Unsere Streaming-Empfehlungen fürs Wochenende: „Stranger Things“, „Die letzten Tage des Ptolemy Grey“, „Single Drunk Female“, „All The Old Knives“, „The Look of Love“ (von links oben im Uhrzeigersinn) Foto: Netflix, Apple TV+, Disney+, Amazon Prime, ZDF

Welche neue Serie sollten Sie jetzt bingen? Welchen Film schauen, wenn Sie am Wochenende nur wenig Zeit vor dem Bildschirm verbringen wollen? Gibt es bei Netflix, Amazon und Co. Schätze, die Sie übersehen haben? Und was lohnt sich in den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender? Hier erfahren Sie, was sich gerade zu schauen lohnt.

So viele Streamingdienste, so viele Mediatheken, so viele Serien, Filme, Dokus – und so wenig Zeit. Und weil das Wochenende viel zu kostbar ist, um es vor dem Fernseher bei einem schlechtem Programm zu vergeuden, verraten wir Ihnen hier, was sich jetzt besonders zu schauen lohnt.

► Wann geht „Stranger Things“ endlich weiter?

Stranger Things

3 Staffeln bei Netflix verfügbar

Halt! Bevor Sie sich zu früh freuen: Die vierte Staffel der sensationellen Fantasy-Horror-Sci-Fi-Serie „Stranger Things“ startet erst am 27. Mai. Aber, wenn Sie wie wir die Fortsetzung  des Netflix-Hits kaum erwarten können, haben Sie den Termin bestimmt schon längst rot in Ihrem Kalender eingekringelt. Allerdings wird es langsam Zeit, mit dem Aufwärmprogramm anzufangen. Sie können sich zum Beispiel zur Vorbereitung mal wieder Stephen Kings „Es“ lesen, die frühen Alben der Scorpions hören und Filme wie „Die Goonies“, „E.T.“ oder „Stand By Me“ schauen.

Oder sie schauen einfach vorab „Stranger Things“ noch einmal von vorne. Schließlich kann man in dieser Serie von Nerds über Nerds für Nerds, die sich in einer 1980er Jahre Welt zwischen Spielberg und Cronenberg austobt, immer wieder neue Details entdecken. Bisher gibt es drei Staffeln, insgesamt 25 Episoden, die einen kurios-grandioser Mix aus Filmzitate-Sammlung, 80er-Jahre-Hommage und Gruselstunde sind. Wer nicht zu gierig wird und den Episoden-Konsum rationiert, schafft es vielleicht sogar so die Zeit bis zum Start der vierten Staffel zu überbrücken. (gun)        

► War Samuel L. Jackson je so gut?

Die letzten Tage des Ptolemy Grey

Zu sehen bei Apple TV+

Wer ist wer? Wo liegt noch mal was? Was war gerade eben los? Wovon ist die Rede? So dreht es sich beständig im Kopf von Ptolemy Grey. Der alte Mann, der in einer zugerümpelten Messie-Bude haust, ist körperlich noch rüstig, aber er leidet an rasch voranschreitendem Alzheimer. In der sechsteiligen Serie „Die letzten Tage des Ptolemy Grey“ wird er Teil eines Medizinexperiments. Er bekommt ein Medikament, das für kurze Zeit seine geistige Klarheit und all seine Erinnerungen zurückbringt. Danach wird er final in Umnachtung stürzen. Der von Samuel L. Jackson gespielte Grey nutzt die Zeit, um den Mörder seines Betreuers zu finden und um ins Reine mit seiner Vergangenheit zu kommen.

Die Buchvorlage stammt vom afroamerikanischen Autor Walter Mosley, dessen tolle Easy-Rawlins-Krimis Alltagsrassismus dokumentieren und von den Bürgerrechtskämpfen erzählen. In der Serie ist der Krimi nette Nebensache, es geht um die alltägliche Brutalität einer Krankheit, um die Mühen des Altwerdens, um den ewigen Kampf um Würde. Amerikanische Kritiker lobten, Ptolemy Grey sei die beste Leistung in Jacksons langer Karriere. Gut möglich, auf jeden Fall aber: verdammt nah dran an der Perfektion. (tkl)

► Gibt es eigentlich noch klassische Spionage-Thriller?

