Auch im Bild stets perfekt: das SWR-Vokalensemble Foto: SWR

Eigentlich wollte die SWR-Intendanz auch hier längst alles zusammengespart haben. Doch bisher haben Bürgerproteste das SWR-Vokalensemble vor Kürzungen bewahrt. Das Ensemble konnte nun im Stuttgarter Theaterhaus seinen 70. Geburtstag feiern.

Stuttgart - Jubelstimmung überall! Das 1946 gegründete SWR-Vokalensemble, betont der Intendant des Südwestrundfunks, Peter Boudgoust, beim Festkonzert im Theaterhaus, stehe heute „besser da denn je“, und er lobt das „unvergleichbare Niveau“ des Chores. Als zweiter Laudator freut sich Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn darüber, dass der Sender seinen Kulturauftrag so ernst nehme. Beifall im Saal.

Offenbar ist die Erinnerung an die Pläne von Boudgousts Vorgänger Peter Voss zur Halbierung des Ensembles, die 2004 nur vehementer Protest vereiteln konnte, bereits verblasst. Und ausgerechnet einen Intendanten, der gerade die Fusion zweier renommierter Orchester durchgeboxt hat, nämlich des Radio-Sinfonieorchester Stuttgart mit dem SWR-Sinfonieorchester Freiburg/Baden-Baden, zum Vorkämpfer des öffentlich-rechtlichen Kulturauftrags zu deklarieren, ist ein Fauxpas. Wie der (vermutlich sehr gewollte) Zufall so spielt: Just am kommenden Donnerstag ist das nun neu zusammengesetzte SWR-Symphonieorchester erstmals in der Liederhalle zu erleben. Angesichts all dessen hätte auch ein politischer Diplomat ruhig mal freundlich fordernd den lobenden SWR-Frontmann beim Wort nehmen dürfen: Keine Kürzungen mehr bei der Kunst!

Vom Flimmern der Sterne und den Schreien der Möwen

Diese ist am Samstagabend eine ganz große. Wer noch nicht wusste, wie fein der Klang des Vokalensembles unter Marcus Creed geworden ist, wie gut die Stimmen verschmelzen, wie sensibel der Chor Farben und Dynamik austariert, der hört es hier. Auf der Bühne stehen 34 Sänger – wäre die vom SWR unter Voss abgesegnete allmähliche Schrumpfung des Vokalensembles auf 24 Stellen (bis 2020) bereits abgeschlossen, hätte man dieses Programm nicht aufführen können.

Die Schlichtheit der Mittel, mit denen Heinz Holliger seinen „Jahreszeiten“-Zyklus über späte Gedichte Scardanellis (also: Friedrich Hölderlins) ausstattet, begreift der Chor als Aufforderung zur Detailarbeit. Präzise intonierte Einzeltöne, wortgezeugte Klang-Ereignisse wie etwa das Flimmern der Sterne im solistischen Frauenkanon des „Sommers“ (III) oder die zum „Einerlei“ erstarrte Natur im „Winter“ (I): Das wird hier ebenso zum Ereignis wie das Miterleben der von Möwen umschwebten Meereswogen in Martin Smolkas „Poema de balcones“ als wirkungsvolles akustisches Breitwandkino oder das in unendlich viele Spektren aufgespaltene Gleißen der Sonne in György Ligetis „Hälfte des Lebens“ (aus den drei Hölderlin-Fantasien). Jubelstimmung überall – und hier zu Recht.