Wasser kostet Haushalten in Stuttgart von August an 20 Cent mehr. Foto: dpa-Zentralbild

Erhöhung um 9,3 Prozent: Gemeinderat holt sich Rechtsrat – Rückkauf des Wassernetzes vor Gericht.

Stuttgart - Alle Haushalte in Stuttgart müssen bereits vom 1. August 2012 an netto 9,3 Prozent oder 20 Cent mehr für den Kubikmeter Trinkwasser bezahlen. Er kostet dann brutto, also einschließlich der siebenprozentigen Mehrwertsteuer, rund 2,56 statt 2,34 Euro. Die Jahres-Grundgebühr steigt auch um 9,3 Prozent.

Ob die Preiserhöhung Bestand hat, wird voraussichtlich erstmals vor Gericht geklärt. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt, der den Aufschlag der EnBW lediglich zur Kenntnis nehmen kann, beauftragte die Stadtverwaltung am Mittwoch, „mögliche rechtliche Schritte gegen die geplante Trinkwasserpreiserhöhung zu prüfen“. Der Wasserpreis war von der EnBW zuletzt am 15. Mai 2007 erhöht worden. Anders als bei Gas oder Strom haben die Verbraucher beim Wasser keine Wahlfreiheit, es gibt ein Versorgungsmonopol.

Auch das Landeskartellamt will die Rechtmäßigkeit des Aufschlags prüfen. Man kontrolliere, ob ein Preismissbrauchsverfahren gegen die EnBW eingeleitet werde, sagt Kartellamts-Sprecher Frank Lorho auf Anfrage. Ergäben sich tatsächlich Anhaltspunkte für einen überhöhten Preis, könnte das Amt eine Reduzierung, eventuell sogar eine Rückzahlung der überhöhten Summe verfügen, wie es im Februar 2011 in Calw (mit den landesweit höchsten Preisen) der Fall war. Der Casus Calw liegt, nachdem sich das Oberlandesgericht (OLG) und der Bundesgerichtshof damit befasst haben, wieder beim OLG.

EnBW: Man schöpfe den Preiserhöhungsspielraum nicht aus

Die EnBW begründet den Aufschlag in Stuttgart mit gestiegenen Bezugs- und Personalkosten sowie dem weiter zurückgehenden Verbrauch. Um die gestiegenen Betriebskosten auszugleichen, müsse der Konzern eigentlich sogar 26 Cent pro Kubikmeter mehr verlangen, rechnet EnBW Vertriebs-Geschäftsführer Gerhard Kleih in einem Schreiben an OB Wolfgang Schuster (CDU) vor. Man habe die Gründe „klar nachvollziehbar dargelegt“, schreibt Kleih, und man schöpfe den Preiserhöhungsspielraum nicht aus. Einen Zusammenhang zwischen der Erhöhung und den aktuellen Verhandlungen zur kompletten Übernahme des Wassernetzes der EnBW durch die Stadt sieht Kleih nicht. Diese Verbindung vermuten aber Stadtverwaltung und Gemeinderat. Die EnBW habe das kalkulatorische Anlagevermögen von bisher 106 auf 565 Millionen Euro hochgesetzt. So müsste der Wasserpreis zwangsläufig steigen. Die neue Bewertung verstoße gegen Verträge. Man gehe von einem „Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung aus“, sagt Schuster.

Unterstützung erhält der Verwaltungschef vom Bundeskartellamt. Die Erlöse aus der Wasserversorgung seien „derzeit schon sehr hoch“, insoweit käme „auch heute schon die Einleitung eines Preismissbrauchsverfahrens in Betracht“, schreiben die Bonner Wettbewerbshüter an die Stadt.

Auch beim Thema Rückkauf des Wassernetzes stützt das Bundeskartellamt die Argumentation der Stadt. Das Leitungsnetz könne zwar grundsätzlich zum Sachzeitwert oder Ertragswert bewertet werden, wenn aber der Sachzeitwert den Ertragswert „nicht unerheblich übersteigt und dadurch eine Übernahme des Netzes verhindert wird“, setze der Ertragswert Grenzen. Der Gemeinderat entschied auch hier, rechtliche Schritte zur Klage vorzubereiten. „Wir müssen in Kauf nehmen, dass sich die Übernahme verzögert, aber wir wollen keine 600, sondern maximal 150 Millionen Euro bezahlen“, sagte Finanzbürgermeister Michael Föll. Wenn die Kalkulation der EnBW aufginge, so Föll, „müsste der Kubikmeter das Doppelte kosten“.

Die juristische Auseinandersetzung wird von allen Fraktionen im Gemeinderat gebilligt. Sie sei „im Zweifelsfall nötig“, sagte CDU-Chef Alexander Kotz. Durch die „Manipulation des Wasserpreises“ werde der für das Netz erhöht, sagte Manfred Kanzleiter von der SPD. Von einer „doppelten Abzocke der Bürger“ sprach Hannes Rockenbauch von SÖS/Linke. Einzig Bernd Klingler von der FDP nannte die EnBW-Kalkulation „nachvollziehbar“. Der Vorbereitung der Klage stimmte aber auch er zu.