Papier schöpfen in der Kreativwoche, die zu den „Kesselferien“ gehört. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Mehrere Generationen an Kindern haben hier schon ihre Freizeit verbracht. Was alles zu tun ist, damit ein altehrwürdiges Haus jung bleibt.

In der Werkstatt geht es bunt zu. Auf zwei Stühlen stehen zwei große Plastikwannen. Sie sind gefüllt mit einer rosafarbener und einer blauen Flüssigkeit in der jede Menge aufgeweichte Serviettenschnipsel schwimmen. Die Kinder tauchen den mit einem feinen Netz bespannten Holzrahmen hinein. „Und jetzt ganz langsam und gerade wieder hoch nehmen“, mahnt Hannes Fredrich vom Team der Villa Jo und erklärt dann die weiteren Schritte, um zum selbstgeschöpfen Papier zu kommen. Während das trocknet, haben die Kinder Zeit für andere Projekte – und davon gibt es im Kinder- und Jugendhaus Obertürkheim in dieser Woche jede Menge.

Die Villa Jo bietet „Kesselferien“ an. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Denn in dem markanten Gebäude an der Rüderner Straße findet die Kreativwoche statt. Sie ist Teil der unter dem Namen „Kesselferien“ zusammengefassten Sommer-Betreuungsangebote der Stuttgarter Jugendhausgesellschaft (STJG). Das Interesse war groß, die Kreativwoche war schnell ausgebucht. Das zeigt, wie beliebt Die Villa Jo ist. Mehrere Generationen Schülerinnen und Schüler haben dort schon ihre Freizeit verbracht. Denn seit 50 Jahren ist das altehrwürdige Gebäude mit den markanten Türmchen – 1892 erbaut – ein Kinder- und Jugendhaus. Vor Kurzem wurde das Jubiläum gefeiert.

Kooperation mit den örtlichen Grundschulen

Jenseits der Ferienbetreuung reicht die Altersspanne der Besucherinnen und Besucher, die aus Obertürkheim und Uhlbach und aus allen sozialen Schichten kommen, von acht bis 16 Jahre. Eine bunte Mischung – „Aber wir haben das Gefühl, dass das Miteinander gut funktioniert“, sagt der Hausleiter Steffen Brodbeck.

An Nachwuchs fehlt es nicht. Aber das Team muss trotzdem auf die Herausforderung reagieren, welche der Ausbau der Ganztagsbetreuung an den Grundschulen für die Träger der freien Kinder- und Jugendarbeit mit sich bringt. Darum kooperiert die Villa Jo eng mit den örtlichen Grundschulen, so können die Mädchen und Jungen das Haus kennenlernen. Wichtig sei auch, „im Stadtteil präsent zu sein und nicht nur im Haus zu sitzen und zu warten“, sagt Steffen Brodbeck.

Aktuell ist die Villa Jo ein Modellprojekt. Das Team testet neue Jahresöffnungszeiten: In den Wintermonaten war es sieben Tage die Woche vor Ort. Von April bis September, wenn die Kinder auch gerne mal ins Freibad oder auf den Bolzplatz gehen, ist an vier Tagen geöffnet. Im Herbst folgt wieder der Wechsel zu den langen Öffnungszeiten. Für die Betreuerinnen und Betreuer bedeutet das, dass sie in der dunklen Jahreszeit Überstunden machen und diese im Sommer dann abbummeln.

Unterstützt wird das Team an den Wochenenden von Ehrenamtlichen. Meist sind das ältere Jugendliche, die mit der Villa Jo groß geworden sind und sich mit ihr verbunden fühlen. „Das wollen wir ausbauen und die Partizipation im Haus weiter stärken“, kündigt Steffen Brodbeck an.

Das Thema Nachhaltigkeit ist dem Team wichtig

Weil ihm Partizipation wichtig ist, bietet er schon seit vielen Jahren eine inklusive Skifreizeit an, bei der er von fünf Ehrenamtlichen unterstützt wird. Großen Wert legen er und sein Team auch auf das Thema Nachhaltigkeit. In dem großzügigen Garten rund um das Haus gibt es Obstbäume, Gemüsebeete und seit Neuestem sogar Bienenstöcke. Verschiedene Projekte beschäftigen sich mit den Auswirkungen des menschlichen Konsums auf die Umwelt. „Wir wollen dafür sensibilisieren“, sagt der Hausleiter.

Die Gründerzeitvilla mit den markanten Türmchen wurde 1892 erbaut. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Nachhaltigkeit spielte auch bei der umfassenden Sanierung der Gründerzeitvilla eine Rolle. Mit neuen Fenstern sowie einer effizienten Heizungs- und Photovoltaikanlage ist das Gebäude nun energieneutral. Die Sanierung dauerte 13 Monate und kostete 2,9 Millionen Euro. Beim Umbau wurde viel Wert auf die Wiederverwendung alter Bauteile gelegt: Einige Elemente, zum Beispiel die ehemalige Holzvertäfelung, haben in den sanierten Räumen als Thekenverkleidung und Garderobe ein Comeback.