Party- und Blitzerschwerpunkt: Die Friedrich- und die Theodor-Heuss-Straße. Dort blitzt es pro Tag fast 300-mal. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Nach Jahren immer neuer Rekorde bei den Tempoverstößen hat sich die Lage 2017 leicht beruhigt. Bei genauem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass das kein Grund zur Entwarnung ist – denn die Statistik hat ihre Tücken.

Stuttgart - Sie ist halt zu verlockend, die Cannstatter Straße. Schnurgerade und breit zieht sie sich dahin vom Neckartor bis zum Schwanenplatztunnel. Eine hübsche Rennstrecke für so manchen Autofahrer. Dass dort seit Jahren stationäre Blitzer stehen, auch noch zwei Säulen hintereinander, hat sich in Raserkreisen offenbar noch nicht überall herumgesprochen. Und die Luftbelastung an dieser viel diskutierten Stelle? Wohl egal. Jedenfalls hat ein Autofahrer dort im vergangenen Jahr das Gaspedal ordentlich durchgedrückt – und die Quittung dafür bekommen. Ein Blitzerfoto mit 150 Sachen, das bedeutet künftig lange Wege zu Fuß.

Die Zahl der Tempoverstöße in Stuttgart ist 2017 hoch geblieben. 420 637 Fahrzeuge wurden an den stationären Anlagen und bei mobilen Messungen des Ordnungsamts geblitzt. 1125 Fahrer verloren ihren Führerschein. Nachdem es in den vergangenen Jahren, auch aufgrund immer neuer Anlagen, ständig Rekorde gehagelt hatte, bedeuten diese Werte erstmals einen leichten Rückgang. 2016 hatte die Stadt noch 440 000 Verstöße und rund 1400 Fahrverbote gezählt.

Ein Grund zum Aufatmen ist das allerdings nicht. Denn auf den zweiten Blick zeigt sich, dass es Gründe für den Rückgang gibt. Und zwar solche, die nichts mit der besseren Moral der Autofahrer zu tun haben. Außerdem haben sich die Werte nur in einem einzigen Teilpunkt verbessert. Nämlich bei den mobilen Kontrollen auf den Hauptverkehrsachsen, den sogenannten Vorbehaltsstraßen. Dort ging die Zahl der festgestellten Verstöße bei etwa gleich hoher Kontrolldichte um fast ein Fünftel zurück, die der Fahrverbote gar um 62 Prozent.

Mehrere Anlagen fallen aus

Das war’s dann aber auch schon mit den guten Nachrichten. Sowohl in den Tempo-30-Zonen als auch an den stationären Anlagen hat es mehr Fahrverbote gegeben als zuvor, die Zahl der Verstöße blieb in etwa gleich. Dabei haben die fest installierten Blitzer gar nicht alle auf Volllast gearbeitet. Wäre das der Fall gewesen, hätte es wohl kaum einen Rückgang gegeben. Denn im vergangenen Jahr sind gleich sechs der mittlerweile 34 stationären Messplätze in der Stadt gar nicht oder nur teilweise in Betrieb gewesen. Durch die Fahrbahnsanierung auf der B 10 im Bereich Hedelfingen und Wangen sind die vier Starenkästen dort fast ein halbes Jahr lang komplett ausgefallen; sie sollen überdies modernisiert werden. Wegen Arbeiten am Projekt Stuttgart 21 lief eine der Anlagen an der Konrad-Adenauer-Straße in der Innenstadt überhaupt nicht. Und der Blitzer in der Nürnberger Straße in Bad Cannstatt ist seit September außer Betrieb – auch dort ist eine modernere Anlage geplant.

Brennpunkt war auch im vergangenen Jahr die Partymeile in der Innenstadt. Dort stehen an der Theodor-Heuss- und an der Friedrichstraße seit Mai 2016 zwei Säulen, die die Raserszene, die dort gerne ihre Runden dreht, ausbremsen sollen. Das Tückische dabei auch für normale Autofahrer ist die Absenkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bei Nacht. Dann gilt nämlich nicht mehr Tempo 50, sondern Tempo 30. Dementsprechend sind rund zwei Drittel der fast 100 000 Autofahrer, die es dort im vergangenen Jahr erwischt hat, nachts geblitzt worden. 390 Fahrverbote hat es gegeben, ähnlich viele wie im Vorjahr. Da liefen die Anlagen aber auch nur ein halbes Jahr lang.

Die Stadt hat ausgerechnet, dass auf der Partymeile die Zahl der im Durchschnitt täglich geblitzten Fahrzeuge inzwischen von 352 auf 265 zurückgegangen ist. Dementsprechend sieht sie erste Erfolge. „Die Zahl der Verstöße ist immer noch zu hoch, aber die Verkehrssicherheit hat sich durch die Anlagen verbessert“, sagt Joachim Elser, der Leiter der städtischen Verkehrsüberwachung. Es habe sich gezeigt, dass die Säulen „ein wichtiges Mittel sind, um die Menschen dort vor der motorisierten Vergnügungsszene zu schützen“. Der schnellste Fahrer ist auf der Partymeile mit 92 Sachen geblitzt worden – bei zulässigen 30 km/h.