Der „Bauernjörg“ Georg von Waldburg schlägt am 12. Mai 1525 bei Böblingen das Bauernheer. Foto: IMAGO/H. Tschanz-Hofmann/IMAGO/H.Tschanz-Hofmann

Vor 500 Jahren erhoben sich Bauern und Bürger in weiten Teilen Deutschlands gegen die Obrigkeit von Adel und Klerus. Der Bauernkrieg war ein früher, aber vergeblicher Kampf um Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

Beginnen wir mit Kirche und Religion, die beide für den Bauernkrieg eine herausragende Rolle spielten: die verfettete und verweltlichte Amtskirche als Ziel von Wut und Hass, das Evangelium von Jesus Christus als Quelle der Hoffnung sowie als Medium von Reform und Revolution. Noch vor den Schlössern brannten vor 500 Jahren die Klöster. Das war kein Zufall, galt die Geistlichkeit doch als habgierig, nichtsnutzig, dazu in ihren weltlichen Herrschaften als besonders unbarmherzig. Aus dem Christentum konnten sich immer schon beide politische Lager bedienen: das linke und das rechte, die da unten und die dort oben. Die historisch dominierende Interpretation findet sich scharf formuliert in Kapitel 13 des Paulus-Briefes an die Römer: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es gibt keine Obrigkeit außer vor Gott. Wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet. Wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt der Anordnung Gottes…“

 

Diese Paulus-Wort hatte auch Martin Luther zur Hand, als er 1525 seinem Furor in der Kampfschrift „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“ freien Lauf gab. Die Bauern und Bürger mussten den Reformator aus Wittenberg, der sein Überleben im Kampf gegen Papst und Kaiser seinem sächsischen Landesherrn verdankte, falsch verstanden haben, als Luther die „Freiheit des Christenmenschen“ predigte. Denn diese Freiheit war innerlich gedacht. Sie war reserviert für die Beziehung des Menschen zu Gott. Damit wirkte der lutherische Protestantismus prägend auf die weitere deutsche Geschichte. Freies Denken sollte die Schwelle der Studierstube nicht überschreiten.

Jedoch gibt es auch eine lichtere Seite des Christentums. Der US-Theologe Jack Miles fasste sie sinngemäß in die Worte, dass Jesus mit seinem kargen Leben und dem schmählichen Tod am Kreuz seit jeher in den Reihen der Mächtigen dieser Welt die Furcht nährt, Gott könne vielleicht doch mit den Armen und Schwachen sein. Dies passt nicht zu dem Bündnis von Thron und Altar, wie es im Absolutismus seinen Ausdruck fand, aber auch sehr viel früher, etwa im ottonischen Reichskirchensystem des Mittelalters, angelegt war. Wie sagt doch die schwangere Maria im Magnifikat des Lukas-Evangeliums: „Gott stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reiche leer ausgehen.“

Gott ist bei den Erniedrigten. Der Dritte der Zwölf Artikel der Bauernschaft knüpft daran an. Diese „Programmschrift“ entstand im Februar/März 1525 in der damaligen Reichsstadt Memmingen. Dank der neuen Drucktechnik verbreiteten sich die Zwölf Artikel nahezu im ganzen Reich. Die Bauern aus Oberschwaben, aus dem Allgäu und vom Bodensee forderten die Begrenzung von Fronen, Lasten und Abgaben. Im dritten Artikel aber – er behandelt die Leibeigenschaft – wurden sie grundsätzlich: Christus habe für alle Menschen sein Blut vergossen, heißt es dort. Deshalb könne kein Mensch eines anderen Leibeigener sein. Aus dem Evangelium erhelle sich, dass Freiheit für alle Menschen gelte: „Darumb erfindet sich mit der Geschrift (dem Evangelium), das wir frei sein und wöllen sein.“ Das war kein bäuerliches Plädoyer für Anarchie. Obrigkeit tue not, aber sie müsse Grenzen haben.

