Geschäftsführerin Saskia Rudnau im Weltladen am Charlottenplatz Foto: Martin Haar

Vor 50 Jahren entstand die Initiative fairer Handel. Inzwischen haben sich immer mehr Menschen einem nachhaltigen Konsum verschrieben. Davon profitiert auch der Weltladen an der Planie.

Stuttgart - Der Faire Handel in Deutschland feiert in diesen Tagen sein 50-jähriges Bestehen. 50 Jahre Arbeit, die sich langsam auf das bewusste Konsumverhalten auswirken. Das spürt auch der Weltladen an der Planie. Dort gilt, was für alle deutschen Weltläden gilt. „Die Weltläden und Weltgruppen sowie die Fair-Handels-Unternehmen weisen ein gutes Umsatzplus auf“, erklärt Matthias Fiedler, Geschäftsführer des Forums Fairer Handel. Saskia Rudnau, Geschäftsführerin des Stuttgarter Weltladens, bestätigt: „Wir sind bisher jedes Jahr gewachsen, wir verzeichnen ein stetiges Umsatzplus. Generell haben die Weltläden jedes Jahr ein Plus von sechs Prozent.“

Offenbar ist in der Gesellschaft angesichts des Klimawandels das Bewusstsein gewachsen. „Das Klima zwingt uns, die Welt anders zu sehen. Die Leute schauen daher genauer hin“, sagt Rudnau, „sie wollen wissen, woher die Waren kommen und unter welchen Bedingungen die Sachen hergestellt worden sind.“ Kritische Menschen seien die Grundlage für den fairen Handel.

Erster Weltladen 1978

Im Geschäftsjahr 2019 gaben die Verbraucher in Deutschland 1,85 Milliarden Euro für Produkte aus Fairem Handel aus. Im Durchschnitt geben die Deutschen pro Kopf 22,23 Euro für faire Lebensmittel und Handwerksprodukte aus. Begonnen hat alles im Jahr 1973. Damals eröffnete der erste Weltladen in Deutschland. In Stuttgart gibt es seit dem Start 1978 neben dem Weltladen am Charlottenplatz sieben weitere in den Stadtbezirken. Der City-Shop ist als eine gemeinnützige GmbH geführt, die meisten Weltläden sind jedoch eingetragene Vereine.

„Das eigentliche Thema, das vor 50 Jahren den fairen Handel ins Bewusstsein der Menschen rückte, war Kaffee und Kakao, besser gesagt die damit verbundene Kinderarbeit“, erklärt Saskia Rudnau. Auch heute sei Kaffee noch das umsatzstärkste Produkt im Fairen Handel. Und doch sei der fair gehandelte Kaffee weiterhin ein Nischenprodukt. Der Marktanteil in Deutschland liege bei 6,7 Prozent. Damit sei der Einfluss auf die Ungerechtigkeiten des globalen Kaffeemarktes aus Sicht der Produzenten noch immer zu gering. „Der Weg zu gerechten globalen Handelsstrukturen bleibt steinig, zumal die Covid-19-Krise die ausbeuterischen Mechanismen entlang globaler Lieferketten sogar zum Teil verstärkt. Sie hat drastisch offenbart, dass viele konventionelle Lieferketten nicht krisenfest, geschweige denn fair und nachhaltig sind“, sagt Matthias Fiedler.

Lieferkettengesetz ist notwendig

Das Lieferkettengesetz – es beschäftigt auch Saskia Rudnau und das Team aus zwölf Ehrenamtlichen, drei Kollegen in Teilzeit und drei Mini-Jobbern. „Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier will das Lieferkettengesetz nicht“, sagt Rudnau. Dabei wäre es aus ihrer Sicht dringend nötig, wie alleine das Beispiel Kakao/Kaffee deutlich mache. Es zeige, dass Selbstverpflichtungen von Unternehmen nicht ausreichen, um die Ausbeutung entlang internationaler Lieferketten zu stoppen. Immer noch lebten viele der weltweit 5,5 Millionen Kakaobauern und ihre Familien unterhalb der international definierten Armutsgrenze und arbeiten Millionen Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen auf Kakaoplantagen – und das, obwohl die Kakaoindustrie sich schon 2001 dazu verpflichtet habe, die schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu beenden.

Wer bessere Arbeitsbedingungen anmahnt, muss freilich mit gutem Vorbild vorangehen. Das weiß auch Saskia Rudnau. „Unsre gGmbH gründet auf der Basis von solidarischem Wohlwollen“, sagt sie. Soll heißen: „Wir versuchen, dass man mit dem Einkommen auch vernünftig leben kann.“ Aber es geht im Weltladen an der Planie auch um einen gegenseitig respektvollen und wertschätzenden Umgang: „Wir haben zudem so eine Art von Basisdemokratie, in der wir viele Dinge gemeinsam entscheiden.“

Diese Art von Handelspraxis, die sich dem Gemeinwohl verpflichtet, überträgt sich offensichtlich auch auf die Kunden der Weltläden. Gerade während des Lockdowns habe man eine überwältigende Solidarität gespürt. „In dieser Krise konnten die Kunden bei den Importeuren direkt bestellen und entscheiden, welcher Weltladen davon profitieren soll“, erklärt die Geschäftsführerin. Diese Aktion habe zwar keine großen Summen eingebracht, um die Einbußen wettzumachen, „aber wir hatten das Gefühl, die Kunden lassen uns nicht hängen“. Und es verdeutlichte das Prinzip von fairem Handel: Mensch und Umwelt stehen vor Profit.

Wie gesagt: Saskia Rudnau spürt, dass sich diese Einsicht in der Gesellschaft immer stärker durchsetzt. Allerdings weiß sie auch. Weitere 50 Jahre hat die Menschheit nicht Zeit, ihr Konsumverhalten und ihre Handelspolitik zu verändern.