Großer Festakt zur Gründung von Leinfelden-Echterdingen im Jahre 1976. Foto: Stadtarchiv

Im Jahre 2023 wurden einige damalige Bürgermeister von Fildergemeinden befragt, wie sie die Gründungsphase von Leinfelden-Echterdingen und den anderen Filderstädten erlebt haben.

Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre ging ein Schreckgespenst durch die Fildergemeinden: Nur nicht von Stuttgart vereinnahmen lassen via Eingemeindung. Dieser Moloch von Stadt, der sich schon die Gemeinden der nördlichen Fildern einverleibt hatte wie Degerloch, Vaihingen oder Möhringen, der Wert legt auf die Bezeichnung Flughafen Stuttgart, obwohl sich dieser weitgehend auf Bernhauser und Echterdinger Gemarkung befindet – er hätte jegliche Eigeninitiative im Keim erstickt, so die allgemeine Befürchtung damals.

 

Mindestens 20 000 Einwohner

Ansonsten herrschte viel Uneinigkeit, denn die Alternative war auch nicht gerade rosig: Die baden-württembergische Landesregierung hatte in ihrer Gemeindereform eine radikale Verschlankung des Kommunalwesens beschlossen, sprich: eine Zusammenlegung der vielen Kleingemeinden zu größeren Einheiten mit mindestens je 20 000 Einwohnern. Auf den Fildern wurden daraus drei Städte: Leinfelden-Echterdingen, Filderstadt und Ostfildern. Was heute doch einhellig das ganze Jahr über dort gefeiert wird, entstand aus viel Streit und Diskussionen.

Die Stadt Leinfelden-Echterdingen hat einige der damals aktiven Kommunalpolitiker, die zum Teil heute noch in einem Gemeinderat vertreten sind und bis heute das politische Geschehen verfolgen, vor die Kamera geholt und sie ausgiebig zu den Geschehnissen von damals befragt. Daraus wurde eine einstündige Dokumentation.

Hauptsache nicht Teil von Stuttgart

Eberhard Breitling, von 1966 bis 1974 Bürgermeister von Stetten, beschreibt das im Rückblick mit viel Weitblick. Er sei alles andere als begeistert gewesen, als er davon erfahren habe. Aber, so sagt er nun Jahrzehnte später: „Reformen hat es immer gegeben, sei es unter Bismarck oder in der Weimarer Republik.“ Die Hauptsache sei gewesen, so Breitling, dass Stuttgart hier nicht zum Zuge gekommen sei. Generell scheint Stetten Anfang der 1970er Jahre ein attraktiver Partner gewesen zu sein. Wolfgang Haug, heute noch Gemeinderat in Echterdingen, erinnert sich: „Wir wären gerne eine Verbindung mit Stetten eingegangen, das wäre fast eine Liebesheirat geworden.“ Und auch Breitling verwendet in diesem Zusammenhang die Vokabel Liebesheirat. Aber die erforderlichen 20 000 Einwohner wurden nur mit Echterdingen und Stetten nicht erreicht.

Drei arme Gemeinden ergeben keine reiche Gemeinde

Andere machten Stetten Avancen: „Die Bürgermeister von Plattenhardt und Bonlanden sind auf mich zugekommen“, so Breitling. Denen habe er abgesagt mit dem Hinweis: „Aus drei armen Gemeinden wird keine reiche Stadt.“ Die Stettener selbst hatten ihr Leben wohl vor allem auf Echterdingen hin ausgerichtet. Andere hatten andere Probleme: Die Musberger etwa wollten unbedingt im Landkreis Böblingen bleiben: „Vieles im Gemeindeleben war auf Böblingen hin ausgelegt“, so Rainer Häußler, von 1966 bis 1974 Bürgermeister in Musberg, „die Zusammenarbeit der Betriebe war so organisiert, auch die Absprachen im Vereinsleben“. Die Lösung: Man geht mit Steinenbronn und mit Waldenbuch zusammen. Aber für 20 000 Einwohner hätte das nicht gereicht. Und: Die Steinenbronner und Waldenbucher wollten sich nicht mit den Musbergern zusammentun.

