Gab mit seinem Testament den Anstoß für die Stiftung: Robert Bosch Foto: Bosch

Gegründet am 26. Juni 1964, investiert die Robert-Bosch-Stiftung jährlich rund 70 Millionen Euro in Projekte zu den Themen Völkerverständigung, Bildung, Gesellschaft und Kultur sowie Gesundheit und Wissenschaft. An diesem Donnerstag feiert die Stiftung ihr 50-jähriges Bestehen.

Stuttgart - Gegründet am 26. Juni 1964, investiert die Robert-Bosch-Stiftung jährlich rund 70 Millionen Euro in Projekte zu den Themen Völkerverständigung, Bildung, Gesellschaft und Kultur sowie Gesundheit und Wissenschaft. An diesem Donnerstag feiert die Stiftung ihr 50-jähriges Bestehen.
 
Herr Liedtke, gefährden die jüngsten Verwerfungen in Europa all das, was die Bosch-Stiftung als Kontakt-Netzwerk über Jahre aufgebaut hat?
Natürlich sind wir, wenn wir nach Westen schauen, nicht so glücklich über den Ausgang der Europawahl mit dem Erfolg europaskeptischer Kräfte. Und wir sind auch nicht glücklich, wenn wir nach Osten schauen und sehen, was in der Ukraine geschieht. Wir haben uns trotzdem vorgenommen – und stehen unerschütterlich dazu –, dass wir unsere Projekte davon nicht beeinflussen lassen. Da macht sich eher eine Jetzt-erst-recht-Stimmung breit.
Kurt W. LiedtkeWoher nehmen Sie die Zuversicht, dass das reicht und Ihre guten Kontakte halten?
Diese Kontakte sind – wenn wir zum Beispiel Russland nehmen – so gut, dass auch die Partner eisern an uns festhalten. Und sie erwarten umgekehrt auch von uns, dass wir weitermachen.
Geraten Ihre Partner unter Druck, wie es Nichtregierungsorganisationen in Russland schon passiert ist?
Wir haben in vielen Ländern Kulturmanager, die dort deutsche Kultur vermitteln. Denen ist nie etwas passiert. Weder in Russland noch in Ägypten, wo die Adenauer-Stiftung als politische Stiftung des Landes verwiesen wurde und leitende Mitarbeiter festgenommen wurden.
Bei einem Förderbudget von 70 Millionen Euro pro Jahr fließen knapp 25 Millionen Euro in die Förderung der Völkerverständigung. Bisher ist dieses Feld geteilt in ein Engagement in den USA und in Europa sowie ein zunehmendes in Asien. Bleibt es bei dieser geografischen Gewichtung?
Den Schritt nach Asien haben wir vor sieben Jahren beschlossen. Inzwischen stellt sich heraus, dass Afrika ein neues Arbeitsfeld wird. Viele Probleme fokussieren sich dort: Hunger, Wasserknappheit, Energiebedarf, Krankheiten. Daher haben wir uns entschlossen, dort etwas zu tun. Allerdings mit zwei Handicaps: Um diesen großen Problemen zu begegnen, haben wir zu wenig Geld. Außerdem verfügen wir kaum über eigenes Afrika-Know-how. Aber wir haben die richtigen Kontakte. Wir kennen die Leute, die über Afrika Bescheid wissen. Und wir kennen Institutionen, die Geld haben. Wir wirken als Katalysator zwischen den Geldgebern und den Institutionen mit Afrika-Know-how. So können wir Einfluss ausüben und Dinge verbessern. Wer einfach Milliarden nach Afrika pumpt, riskiert, dass sie in die falschen Kanäle gelangen und versickern.
 
