ist unklar. Wo sie liegen könnten, ist hingegen klarer. Der KMD hat Luftbilder und Radaraufnahmen ausgewertet und Verdachtsflächen identifiziert, erklärt Schippers. „Man geht davon aus, dass die Bomben fünf bis maximal sechs Meter in den Boden eingedrungen sind.“ So tief – gemessen ab dem Bodenniveau von 1945 – müssen die Kampfmittelsondierer mit einem Ankerbohrgerät nun in den Untergrund vordringen.

Wie die Sondierer vorgehen

Maschinist Djemaili steht an einem Schaltbrett neben dem Bohrfahrzeug, das auf Ketten fährt. In regelmäßigen Abständen versenkt er den schneckenförmigen Bohrer in die Erde. Ein Kollege steuert das Gefährt, ein weiterer steckt mehrere Meter lange Kunststoffrohre in die entstandenen Löcher, damit sie nicht gleich wieder in sich zusammenfallen. Dann erst kommt der Schritt, der möglicherweise zur Entdeckung einer Bombe führt. Djemaili lässt durch das Rohr eine Magnetsonde in die Tiefe, die in einem Radius von circa 70 Zentimetern Anomalien registriert. Diese Messdaten werden später im Büro von Geomer ausgewertet.

Die Daten zeigen laut Schippers aber nur an, ob Metall im Boden ist oder nicht. „Mit einer gewissen Erfahrung kann man anhand der Form erkennen, ob es sich um eine Bombe handelt.“ In seltenen Fällen kommt es dabei zu Fehleinschätzungen, wie im April dieses Jahres. Da stellte sich eine Anomalie schlussendlich als metallführende Bodenschicht heraus.

Nicht nur Bomben, sondern viel Schrott

Neben der Form ist die Tiefe, in der die Störung sichtbar wird, ein Indikator dafür, ob es ein Blindgänger sein könnte oder nicht. Bis zu 1,50 Meter unter der Oberfläche handle es sich im weichen, sumpfigen Boden bei Böblingen um Schrott. Und so ziehen Djemaili und sein Team oft genug alles Mögliche aus dem Boden, das zwar metallisch, aber keine Bombe ist: alte Fahrräder, Kanister, Rohre oder Schilder. Trotzdem verlangt die Arbeit der Kampfmittelsondierer Präzision – und eine gehörige Portion Gelassenheit. Schließlich besteht, wie sich gezeigt hat, immer die Möglichkeit, dass tatsächlich eine Bombe im Boden ist. Djemaili ist sich dieser Gefahr bewusst. „Ich muss konzentriert sein und genau wissen, wie ich bohre“, betont er.

Martin Schippers von der Deges ist für den Bauabschnitt, der sondiert wird, zuständig. Foto: Stefanie Schlecht

Zwar sind die Bohrlöcher verhältnismäßig klein, trotzdem besteht laut Schippers eine kleine Restwahrscheinlichkeit, dass der Bohrer direkt auf eine Bombe treffe. In den zehn Jahren, in denen er Baustellen betreue, sei das aber noch nie vorgekommen. Und es gebe keine Alternative, wolle man den Boden bearbeiten. Später unkontrolliert auf eine Bombe zu treffen, sei viel zu gefährlich.

Entschärfung wird in Ruhe geplant

Legen die Messdaten einen Blindgänger nahe, bricht niemand in wilden Aktionismus aus. Immerhin lagere die mögliche Bombe schon Jahrzehnte im Boden, da mache es nichts aus, wenn sie noch ein wenig länger dort bleibe, sagt Schippers. „Erst mit einem Eingriff in den Boden wäre die Gefahr da.“

Deshalb ließen sich Evakuierung, Autobahnsperrung und Entschärfung durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst in eine Zeit planen, in der möglichst wenig Verkehr herrsche. Dann erst beginnt die Ausgrabung der möglichen Bombe. Für die letzten zwei Meter vor der Anomalie komme eine Handsonde zum Einsatz, die anzeige, wo die Bombe genau liegen müsste, sagt Schippers.

Von der Gesamtfläche der A81-Baustelle gelten laut Schippers etwa 30 Prozent als Verdachtsfläche. Allerdings müsse nicht überall gebohrt und sondiert werden, sondern nur dort, wo Bauarbeiten in die Tiefe geplant seien – wie auf dem Abschnitt parallel zum Flugfeld. „Hier ist der Boden so matschig, dass wir sogenannte Rüttelstoffsäulen brauchen, um die Straße zu stabilisieren.“ Noch sind die Sondierungen in diesem Bereich nicht abgeschlossen. Weitere Bombenfunde gelten als „sehr wahrscheinlich“.

Wann Kampfmittelsondierer zum Einsatz kommen

Sondierung
Finden auf Verdachtsflächen Bauarbeiten statt, bei denen in die Tiefe gegraben wird, müssen Kampfmittelsondierer die Arbeiten begleiten. Das war beispielsweise auch bei den archäologischen Grabungen auf dem Böblinger Schlossberg der Fall oder bei Baumaßnahmen auf dem Gelände des Mercedeswerks. Dort wurde ihm März eine Bombe entdeckt und entschärft.

Deges
Die Deges, kurz für Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, plant und koordiniert den Ausbau der A81 zwischen Böblingen und Sindelfingen von vier auf sechs Spuren.