Die Freiheit, so schrieb der große Bauernkriegsforscher unserer Tage, Peter Blickle, werde in diesem Abschnitt der Zwölf Artikel dreifach begründet: theologisch mit Bezug auf den Erlösertod Christi, naturrechtlich im Hinblick auf die Schöpfungsordnung und ethisch unter Verweis auf die christliche Nächstenliebe. Im Jahr 2000 würdigte der damalige Bundespräsident Johannes Rau (SPD) die Zwölf Artikel als „Monument der Freiheitsgeschichte“. Ja, er zog die historische Linie bis zum Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

Hoffen auf das „göttliche Recht“

Die Bauern des Jahres 1525 beriefen sich auf das „göttliche Recht“, das in der wahren und unverfälschten Verkündung des Evangeliums zum Ausdruck komme. Es ist zu unterscheiden vom „alten Recht“, das in jenen fernen Tagen ebenfalls beschworen wurde, aber etwas anderes meint, nämlich die Befreiung von neuen Abgaben und Lasten, die den Bauern im Zuge der Ausbildung neuzeitlicher Landesherrschaften auferlegt wurden. Das alte bäuerliche Gemeinderecht – man könnte auch von Selbstverwaltung sprechen – wurde zurückgedrängt vom römischen Recht, dem die Beamten der Landesfürsten Geltung verschafften.

Dies bringt uns zu der Frage, was vor genau einem halben Jahrtausend geschah und weshalb. Unter den vielen Revolten des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit war der Bauernkrieg die größte und bedeutendste. Das Geschehen erstreckte sich – beginnend im Jahr 1524 – vom Bodensee über das Elsass und Württemberg bis hinauf nach Franken und Mitteldeutschland, wo Thomas Müntzer – der „Theologe der Revolution“ – in feindlicher Konkurrenz zu Luther wirkte. Mit einiger Verzögerung kam es auch in Tirol und im Salzburgischen zu Unruhen.

Die Frage nach den Ursachen findet unterschiedliche Antworten. Im Südwesten war die Leibeigenschaft ein Antrieb des Aufbegehrens. Diese befand in jenen Tagen nicht etwa auf dem Rückzug, sie dehnte sich vielmehr aus. Einer der Gründe dafür war der Versuch der weltlichen und kirchlichen Herren, die Landflucht einzudämmen. Zudem war es ihnen darum zu tun, geschlossen Herrschaftsgebiete herzustellen. Das ließ sich mit Leibeigenen einfacher durchsetzen. Der damalige Ist-Zustand sah so aus: Zahllose Kleinterritorien – Adelsherrschaften, Reichsstädte und Kirchenbesitz – drängten sich nicht nur aneinander, sondern sie durchdrangen sich gegenseitig. Der Historiker Horst Buszello berichtet, dass die selbe Person verschiedenen Herrschaftsträgern unterworfen sein konnte: einem Landesfürsten als Untertan und Steuerzahler, einem Adligen als Grundhöriger, einem Grafen vor Gericht und einem Kloster als Leibeigener.

Der Bauernkrieg erfasste nicht nur die Bauern und das Dorfproletariat, Bürger vor allem kleinerer Städte machten mit; die großen Städte wie Ulm oder Nürnberg hielten sich abseits. Ulm war die „Hauptstadt“ des Schwäbischen Bundes, eines Zusammenschlusses von Fürsten, Adel, geistlichen Territorien und Reichsstädten. Im Auftrag des Bundes machte sich der Truchsess Georg von Waldburg, der „Bauernjörg“, daran, den Aufstand niederschlagen. Seine Nachfahren besitzen heute noch weite Ländereien in Oberschwaben. Umgekehrt fanden sich Repräsentanten des Niederadels bei den Bauern – Götz von Berlichingen gehörte dazu.

