Der Bauernkrieg jährt sich 2025 zum 500. Mal. Böblingen setzt sich dafür ein Zehn-Meter-Denkmal – von Skandal-Bildhauer Peter Lenk.
Vor 499 Jahren kämpfte eine aufgebrachte Bauernmeute in der Schlacht bei Böblingen für ihre gesellschaftliche Besserstellung – erfolglos. Die Stadt wurde damit zu einem der grausamsten Schauplätze des Bauernaufstands. Im kommenden Jahr ist das Gemetzel ein halbes Jahrtausend her, für Böblingen soll es wieder brandaktuell werden. Deshalb schenkt sich die Stadt eine Gedenksäule am Oberen See. Sie wird wohl aus dem vielschichtigen Gedenken an den Bauernkrieg herausragen. Nicht wegen ihres Standorts zwischen Bootshaus und Spielplatz im Stadtgarten. Sondern wegen ihrer Höhe von zehn Metern und vor allem wegen ihres Erschaffers: dem Skandal-Bildhauer Peter Lenk.
Mit kühler künstlerischer Zurückhaltung hat es der nicht so. Lenk lebt und arbeitet im beschaulichen Bodman ganz am westlichen Zipfel des Bodensees. Doch in der Geschichte seines Schaffens wimmelt es nur so von Anstößigkeiten. Vor vier Jahren nahm er die Entgleisungen rund um das Bahnprojekt Stuttgart 21 aufs Korn: Ein nackter Ministerpräsident Kretschmann kämpft wie der mythologische Laokoon mit einem zur Schlange mutierten ICE. Die Kalkstein-Skulptur stellte er – wie es so seine Art ist – ohne Dauergenehmigung vor das Stuttgarter Stadtpalais.
Nach etwas politischem Hickhack wurde das Lenk-Mal allerdings wieder nach Bodman verfrachtet, die Selbstironie in der Landeshauptstadt reichte dafür nicht aus. Andere Skulpturen blieben, wo Lenk sie zumeist heimlich ohne Auftrag aufstellte: Die sich um sich selbst drehende Hure Imperia am Konstanzer Hafen etwa oder das Glücksschwein vor dem Schwetzinger Schloss, um nur zwei zu nennen. Anders in Böblingen, wo die Initiative zur Säule noch vom ehemaligen Kulturamtsleiter Peter Conzelmann ausging. Alles ganz gesittet also, ohne Nacht-und-Nebel-Aktion.
Im Kulturausschuss des Böblinger Gemeinderats wurde die Gedenksäule nun erstmals öffentlich vorgestellt und in Teilen gezeigt. Der Künstler legt aber großen Wert auf Geheimniskrämerei, weswegen nur eine der fünf Meter hohen Bildtafeln zu sehen war, die die Säule zieren: Ein Bildnis der kämpfenden Bauern, die mit ihren Mistgabeln und Dreschflegeln zu Tausenden untergehen beim Sturm gegen die Rüstungen des Truchsess von Waldburg, der den Aufstand bei Böblingen 1525 gewaltsam niederschlug.
Die fünfeckige Gedenksäule soll aus fünf dieser Bildtafeln bestehen, sie alle zeigen unterschiedliche Schlüsselszenen des Bauernkriegs. Diese stellte Lenk selbst zusammen, die Stadt ließ ihm freie Hand. „Auf einer habe ich groß den Martin Luther und seine Katharina dargestellt, da er eine wichtige Figur in der Auseinandersetzung war, weil er sich schließlich gegen die Bauern stellte“, sagt Lenk. Darüber scharen sich Nonnen, eine nur im Unterhemd. „Eine Anspielung auf die Hochzeit der entlaufenen Nonne Katharina von Bora mit Luther 1523“, sagt Lenk. Die nächste Tafel zeigt, wie der Graf von Helfenstein in der Bluttat von Weinsberg durch die Speere getrieben wird – eine besondere Herabwürdigung des Adeligen durch Bauernführer Jäcklein Rohrbach. Brutal auch die nächste historische Szene, in der Melchior Nonnenmacher aus Ilsfeld als einer der Hauptschuldigen der Weinsberger Tat am Tag nach der Schlacht bei Böblingen an einen Baum gekettet und bei lebendigem Leib verbrannt wurde.
Wirklich Anstößiges nicht zu finden
Diese Schauderszenen will Lenk allerdings auf der dem See zugewandten Seite der Säule platzieren. „Die Schlachtszene von Böblingen soll Richtung der Fußgänger gerichtet sein in der Sichtachse zur Stadtkirche“, sagt er. Bei aller Brutalität: Wirklich Anstößiges verkneift sich der Bildhauer, der sonst so gerne öffentlich aneckt.
Insbesondere finden sich auf den fünf Tafeln keine Anspielungen auf Personen des öffentlichen Böblinger Lebens. Als Leiterin des Bauernkriegsmuseums betont Lea Wegner zwar die fortwährende Bedeutung des damaligen Aufstandes auch für die Gegenwart, doch einen vom Hof gejagten Ex-OB Wolfgang Lützner sucht man ebenso vergebens wie Karikaturen auf andere gegenwärtige Böblinger Personen. Ob es an der Tatsache liegt, dass es sich hier um eine amtliche Auftragsarbeit handelt? Die Verwaltung bittet den Gemeinderat um die Freigabe der Kosten in Höhe von 350 000 Euro.
Aus dem gab es vorab überwiegend Zustimmung zu dem Lenk-Mal. Bei einer Besichtigung zeigte sich SPD-Stadtrat Lukas Häberle etwas verdutzt, dass in der Schlachtszene eine Frau zu sehen sei, offenbar eine Marketenderin – ein Frau, die als Prostituierte oder Händlerin eine Armee begleitet hat. Lenk: „Ich wollte dem Blutigen etwas entgegensetzen.“ Bedenken zu Haltbarkeit und Statik schlug er in den Wind: „Das fliegt erst um, wenn schon alle Dächer weggeflogen sind“, sagt er über die Stabilität seines Werks.
Ursprünglich wollte Lenk sein Werk martialisch krönen. Auf ihrer Spitze platziert er eine lebensgroße Figur des Truchsess von Waldburg, der in der ersten Version zwei abgehackte Bauernköpfe hochhalten sollte. „Das war mir doch etwas zu brutal“, sagt Lenk. „Jetzt trägt der Truchsess aus lauter Raffgier zwei Geldsäcke.“ Innerhalb der Krone platzierte er allerdings eine hölzerne Lore gefüllt mit Totenköpfen.
Peter Lenks Technik
Material
Für seine Skulpturen verwendet Lenk immer ein ähnliches Verfahren: Er modelliert detailreiche Plastiken mit einer Mischung aus Kalkstein und Epoxidharz, die er schichtweise in eine Negativform streicht.
Statik
Die Böblinger Säule soll mit Pfählen in den Boden gegründet werden, die Bildtafeln werden mit einer mittigen Dehnfuge versehen an eine Haltekonstruktion gedübelt.
Haltbarkeit
Lenks Kunst ist in der Tat sehr haltbar und selten Vandalismus ausgesetzt. Zur Pflege reiche es, sie alle fünf Jahre unter Hochdruck abzustrahlen, sagt er.