Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier setzt sich für ein regelmäßiges Gedenken am 9. November ein. (Archivbild) Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Gutes und Böses, Freude und Leiden, Glück und Verderben – all dies verkörpert der 9. November für die Deutschen. Zugleich tritt der Tag im historischen Gedenken hinter dem 3. Oktober deutlich zurück. Der Bundespräsident will das ändern.

Berlin - Der 9. November ist für Deutschland ein historischer Tage - im guten wie im schlechten Sinne: Mit einer Veranstaltung im Schloss Bellevue erinnert Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an diesem Dienstag an die Ambivalenz dieses Tages in der deutschen Geschichte.

Der Tag steht für drei einschneidende Daten: Am 9. November 1918 rief Philipp Scheidemann von einem Fenster des Reichstagsgebäudes die Republik aus, die Monarchie war Vergangenheit. Der 9. November 1938 ging als Tag der nationalsozialistischen Pogrome in die Geschichte ein und steht für die Verfolgung und Vernichtung der Juden. Und am 9. November 1989 leitete der Fall der Berliner Mauer die deutsche Wiedervereinigung ein.

Regelmäßiges Gedenken erwünscht

Steinmeier will laut Bundespräsidialamt einen Impuls dafür geben, dass es am 9. November ein regelmäßiges institutionalisiertes Gedenken gibt, das allen drei Ereignissen gerecht wird. Denn dieses fehle bislang. Trotz seines großen historischen und emotionalen Gewichts, trotz seiner Widersprüchlichkeit - oder gerade deswegen - spiele der 9. November heute nur eine untergeordnete Rolle im öffentlichen Gedenken. Für Steinmeier sei der Tag eine „echte Herzensangelegenheit“, heißt es.

Der Bundespräsident hatte den 9. November im Jahr 2018 in einer Rede im Bundestag als einen „Tag der Widersprüche“ bezeichnet. Es sei „ein heller und ein dunkler Tag, ein Tag, der uns das abverlangt, was für immer zum Blick auf die deutsche Vergangenheit gehören wird: die Ambivalenz der Erinnerung“.

Jüngste Abgeordnete im Schloss Bellevue

An der Veranstaltung an diesem Dienstag werden auch die Spitzen der vier anderen Verfassungsorgane teilnehmen, also die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), Bundesratspräsident Bodo Ramelow (Linke) sowie der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth.

Aus jeder Bundestagsfraktion werden die jeweils jüngsten Abgeordneten im Schloss Bellevue sein, außerdem Sieger des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten und Träger des Margot-Friedländer-Preises. Der frühere Bürgerrechtler Werner Schulz wurde ebenso eingeladen wie die ehemalige Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU).

Holocaust-Überlebende spricht in Berlin

In der Gedenkstunde will die jüngste Abgeordnete des neuen Bundestags, Emilia Fester (Grüne), den Blick auf die Ereignisse 1918 richten. Die gerade 100 Jahre alt gewordene Holocaust-Überlebende Margot Friedländer wird ihre Erlebnisse 1938 in Berlin schildern. Und der Bürgerrechtler und frühere Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen, Roland Jahn, wird sich dem Jahr 1989 widmen.

Bundesratspräsident Ramelow erklärte vorab: „Dieser Schicksalstag der deutschen Geschichte verpflichtet uns, verantwortungsvoll gegen Geschichtsvergessenheit einzutreten. Unser gemeinsames Engagement für Demokratie und Menschenrechte, für Freiheit und Toleranz ist unabdingbar.“