Manchmal zu selbstbewusst

Und dann noch die Echterdinger: „Der Echterdinger ist eigenständig, selbstbewusst und geschichtsbewusst“, so Haug, seit mehr als 50 Jahren immer noch aktiv im Echterdinger Gemeinderat. Und Hans Huber, der 1962 in den Echterdinger Gemeinderat ging und dort mehr als 50 Jahre blieb, (an Pfingsten feiert der Ehrenbürger seinen 99. Geburtstag) legt aus historischer Sicht noch eine Schippe drauf: „Ein reiches Dorf, stolze Bauern und besonders königstreu waren sie.“ In einem Punkt zumindest greift Haug etwas ein: „Das Selbstbewusstsein ist bei den Echterdingern manchmal überzogen.“

Etwas weniger pathetisch beschreibt es der Stettener Breitling so: „Echterdingen war von der Fläche her die größere Gemeinde. Und vom historischen Anspruch war es ebenfalls bedeutsamer. Leinfelden hatte dagegen das meiste Geld mitgebracht. Der damalige Bürgermeister von Leinfelden war sehr kreativ im Anwerben von Firmen-Niederlassungen, man denke da an Bosch oder Roto-Frank.“ Oder um wieder Haug zu zitieren: „In Echterdingen waren die Altreichen aufgrund ihrer gepflegten Familientraditionen, in Leinfelden war der neue Reichtum.“

Es fällt heute schon schwer, Alternativen zur Nennung von Leinfelden-Echterdingen passend zu finden. Wem der Doppelname zu lang ist, greift man eben auf die Kurzform L.-E. zurück, und schon schwingt etwas Kalifornien mit, wo LA für Los Angeles steht. Und doch wurde darum mal hart gerungen: Heißt die Stadt nur Echterdingen oder Echterdingen-Leinfelden oder ganz anders? „Eigentlich war klar, dass bei der finalen Abstimmung Echterdingen rauskommt“, erinnert sich Huber. „Aber dann haben sich zwei Leute doch noch anders entschieden.“ Und so ist es eben Leinfelden-Echterdingen geworden. Übrigens: Wer diese beiden waren, weiß man bis heute nicht.

Oder Echterdingen-Leinfelden?

Man könnte da noch so manche Details nennen. Einige weitere kommen etwa in dem Theaterstück „BeHaSiBoPl“ vor, welches das Theater Lindenhof gerade in der Filharmonie probt, wo es in der zweiten Julihälfte aufgeführt wird. Thema auch hier: die Gründung von Filderstadt vor 50 Jahren. Doch die Polit-Kämpen von einst sind auch Realisten genug, um die Vorteile der Gegenwart zu sehen. „Natürlich hat damals vor der Reform jeder noch schnell was auf den Weg gebracht. Bei mir war es die Sporthalle“, so der Musberger Häußler. „Denn bezahlt wurde das ja schließlich dann von der neu gebildeten Stadt.“ Mit Blick auf heute stellt er aber fest: „Die Größe hat schon ihre Vorteile. Die Bücherei, die Volkshochschule, überhaupt das Vereinsleben – Musberg alleine hätte das nie so stemmen können.“

Kritik kommt aus Echterdingen: „Die Verkehrsentlastung von Echterdingen durch eine Ortsumfahrung stand damals oben auf der Agenda. Daran arbeiten wir heute noch“, so Haug. Und Huber: „Die Bürokratie macht jeden Fortschritt zunichte.“

So wurden die heutigen Filderstädte gegründet

Zeitzeugen
In der aktuellen Ausstellung des Stadtmuseums Leinfelden-Echterdingen „Wohngeschichte(n) und Firmenwelten – 50 Jahre Stadt Leinfelden-Echterdingen“ können die Interviews als Tonaufnahmen in einer Kurzfassung angehört werden über ein Telefon im Stil der 1970er Jahre. Die Ausstellung ist dort bis zum 14. Dezember zu sehen. Die inhaltliche Auswertung der Zeitzeugenberichte wird auch für den in diesem Sommer erscheinenden neuen Band der Schriftenreihe des Stadtarchivs „50 Jahre Stadt Leinfelden-Echterdingen. Eine Chronik 1975–2025“ berücksichtigt.

Theaterstück
Die Uraufführung des Theaterstücks zum Filderstädter Jubiläum „BeHaSiBoPl“ findet am 11. Juli um 20 Uhr in der Filharmonie statt. Die weiteren Aufführungen sind am 12., 13., 18. und 19. Juli jeweils um 20 Uhr, am 20. Juli um 18 Uhr. Eine öffentliche Probe findet am 9. Juli um 20 Uhr statt. Die Karten kosten 10 Euro, ermäßigt 5 Euro, der Vorverkauf hat begonnen. Die Aufführung dauert etwa zwei Stunden. Da sowohl drinnen als auch draußen gespielt wird, finden die Aufführungen auch bei kühlem Wetter oder leichtem Regen statt. Das Publikum sollte auf Schirme verzichten. Die Zugänge sind eingeschränkt barrierefrei.