All The Old Knives

Zu sehen bei Amazon Prime

Ein verrutschter Anti-Terror-Einsatz, tote Flugzeugpassagiere auf dem Rollfeld, ein Maulwurf innerhalb der Organisation: Jahre später soll der Vorzeigeagent Henry (Chris Pine) aufklären, was sich damals zugetragen hat. Sämtliche Ex-Kollegen geraten ins Visier, darunter der Misanthrop Bill (Jonathan Pryce) und auch Celia (Thandiwe Newton), mit der Henry eine abrupt beendete Liebesbeziehung hatte.

Der dänische Dokumentarfilmer Janus Metz Pedersen hat bei der Serie „True Detective“ und dem Spielfilmdrama „Borg/McEnroe“ Erfahrungen im fiktionalen gesammelt. Nun inszeniert er einen fintenreichen Agententhriller alter Schule wie „Spy Game“ (2001) oder „Dame, König, As, Spion“ (2011). Nichts ist, wie es scheint – was Henry besonders schmerzlich lernen muss.

Der Showdown, eine lange Schlusssequenz in einem Sonnenuntergangs-Lokal in Carmel/Kalifornien, gehört ganz Pine („Star Trek“) und Newton („Westworld“) – und die beiden bieten ganz großes Schauspielerkino. (ha)     

► Swinging-London-Nostalgie gefällig?

The Look of Love

Zu sehen in der ZDF-Mediathek

Den Londoner Nachtclubbesitzer Paul Raymond, die Hauptfigur von „The Look of Love“, gab es tatsächlich. In den 60er Jahren stieg er zum Sexheftchenverleger und Immobilienkönig auf. Daraus könnte man gewiss eine bissige Sozialstudie machen, aber der Regisseur Michael Winterbottom hat sich für ein Aufsteigermärchen entschieden.

Die knallharte organisierte Kriminalität, mit der es Raymond in seiner Rotlichtvariante des Swinging London zu tun bekam, wird ausgeblendet. Stattdessen werden in tollem Zusammenspiel von Musik, Ausstattung, Kamera und Darstellern (ganz große Klasse: Steve Coogan als Raymond) Ideale einer Aufbruchsära gefeiert – sexuelle Befreiung, neue Chancen für bislang Ausgegrenzte, Teilhabe am Wohlstand. Wer „The Look of Love“ nicht mit der Wirklichkeit verwechselt, was einem bei Edgar-Wallace-Filmchen oder der „Austin Powers“-Reihe ja auch nicht passieren sollte, kann hier sehr viel Spaß haben. (tkl)

► Können Sozialdramen komisch sein?

Single Drunk Female

Zu sehen bei Disney+

Samantha (Sofia Black-D’Elia) ist mit 28 am Tiefpunkt: Weil sie tagsüber Wodka-trinkend durch die New Yorker Agentur stolpert und Meetings verpasst, wird sie gefeuert – und handelt sich dabei noch eine Übergriffsklage ein. Vorbestraft kehrt sie zum Entzug zu ihrer Mutter nach Boston zurück, wo die Geister der Vergangenheit auf sie warten.

Mit perfidem Timing offenbart Simone Finch in Häppchen, was für eine Hölle dieses neue Leben sein muss für die nicht nur Alkohol-, sondern auch Sex- und Party-Süchtige. Überall locken Rückfälle und unaufgearbeitete Traumata, mehr als ein Job im Supermarkt ist nicht drin für die einstige Superstudentin.

Das ist bestürzend, zum Fremdschämen und trotzdem zum Brüllen komisch, besonders wenn die abgeklärte Bewährungshelferin auftaucht oder Samanthas um sich selbst kreisende Mutter (Ally Sheedy). Die Stärke der Serie ist ihre unbequeme Lebensnähe: So unterhaltsam wie eindringlich führt sie vor, was Alkoholismus bedeutet und wie wenig Teile der Gesellschaft damit umgehen können. (ha)