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Ein Ausgangspunkt der Bosch-Stiftung war das Engagement in Frankreich. Auch Ihre Biografie ist eng mit Frankreich verbunden. Wie bewerten Sie aktuell dieses Engagement?
In einer Stiftung muss man ähnlich denken wie in einer großen Entwicklungsabteilung etwa bei Bosch. Dazu gehört der Versuch, Dinge immer besser zu machen. Aber damit darf man sich nicht begnügen. Man muss sich auch immer wieder fragen: Sind unsere Projekte noch mehr als eine liebgewonnene Übung, oder müssen sie durch neue ersetzt werden? Diese Frage stellen wir uns auch mit Blick auf Frankreich.
Mit welchem Ergebnis?
Wir halten unerschütterlich an Frankreich fest. Gerade in einer Zeit, in der Frankreich wirtschaftlich ein wenig ins Strudeln geraten ist und es Verwerfungen in der Innenpolitik gibt. Darauf reagieren wir zum Teil mit neuen Projekten und Mitteln. Der enge Dialog mit Frankreich bleibt ein Kernanliegen.
Gibt es Beispiele dafür, dass Ihre Stiftungsarbeit Einfluss auf die Politik genommen hat?
Nehmen wir den Richteraustausch, den wir mit China pflegen: Die Justiz dort ist geradezu begierig, unser System, unsere Vorstellungen von Rechtsstaat und unser Gerichtswesen kennenzulernen. Das wird dauern, bis wir dort konkrete Ergebnisse sehen. Aber es wird sie geben. Und ich denke, dass das Beispiel Polen sehr schön zeigt, welche Erfolge erreicht werden können.
Inwiefern?
Früh unterstützt von Persönlichkeiten wie Richard von Weizsäcker und Helmut Schmidt, ist die Bosch-Stiftung seit 40 Jahren in Polen aktiv. An unseren Förderprojekten haben wir auch in politisch schwierigeren Zeiten in Polen festgehalten. Und heute sprechen wir über eine sehr enge Nachbarschaft, bei der unsere Kontakte bis hinein in die Regierung tragen.
Deutschland wird immer mehr zum Einwanderungsland. Hat das die Arbeit der Stiftung verändert?
Das ist so, durch eigene Projekte haben wir viel gelernt. An das Thema Migration und Integration sind wir früher zum Beispiel so herangegangen, dass wir Schüler mit Migrationshintergrund gefördert haben. Inzwischen haben wir festgestellt: Die Problematik verengt sich nicht auf Migranten, sondern berührt generell Schüler aus zum Teil schwierigen familiären Verhältnissen. Also haben wir die Förderungsinitiativen entsprechend verändert.
Ermutigen Sie solche Erfahrungen, thematische Schwerpunkte und Programme der Bosch-Stiftung insgesamt zu verschieben?
Das machen wir aktuell mit dem Thema Schule. Sie erinnern sich – wir haben den Deutschen Schulpreis gegründet, der großen Einfluss auf die deutsche Bildungslandschaft genommen hat. Wir sind jetzt der Meinung, dass es richtig ist, den nächsten Schritt zu tun – mit einer Schulakademie. Darüber haben wir intensiv diskutiert, und ich hoffe, dass unser Kuratorium diesen Schritt noch diese Woche beschließen wird.
 
