Spektakuläre Reinigung der Präsidenten-Köpfe bei Mount Rushmore Foto: AP

Im 75. Jahr seines Bestehens liefert das Winnender Unternehmen Rekordzahlen.

Winnenden - Krise - war da was? Der Reinigungsspezialist Kärcher hat im ersten Halbjahr 2010 ein Rekordergebnis eingefahren. Die für Hochdruckreiniger bekannte Firma will im 75. Jahr ihres Bestehens stärker ins Geschäft mit Hygiene- und Gesundheitsdienstleistungen einsteigen.

Während große Teile des Maschinenbaus und der Konsumgüterindustrie noch mit der Krise kämpfen, scheint Kärcher sie bereits hinter sich gelassen zu haben. Für das laufende Geschäftsjahr rechne man mit einem Rekordumsatz von 1,45 Milliarden Euro, sagte der Vorsitzende der Kärcher-Geschäftsführung, Hartmut Jenner, am Dienstag. Damit hätte der Winnender Weltmarktführer bei Reinigungstechnik das Rekordjahr 2008 übertroffen. Damals wurden 1,4 Milliarden Euro umgesetzt. Die Prognose fürs Gesamtjahr wird untermauert von den Zahlen der ersten sechs Monate, die sehr gut ausgefallen sind. Mit 820 Millionen Umsatz und 4,3 Millionen verkauften Geräten habe man Rekordergebnisse erzielt, sagte Jenner. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum betrage der Zuwachs 15 Prozent.

Kärcher: Ohne Kurzarbeit durch die Krise

Im Moment stelle man fest, dass sich fast alle Exportregionen "homogen und parallel nach oben" entwickelten, sagte Jenner. Nachdem im vergangenen Jahr besonders der Markt für Gewerbekunden, der bei Kärcher für etwa die Hälfte der Umsätze sorgt, um knapp 20 Prozent eingebrochen sei, spüre man jetzt einen starken Trend nach oben. Im Geschäft mit Endkundengeräten, also etwa mobilen Hochdruckreinigern für den Hausgebrauch, werde man zum Jahresende über die Werte des Boomjahres 2008 hinauswachsen, sagte Jenner. Im Krisenjahr 2009 war der Endkundenabsatz nahezu stabil geblieben. Jetzt setze ein "Aufholeffekt ein".

Mit 7100 Mitarbeitern beschäftigt Kärcher derzeit rund 200 Mitarbeiter mehr als zu Jahresbeginn. Das Unternehmen ist ohne Kurzarbeit durch die Krise gekommen.

Der Grundstein für den heute weltweit tätigen Kärcher-Konzern legte Firmengründer Alfred Kärcher 1935 in Bad Cannstatt. In einem kleinen Hinterhofbetrieb tüftelte er an Heizsystemen für industrielle Zwecke. Heraus kam ein Ofen, in dem unter Zugabe von Salzen Leichtmetalle gehärtet werden konnten. Zwar verkaufte Kärcher die Patente bald, um vom Erlös das heutige Firmengelände in Winnenden zu erwerben, die Kontakte zur Luftfahrtindustrie, die damals schon auf leichte und harte Materialien angewiesen war, blieben aber. Im Dritten Reich wird Kärcher zu einem der Zulieferer des Militärs und liefert etwa Heizgeräte zum Aufwärmen von Flugzeugmotoren und zum Enteisen von Tragflächen.

Kärcher ist das Synonym für Sauberkeit

Nach dem Krieg liegt das Geschäft am Boden. Um die Löhne für die Belegschaft pünktlich zahlen zu können, verkauft der Firmengründer Material aus seinem Besitz. Ein Auftrag der US-Army zur Reparatur eines Dampfreinigers läutet die "moderne Geschichte" des Unternehmens ein. Kärcher erkennt, dass der Druck, nicht die Hitze der entscheidende Einflussfaktor beim Reinigen ist, verfeinert die Geräte und baut stärkere Pumpen ein. Als er 1959 stirbt, hat Kärcher 250 Mitarbeiter und macht 6,5 Millionen D-Mark Umsatz.

Nach seinem Tod treibt seine Frau Irene die Internationalisierung der Firma voran und gründet 1962 die erste von heute 47 Auslandsgesellschaften in Frankreich.

Wie fast immer führt die schnelle Expansion auch zu Wildwuchs. Zu Anfang der 1970er Jahre ist Kärcher mit acht unterschiedlichen Produktgruppen auf dem Markt. Neben den traditionellen Reinigungsgeräten haben die Schwaben auch Patente auf künstliche Nieren und Segel-Katamarane in petto. In einem unternehmerischen Kraftakt stößt Irene die Nebengeschäfte ab und konzentriert das Unternehmen ab 1974 wieder auf Reinigungsprodukte. Ziel: zum Systemanbieter zu werden, der für alle möglichen Anwendungen - vom Klein-Hochdruckreiniger über Sauger und Kehrmaschinen bis zur Auto-Waschanlage - alles im Programm hat.

Sarkozy prägte einen unschönen Begriff vom "kärchern"

Heute ist dieses Ziel erreicht und der Name Kärcher zum Synonym für Sauberkeit in aller Welt geworden. Auch in durchaus umstrittenem Sinne. Als 2005 in Paris die Vorstädte brennen, schlägt der damalige Innenminister und heutige Präsident Frankreichs, Nicolas Sarkozy, vor, die Gehsteige mit dem Kärcher von den Krawallmachern zu reinigen. "Nettoyer au karcher" oder "karcheriser", was so viel heißt wie wegputzen oder sauber machen, werden in Frankreich zum Teil des Alltagsvokabulars.

Mittlerweile ist Kärcher wieder an einem Punkt, an dem das Geschäft mit traditionellen Reinigungsanwendungen zu eng wird. Auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern hat das Unternehmen daher in den fünf letzten Jahren den Markt mit Gartenpflegeprodukten und die Wasseraufbereitung stärker in den Blick genommen. Seit einiger Zeit bietet man etwa mobile High-Tech-Container an, in die vorne verschmutztes Wasser eingeleitet wird und am anderen Ende Trinkwasser herauskommt. In vielen Krisengebiete vom Irak bis Afghanistan seien die Anlagen schon im Einsatz, sagt Jenner. In Zukunft will Kärcher neben der Wasserknappheit auch dem Feinstaub den Kampf ansagen. Besonders im Gesundheitssektor, aber auch im Handwerk bei Bäckern und Schreinern seien Säuberungsmethoden gefragt, die keinen schädlichen Staub in die Umwelt entweichen lassen, sagt der Kärcher-Chef. Hier wolle man weiter zulegen.