Die Leibeigenschaft strahlte über die Dörfer hinaus. Nehmen wir den Maler Jörg Ratgeb in den Blick, dessen „Herrenberger Altar“ (1518 bis 1520) heute eine Attraktion der Stuttgarter Staatsgalerie darstellt. Ratgeb besaß in Stuttgart das Bürgerrecht. Verheiratet war er mit einer Leibeigenen des Herzogs von Württemberg. Als Ratgeb nach Heilbronn übersiedelte, konnte der Maler dort das Bürgerrecht nicht erlangen, weil es ihm nicht gelang, seine Frau aus der herzoglichen Gewalt freizukaufen. Das aber wäre die Voraussetzung für das Erlangen des Bürgerrechts in Heilbronn gewesen. Es gibt Kunsthistoriker, die Ratgebs obrigkeitskritische Einstellung aus einem Detail des Herrenberger Altars ableiten. Dort ist das Profil des Pontius Pilatus dem Antlitz Kaiser Maximilians I. nachgezeichnet. Auf einer Federzeichnung Ratgebs begegnet der Betrachter dem Teufel in Gestalt eines Löwen, der die päpstliche Tiara trägt. Der bis 1521 regierende Medici-Papst hieß Leo X. (lateinisch Löwe). Ratgeb stellte sich 1525 – zurück in Stuttgart – den Bauern als Schreiber zur Verfügung. Dafür wurde er 1526 in Pforzheim wegen Landesverrats gevierteilt.

Ein Gemetzel folgt dem nächsten

Die Aufständischen traten in „Haufen“ auf. Dieses Wort entstammt der Militärsprache. Am Bodensee sammelte sich der „Seehaufen“, es gab den „Allgäuer Haufen“ um das Fürststift Kempten, und es bestand der „Baltringer Haufen“, benannt nach einem Dorf bei Biberach. Alle drei Haufen bildeten am 7. März 1525 eine „Christliche Vereinigung“ mit den Zwölf Artikeln und einer gemeinsamen Bundesordnung.

Im Württembergischen vermischte sich der Bauernkrieg mit dem Konflikt um den von den Habsburgern vertriebenen Herzog Ulrich. In Weinsberg kam es an Ostern 1525 zu einer Bluttat der Bauern, die vom Adelslager propagandistisch ausgeschlachtet wurde. Nach dem Sturm auf Stadt und Burg hatten die siegreichen Bauern kurzen Prozess gemacht. Sie trieben eine Schar Adliger „durch die Spieße“. Im Ganzen aber scheuten die Bauern das Blutvergießen – anders als ihre adligen Gegner.

Am 12. Mai 1525 schlug Georg von Waldburg das württembergische Bauernheer bei Böblingen. Es war – wie immer im Bauernkrieg – ein Gemetzel. Tausende Bauern wurden getötet, von den Rittern und Fußknechten des Schwäbischen Bundes verloren nur wenige ihr Leben. So verhielt es sich in Leipheim, bei Wurzach, vor Würzburg oder im thüringischen Frankenhausen, wo Thomas Müntzer gefangen genommen und abgeurteilt wurde. Die Bauern zahlten einen hohen Blutzoll, ein mittlerer Schätzwert geht von gut 70 000 Erschlagenen und Erstochenen aus. Allein auf das Konto des „Bauernjörg“ sollen 20 000 tote Bauern gehen.

Wie ist der Bauernkrieg zu bewerten? Peter Blickle sieht in ihm eine „Revolution des gemeinen Mannes“ – also der Bauern, der kleinen Bürger und von Bergleuten. Anders der Dresdner Historiker Gerd Schwerhoff, der eine „Ereignisgeschichte“ zum Bauernkrieg vorgelegt hat. Dem Bauernkrieg von 1525 wohne gerade kein „wirklich transformatives Potenzial inne“, meint er. Heute erscheint interessant, dass der Freiheitskampf eingebettet ist in eine Epoche des Übergangs vom Spätmittelalter zur Neuzeit. Die Einheit der Kirche verfiel ebenso wie der Zusammenhalt des Reichs. Der Handelskapitalismus blühte auf, jenseits der Meere erschienen neue Welten. So lässt sich der Bauernkrieg zumindest als Transformationskrise deuten. Vor allem aber legt er Zeugnis ab von der Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Freiheit. Es handelt sich um einen gescheiterten Emanzipationsversuch. Darin ist er repräsentativ für die deutsche Geschichte.

Rebellion Vom 24. 4. bis 5. 10. 2025 erzählt in Bad Schussenried die Ausstellung „UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“ von den Ereignissen im Südwesten.