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Welche Ziele verfolgen Sie damit?
In der Akademie werden sich die wesentlichen Meinungsbildner rund um das Thema Schule zusammenfinden. Diese Akademie wollen wir verselbstständigen und aus der Stiftung nehmen. Der Widerhall ist bereits ausgesprochen positiv.
Was bei einem Schulthema überrascht . . .
Unser Vorteil ist: Die Akademie geht nicht in die Föderalismusfalle. Das ist sicher ein Grund, warum alle Kultusminister der Länder positiv auf dieses Projekt reagieren.
Der Begriff Schulakademie wirkt zunächst einmal abstrakt – sind alle Projekte der Bosch-Stiftung eher übergeordnet angelegt?
Keineswegs, das belegt unsere Initiative Lernort Stadion. Wir wollen junge Fans politisch bilden. Wenn Sie denen aber kommen und sagen, jetzt machen wir mal politische Bildung, jagen die Sie vom Hof. In Dortmund und bei anderen Bundesligavereinen hat das Projekt glänzend funktioniert. Für den Fan ist sein Stadion das größte. Also haben wir Jugendliche während der Woche ins Stadion eingeladen. Dort sind sie mit Sozialarbeitern ins Gespräch gekommen. Sobald ein Vertrauensverhältnis bestand, konnten die mit den Fans über Themen wie Toleranz oder Fremdenfeindlichkeit diskutieren und ihnen näherbringen, warum es grundfalsch ist, anderen Menschen – etwa mit anderer Hautfarbe – Gewalt anzutun.
Der Wunsch von Roman Herzog als Bundespräsident und Erwin Teufel als Ministerpräsident Baden-Württembergs von der Stifterrepublik scheint sich zu erfüllen. Die Zahl ist auf jetzt 22 000 Stiftungen angewachsen. Ist das eine Scheinblüte oder doch ein stolzer Strauß?
Eine Scheinblüte sehe ich nicht, es hat sich wirklich viel getan. Anzahl und Kapital der Stiftungen haben enorm zugenommen. Wenn es bei manchen Stiftungen eher darum geht, Steuern zu sparen, werden diese zu Recht aus der Politik kritisiert. Die Gefahr für uns besteht darin, dass diese Kritik auch auf die guten Stiftungen übertragen wird.
Bereitet die Politik der Stiftungsblüte einen guten Boden?
Es gibt in Teilen des politischen Spektrums eine große Skepsis. Dahinter steckt die überkommene Vorstellung, die Hand des Stifters und Geldgebers greife über dessen Tod hinaus sozusagen aus dem Sarg noch in den Gang der Dinge ein. Hinzu kommen Auffassungen, die besagen: Nicht ein Stifter, der Staat soll Gutes tun, also nehmen wir lieber den Reichen das Geld weg und steuern selber, wo es hingeht. In den großen Volksparteien sehen wir aber ein hohes Maß an Interesse und Verständnis.
 
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Zum guten Boden für Sie gehört auch gutes Personal. Stiftungen haben zuletzt als Arbeitgeber deutlich an Attraktivität gewonnen. Was bedeutet das für die Bosch-Stiftung?
Als ich hier anfing, habe ich bemerkt, dass die Mitarbeiter der Bosch-Stiftung nicht sehr hoch bezahlt sind. Die Geschäftsführung aber wollte hier nichts verändern, weil wir sonst aus dem Gehaltsniveau der Stiftungswelt ausgebrochen wären und womöglich die falschen Leute angezogen hätten. Um es klar zu sagen: Wir brauchen hier keine Yuppies oder Karrieristen, sondern Mitarbeiter, die aus sich heraus motiviert sind.
Die Bosch-Stiftung ist größter Anteilseigner des Unternehmens Bosch. „Wir leben davon, was erwirtschaftet wird“, sagen Sie gerne. Sind Sie mit der Entwicklung der Bosch GmbH zufrieden? Bleiben deren Erträge eine stabile Basis für die Arbeit der Stiftung?
Das Unternehmen ist hervorragend geführt. Ich gehöre dem Haus Bosch seit 37 Jahren an und habe die Vorsitzenden Merkle, Bierich, Scholl, Fehrenbach und nun Denner erlebt. Da kann ich nur sagen: So viel Glück mit ihren Führungsspitzen haben nur wenige Unternehmen in Deutschland gehabt. Franz Fehrenbach hat Bosch nach der für uns ebenso wichtigen Technik-Betonung von Hermann Scholl noch weiter geöffnet und zum grünen Bosch gemacht.
Nicht ohne Verwerfungen.
Natürlich haben wir beim Thema Solarenergie Lehrgeld bezahlt. Trotzdem war es richtig, dass Bosch in diesen Bereich reingegangen ist. Den Mut, auch wieder rauszugehen, halte ich für eine Riesenleistung von Fehrenbach. Volkmar Denner wiederum ist genau der Richtige, um die Zukunftsherausforderungen zu meistern. Er führt die Mentalitäten zusammen: die Null-Fehler-Mentalität der Ingenieure und die Hochrisiko-Mentalität neuer Unternehmen wie Google. Das wird Bosch in eine hervorragende Wettbewerbssituation führen. Da bin ich absolut zuversichtlich.