Auf der eigentlichen Straße liegen Stahlplatten, die zu einer Rampe verschraubt werden. Darauf fahren die Autos. Foto: Wein

Mit einer Fly-Over-Rampe kann der Verkehr auf der Autobahn trotz Baustelle weiter fließen – so die Theorie. Die Schweiz und Österreich kennen die Technik schon lange, deusche Ingenieure sind skeptisch.

Engen - Damit die Autofahrer beim ersten Mal nicht scheuen wie ein Springpferd vor dem Hindernis macht ihnen die Autobahnmeisterei am Kreuz Hegau erst einmal Mut. „Weiterfahren über Rampe“ steht unter einem dreieckigen Warnschild an der Überleitung von der A 81 aus Stuttgart in Richtung Stockach. Was dann kommt, ist für deutsche Autofahrer in der Tat ungewohnt. Über eine 110 Meter lange und bis zu 1,60 Meter hohe Rampe, die auf eine dortige Brücke gestellt wurde, geht es hinüber auf die andere Seite.

„Wir sind gespannt, wie die Autofahrer reagieren“, sagt Marcel Zembrot, der Leiter des Referats Straßenunterhaltsplanung im Stuttgarter Verkehrsministerium. Und das gilt nicht nur für ihn. Gekommen sind außerdem sein Chef, der Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), und aus Berlin sogar eine Vertreterin des Bundesverkehrsministeriums. Schließlich geht es um einen bundesweiten Pilotversuch. Erstmals wird in Deutschland bei der Brückenwartung eine sogenannte Fly-Over-Rampe eingesetzt. Ziel ist es, die Zeit von Vollsperrungen zu minimieren.

Experte wird es bei der Probefahrt mulmig

Auch einem Profi wie Helmut Mayer von der Singener Neubauleitung des Freiburger Regierungspräsidiums war es bei der ersten Probefahrt ein wenig mulmig zumute. Der Belag klappere, und „wenn man heranfährt, kann man nicht über den Buckel schauen und weiß nicht so genau, was auf einen zukommen“, sagt Mayer. Aber das Geländer als Seitenführung gebe einem Sicherheit. In jedem Fall sei die Lösung komfortabler als eine Vollsperrung mit Umleitung und Stau. Am Kreuz Hegau sind es nur sechs zusätzliche Kilometer über die Autobahn. Anderswo könnten auch Ortsdurchfahrten betroffen sein. Vor allem in der Region seien viele Einsatzmöglichkeiten auch auf Bundesstraßen denkbar.

Es war am Donnerstagabend, als vier Sattelschlepper und zwei große Autokräne, allesamt mit Schweizer Kennzeichen, am Kreuz Hegau eintrafen. 28 Leute waren im Einsatz. Stahlböcke wurden auf die Fahrbahn gestellt, darauf jeweils fünf Meter lange Stahlplatten gelegt und verschraubt. Mayers Kollege Hans Zeller war beeindruckt. „Um 20.20 Uhr haben sie losgelegt, um 4 Uhr war alles fertig.“ Nicht für die Asphaltierung, aber für den Austausch der Verbindungsstücke zwischen Brücke und fester Straße ist die Fly-Over-Rampe ein geeignetes Mittel. Diese Dehnfugen, die bei großen Brücken witterungsbedingte Verschiebungen von bis zu einem Meter ausgleichen können, sind die typischen Verschleißteile. Hält eine Brücke 100 Jahre, so sind es bei diesen Übergangsstücken aus Metall und Kunststoff nur 20. Ihr Austausch ist mit der Fly-Over-Rampe denkbar einfach. Sind sie freigelegt, werden die mittleren Platten der Rampe kurz abmontiert, die Dehnfuge herausgehoben und das Ersatzteil eingesetzt. „Der Rekord der Schweizer Kollegen beträgt acht Minuten“, sagte Ministeriumsmann Zembrot. „Dafür hält man einfach kurz den Verkehr an.“ Bei der herkömmlichen Methode würde die Sperrung zwei Wochen dauern.

In Österreich ist die Rampe seit 2003 Standard

Schon seit 2008 setzt die Schweiz die Fly-Over-Rampe ein. Für 220 000 Euro inklusive Aufbau hat sie eines ihrer Stücke nun an den nördlichen Nachbarn verliehen. In Österreich, wo sie entwickelt wurde, ist die Rampe sogar schon seit 2003 bei vielen Brückenreparaturen Standard. Um sie nun auch nach Deutschland zu bringen, hat Zembrot viele dicke Bretter gebohrt. Schon 2010 war er bei einer dreimonatigen Hospitanz beim Berner Bundesamt für Straßen auf die Rampe aufmerksam geworden. „Aber es gibt eben viele Bedenkenträger“, sagte Zembrot. Und tatsächlich wirke die Rampe auf einen deutschen Ingenieur ein wenig improvisiert. So öffnen sich zwischen den einzelnen Fahrbahnplatten bis zu elf Zentimeter breite Spalte. Deshalb rüttele es ein wenig. Allerdings benötige die Konstruktion diesen Spielraum. „Wichtiger ist, dass die Längsfugen zwischen den beiden Fahrbahnen geschlossen sind.“ Sonst könnten Motorradfahrer stürzen, die das Überholverbot nicht beachten.

„Es geht darum, ob wir als Land eine solche Fly-Over-Rampe anschaffen“, sagte Verkehrsminister Hermann. 1,4 Millionen Euro soll sie kosten. Die Pilotphase werde genau ausgewertet, sagte Zembrot. Dabei geht es um die Kosten, die Arbeitssicherheit, aber vor allem um das Verhalten der Autofahrer. Auf der Rampe gilt Tempo 60, der Schwerlastverkehr darf sogar nur 40 Kilometer pro Stunde fahren. Die Polizei werde in den drei Wochen des Pilotversuchs kontrollieren. Nicht, dass Raser die Fly-Over-Rampe zum Abheben nutzen.