Ein Sound, bei dem der Boden unter den Füßen vibriert: die Stuttgarter Band Mofakette und ihre Fans beim Konzert im Schlampazius am Mittwochabend. Weitere Bilder zeigt die folgende Fotostrecke. Foto: Lichtgut/Verena Ecker

Die Kneipe Schlampazius gibt es jetzt seit 45 Jahren. Das wird eine ganze Woche lang gefeiert – am Mittwochabend zum Beispiel mit einem großartigen Punkkonzert. Zwischendurch schaut sogar die Polizei vorbei.

Stuttgart - Dass dies kein normaler Mittwochabend im Schlampazius ist, erkennt man schon daran, dass die Leute sich noch draußen an der Wagenburgstraße drängeln. Diese Woche feiert die Kneipe 45-jähriges Bestehen: man stößt an, mit dem Wirt Ramon zum Beispiel, und man hört Musik – an diesem Abend von den Punkbands Mofakette und Die Siffer, beide kommen aus der Gegend, und sie sind keine Fremden in der Kneipe im Stuttgarter Osten. Manch einer erinnert sich sogar an das 25-Jahr-Jubiläum im März 1997.

Dass so viele Leute gekommen sind, liegt auch daran, dass es das Schlampazius eigentlich gar nicht mehr geben sollte. Zum Jahresende wollte Ramon Amar Minon den Laden zusperren. Doch der Pächter machte weiter – weil, so seine Begründung, ja noch das 45-jährige Bestehen seiner Kneipe zu feiern sei.

Diese Woche ist es soweit. Ein offizielles Programm mit Ansprachen oder ähnlichem gibt es nicht, der Mittwochabend ist mit dem Doppel-Punkkonzert jedoch ein erstes Highlight. Die Siffer und Mofakette spielen Musik wie das Schlampazius selbst: eigenwillig, geradeaus, zur Not mit dem Kopf durch die Wand. Die Stuttgarter Band Mofakette singt Frauke Petry ein natürlich nicht so zu verstehendes Liebeslied. Das fällt wie der Rest der Darbietung charmant-melodiös aus. Eigentlich fehlt nur noch Axel Kurth, der mit seiner Band Wizo diese Art von Deutschpunk auf die großen Bühnen gebracht hat.

Dieses Bild ermöglicht einen Rundumblick im Konzertraum des Schlampazius. Mit der Maus oder per Wischen können Sie sich umsehen:

Was man auch nicht gedacht hätte: dass der Sound im Schlampazius, die richtige Anlage vorausgesetzt, ziemlich gut ist. Besonders Feinfühlige spüren dank der doch etwas erhöhten Lautstärke sogar, wie der Dielenboden unter ihren Füßen vibriert.

Kneipenkultur, im Kippendunst konserviert

So wie Mofakette und Die Siffer einen klassischen Deutschpunk-Sound bewahren, wird im Schlampazius eine jahrzehntelang gewachsene Kneipenkultur samt diverser Devotionalien per Nikotinrauch für die Nachwelt konserviert. Diese Kneipe ist ein Museum – aber eben ein ziemlich lebendiges. Nicht nur die Berliner Punkband Die Ärzte war begeistert, als sie einst hier hereinstolperte. Wo sonst hängen aus Musikkassetten gebastelte Lampen und tonnengroße Lautsprecher von der Decke, erinnern riesige Plakate an Neunzigerjahre-Konzerte von Santana und Tina Turner, wo kann man noch unter einem an die Wand gepinselten Che-Guevara-Porträt für fünf Euro Chili con Carne einnehmen?

Es gibt in Stuttgart keinen schöner angekratzten Ort. Die linksalternative Kultur hat zwar neue Treffpunkte geschaffen, im Linken Zentrum in Heslach etwa oder, etwas näher, im Stadtteilzentrum Gasparitsch in der Rotenbergstraße. Das Original aber ist das Schlampazius, und erfreulicherweise ist das Publikum hier nur zum Teil mitgealtert – man sieht viele Besucher, die jünger sind als der Laden.


Dieses Bild ermöglicht einen Rundumblick im Nebenzimmer des Schlampazius. Mit der Maus oder per Wischen können Sie sich umsehen:

Nicht einmal der Besuch zweier – übrigens sehr freundlicher – Polizeibeamter gegen 23 Uhr verdirbt die Laune: statt vor der Kneipe feiert das Publikum eben im kurzerhand aufgesperrten, benachbarten „Schlauch“. Diese Party dauert tatsächlich eine ganze Woche lang. Am Donnerstagabend spielt die Band Wings of Illusion Psychedelic- und Stoner-Rock, für Freitag sind die Alternative-Rock-Bands Kaltstrom und Brothers of Ivory angekündigt.