950 Jahre Weil der Stadt: Das wird groß gefeiert. Auf dem Marktplatz vor dem historischen Rathaus eröffnen der Bürgermeister Christian Walter (li. mit Schürze) und der Erste Beigeordnete Jürgen Katz das Fest. Foto: Simon Granville

Vor 950 Jahren ist Weil der Stadt erstmals urkundlich erwähnt worden. So hat die Stadt am Wochenende ihr Jubiläum gefeiert.

„Unsere alte Dame Weil der Stadt ist zwar 950 Jahre alt – aber sie wirkt noch ganz schön jung“, schmeichelt Jürgen Katz, Erster Beigeordneter der Stadt, dem Geburtstags-„Kind“ bei der Eröffnung des Festes am Samstagmittag auf dem Marktplatz. Wahrscheinlich sei der Ort noch älter, mutmaßt er. „Und wo sich ein paar Falten zeigen, pflegen wir das als bauliches Erbe“, fügt er hinzu. Tatsächlich hat sich die Innenstadt für den großen Festtag herausgeputzt, Fahnen aufgezogen. Die Plätze und Gassen sind mit buntem Treiben gefüllt. Gilt es doch, 950 Jahre Weil der Stadt zu feiern, oder genauer, die erste Erwähnung von „Wile“ in einer Urkunde, dem Hirsauer Formular, im Jahr 1075. Neben dem Festbetrieb können die Gäste bei Führungen und Vorträgen tief in die Stadtgeschichte eintauchen, bis zurück ins Hochmittelalter.

 

Das Kloster Hirsau, das mit Unterbrechungen seit dem 9. Jahrhundert bestand und in der fraglichen Zeit durch viele Schenkungen zum Großgrundbesitzer wurde, erhielt vom Grafen Adalbert von Calw, einem Neffen des damaligen Papstes Leo, mehrere Siedlungen und landwirtschaftliche Anwesen ganz oder teilweise übereignet, etwa Merklingen, Münklingen und Hausen. Dazu kamen dann noch Flächen, die unter dem Namen Weil liefen, womit diese Siedlung erstmals offiziell in eben jener Urkunde von 1075 in Erscheinung trat. Für die Menschen bedeutete dies damals konkret, dass sie Abgaben und Frondienste für die Klosterherren an der Nagold leisten mussten.

Besiedelt ist das Gebiet wohl schon viel länger

Natürlich lebten in dem Gebiet schon viel länger Menschen, stellte der Stadtarchivar Mathias Graner in seinem umfassenden Einblick in die Ortsgeschichte am Freitagabend im Klösterle klar. „Hier wurde gesiedelt, seit der Mensch sesshaft wurde“, sagte er mit Blick auf das an archäologischen Funden reiche Renninger Becken.

In den auf 1075 folgenden zweihundert Jahren wuchs die kleine Siedlung Weil nicht nur zur Stadt, sondern rückte über den Calwer Grafen per Erbfolge an die Welfen und schließlich die Staufer, und damit an das Machtzentrum von König und Kaiser heran. 1241 wird im Reichssteuerverzeichnis dokumentiert, dass Weil Geld für den Bau einer Stadtmauer erhält. 1272 erscheint erstmals der Reichsadler auf einem Siegel der dann freien Reichsstadt. Trotzdem zahlte Weil bis ins 19. Jahrhundert hinein Abgaben an das Kloster. Diese Entwicklung vom Klosterdorf zur Stadt wird im Stadtmuseum samt Hirsauer Formular präsentiert und wird dort von den Mitgliedern des Heimatvereins anschaulich erklärt.

Münze zum Stadtjubiläum ist beliebt

Stadtführer Wendelin Benz zieht mit einer großen Schar von Festbesuchern zu den markanten historischen Orten der Keplerstadt. Es geht vom Marktplatz über die Kirche St. Peter und Paul zum Klösterle, entlang und auf der Stadtmauer vom Storchenturm zum Roten Turm samt Verlies – Geschichte zum Anfassen sozusagen. Das gilt erst recht für die Jubiläumsmünzen, die Silas Schwarz am Stand neben der Tourist-Info mit einer nachgebauten historischen Prägemaschine per Fallhammer herstellt und die rege nachgefragt sind, wie es am Stand der Renninger Firma Simm heißt.

Ein Blick in die Vergangenheit und die Zukunft gleichermaßen gewährt Norbert Rebmann vom Förderverein Klösterle. Ist die ehemalige Kirche der einstigen Kapuzinermönche längst als beliebter Veranstaltungsort etabliert, so sollen nun der Nordflügel saniert und umgenutzt werden. Rebmann führt durch die Räume, wie sie von den letzten Bewohnern der Wohnungen vor Jahren hinterlassen wurden, und präsentiert an Ort und Stelle die Ideen, wie das Gebäude künftig für vielfältige Zwecke öffentlich genutzt werden kann. Ein viele Millionen schweres Projekt, für das immer noch eifrig die Spendentrommel gerührt wird.

Frankreich, Freibier und Fanfarenklänge

„Sine historiae homo non est homo“ – unter diesen Titel hatte der Stadtarchivar seinen Festvortrag gestellt. Ohne Geschichte ist auch Weil der Stadt nicht vorstellbar, schaut sie doch nahezu aus jeder Ecke der Stadt hervor. Und das muss gefeiert werden, was die Weil der Städter besonders gern tun, wie immer wieder betont wird. Dass der Bürgermeister Christian Walter im Beisein seines Kollegen Vincent Scherrer aus der elsässischen Partnerstadt Riquewihr mit nur zwei Schlägen das Bierfass angestochen hat und fleißig Freibier an die Umstehenden verteilt, gehört ebenso zum großen Stadtfest wie die Bürgergarde, der Fanfarenzug sowie die vielen Aktionen diesseits und jenseits der Stadtmauern.

In den Stadtteilen Merklingen und Münklingen wird in den kommenden Wochen gefeiert. An diesem Montag startet der Hausener Dorfsommer mit einem Picknick an der Würm.