Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron hatten am Vortag ein gemeinsames Konzept für den Wiederaufbauplan vorgelegt. Foto: AFP/KAY NIETFELD

Um aus der Corona-Krise herauszukommen, braucht es sehr viel Geld. Dafür ist Deutschland erstmals bereit, gemeinsame Schulden in der EU aufzunehmen. Um den deutsch-französischen Plan umzusetzen, ist aber noch viel Überredungskunst gefragt.

Brüssel - Nach der deutsch-französischen Initiative für ein 500-Milliarden-Euro-Programm zur wirtschaftlichen Erholung in der EU rühren beide Länder nun die Werbetrommel - denn es regt sich Widerstand. Österreich, die Niederlande, Dänemark und Schweden pochen darauf, dass die EU nur rückzahlbare Kredite und keine Zuschüsse ausgibt.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte am Dienstag bei einem gemeinsamen Auftritt mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire in Brüssel, der Plan werde nun von den Wirtschafts- und Finanzministern diskutiert. Le Maire unterstrich die historische Dimension der deutsch-französischen Initiative. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erläuterte den Regierungschefs von Polen, Tschechien, Ungarn und der Slowakei wesentliche Punkte des Vorstoßes. Wie diese reagierten, wurde zunächst nicht bekannt.

Krisenstaaten könnten Zuschüsse bekommen

Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron hatten am Vortag ein gemeinsames Konzept für den Wiederaufbauplan vorgelegt. Die 500 Milliarden Euro sollen demnach von der EU-Kommission als Kredite am Kapitalmarkt aufgenommen und dann über den EU-Haushalt als Zuwendungen verteilt werden. Denn wenn die Länder gemeinsam geradestehen, können sie zu günstigeren Konditionen Geld leihen, als das vielen Regierungen im Alleingang möglich wäre. Krisenstaaten wie Italien oder Spanien, aber auch betroffene Branchen könnten Zuschüsse bekommen. Dafür müssen sich aber alle 27 EU-Länder einig werden.

Le Maire sagte, zum ersten Mal habe man sich darauf verständigt, gemeinsam Schulden in Europa aufzunehmen, um Investitionen zu finanzieren. „Das ist ein historischer Schritt für Frankreich und Deutschland und das ist auch ein historischer Schritt für die gesamte EU“. Die Corona-Krise vergrößere die wirtschaftlichen Kluften in der Gemeinschaft. Solidarität sei nun entscheidend.

Ausdrücklich ein Notprogramm

Als Fortschritt in Sachen Solidarität wertete auch die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, das Vorhaben. Anders als die viel diskutierten „Euro-Bonds“ sei der vorgeschlagene Fonds zeitlich und inhaltlich begrenzt und ausdrücklich ein Notprogramm, sagte die SPD-Politikerin im Deutschlandfunk. Lob kam auch von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet - und zwar auf Französisch. Merkel und Macron hätten den „Grundstein für ein neues Europa“ gelegt, das geeinter, solidarischer und zusammen stärker in der Welt sei, schrieb der CDU-Politiker auf Twitter. Unionsfraktionschef Brinkhaus sagte dem „Spiegel“, der Vorschlag zeige, dass europäische Solidaritätauch ohne Vergemeinschaftung von Schulden funktioniere.

180-Grad-Kehrtwende

Kritisch äußerte sich dagegen der stellvertretende FDP-Fraktionschef Alexander Graf Lambsdorff: „Hier soll eine 180-Grad-Kehrtwende gemacht werden, dass plötzlich sich die Europäische Union doch verschulden darf“, sagte er im ZDF-„Morgenmagazin“. Er sei „sehr skeptisch“, dass der Plan Wirklichkeit werde, und rechne auch für Deutschland mit einer lebhaften Debatte. Deutschland ist mit einem Anteil von ungefähr 27 Prozent der größte Netto-Beitragszahler im EU-Haushalt. AfD-Fraktionsvize Beatrix von Storch warf Merkel Wortbruch vor, weil nun doch „Euro-Bonds“ kämen - „nur leicht getarnt, um die deutschen Steuerzahler zu täuschen“.

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hatte bereits am Montagabend gesagt, er habe sich mit den Regierungschefs der Niederlande, Dänemarks und Schwedens ausgetauscht und dazu auf Twitter geschrieben: „Unsere Position bleibt unverändert.“ Man sei bereit, mit Darlehen zu helfen. Dänemarks Finanzminister Nicolai Wammen sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur Ritzau, durch den deutsch-französischen Vorschlag habe sich die dänische Position nicht verändert. Seine Regierung warte nun ab, was die EU-Kommission in der Hinsicht voraussichtlich am 27. Mai präsentieren werde.