Saskia Schultze hat nach ihrer Ausbildung im BBW eine unbefristete Stelle gefunden. Foto: Gottfried Stoppel

Wie bringt man junge Menschen in Beruf und Arbeit? Das Berufsbildungswerk Waiblingen (BBW) findet seit 40 Jahren Antworten darauf – und entwickelt sogar selbst neue Berufe mit. Am 21. Oktober darf man hinter die Kulissen der Einrichtung blicken.

Waiblingen - Es ist eine beeindruckende Zahl: mehr als 10 000 Jugendlichen hat das Berufsbildungswerk Waiblingen (BBW) in den vergangenen 40 Jahren den Weg ins Arbeitsleben geebnet. „Das entspricht ungefähr der Einwohnerschaft einer Kleinstadt, die heute im Berufsleben steht“, sagt Roman Hanle, der Geschäftsführer des Berufsbildungswerks Waiblingen, mit einem gewissen Stolz. Als das BBW-Gebäude und die Internate am 22. September 1978 eingeweiht wurden, sei der Anspruch auf berufliche Bildung für alle Jugendlichen ein großes Thema gewesen, erzählt Hanle. Auch junge Menschen, die in der freien Wirtschaft ohne Hilfe keine Ausbildung meistern konnten, sollten ihre Chance bekommen.

„Bis auf die Aufgabe, junge Menschen auszubilden, hat sich seitdem eigentlich alles verändert“, erzählt Achim Köhler, der die zum BBW gehörende Johannes-Landenberger-Schule leitet. Die Einrichtung hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten immer wieder auf Veränderungen einlassen, Neues entwickeln müssen. Die Zahl der betreuten Jugendlichen zum Beispiel habe sich mehr als verdoppelt, sagt Köhler: „Das BBW wurde für 240 Jugendliche gebaut, heute sind es mehr als 500.“

Der Personenkreis wächst ständig

Und während die Einrichtung ursprünglich für Menschen mit einem speziellen Förderbedarf im Bereich Lernen gedacht war, begleitet das BBW inzwischen einen weitaus größeren Personenkreis. Dazu gehören Jugendliche mit Epilepsie oder ADHS und immer häufiger auch junge Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. „Inzwischen beschäftigen uns verstärkt die Teilnehmer mit psychischen Problemen“, sagt Franz Xaver Baur, der Leiter des Berufsbildungswerks. Diese Jugendlichen seien kognitiv gut aufgestellt, „aber wir müssen hier mit anderen Methoden rangehen, um sie ans Ziel zu bringen.“

Das Berufsbildungswerk betreue ein breites Spektrum, bestätigt Doris Frießinger von der Öffentlichkeitsarbeit: „Das geht von Jugendlichen, die von ihren Eltern so weit gefördert worden sind, wie möglich, bis zu anderen, um die sich keiner kümmert.“ Ungefähr die Hälfte der BBW-Teilnehmer lebe im Internat, erzählt Franz Xaver Baur. Zum einen, weil die Agentur für Arbeit, welche Jugendliche in die Berufsbildungswerke vermittelt und deren Ausbildung bezahlt, was monatlich rund 2000 Euro kostet, bundesweit aktiv sei und manche Ausbildungsberufe nur an wenigen BBWs in Deutschland angeboten würden. Ein weiterer Grund sei, „dass es zur Förderung der Jugendlichen oft hilfreich ist, wenn sie aus dem Elternhaus rauskommen“, so Baur.

Teamarbeit, Pünktlichkeit, Durchhaltevermögen

Im Laufe der Zeit sind etliche Ausbildungsberufe neu hinzugekommen, einige habe das BBW mitentwickelt, erzählt Doris Frießinger. Dazu gehören der Haustechniker, der Recyclingfachwerker oder der Fachwerker für Gebäude und Umweltdienstleistung. Neu im Programm ist der Fachinformatiker für Systemintegration.

Vor einer Ausbildung nehmen die meisten Jugendlichen an einer Berufsvorbereitung teil. Diese meist einjährige Zeit sei wichtig, betont Achim Köhler: „Dabei lernen sie Schlüsselqualifikationen wie Pünktlichkeit, Teamarbeit und einen Acht-Stunden-Tag durchzuhalten.“ Um festzustellen, welche Ausbildung passt, hat das BBW ein Testverfahren entwickelt, das mittlerweile in ganz Europa im Einsatz ist: es heißt Hamet und ermöglicht es, handwerkliche Fähigkeiten zu testen und Fördermöglichkeiten zu finden.

In Sachen Ausbildung gibt es inzwischen neben der klassischen Ausbildung im BBW mit Praktika in Firmen auch die Möglichkeit, das erste Lehrjahr im BBW zu absolvieren und dann in den Betrieb zu wechseln. Manch ein Jugendlicher startet gleich in einer Firma und erhält pädagogische Unterstützung vom BBW. „Es gibt da unzählige Möglichkeiten“, sagt Roman Hanle, der die Ausbildung von Jugendlichen mit psychischen Beeinträchtigungen und die Suche nach Fachkräften als die größten Herausforderungen der Zukunft ansieht.

Wegbereiter ins Berufsleben

Konzept
Bundesweit gibt es heute 52 Berufsbildungswerke (BBW), die junge Menschen, die spezielle Unterstützung benötigen, in rund 230 anerkannten Berufen qualifizieren – von A wie Altenpfleger bis Z wie Zahntechniker. In der Region sind drei Einrichtungen angesiedelt: das Berufsbildungswerk Waiblingen mit Außenstellen in Esslingen und Schwäbisch Gmünd, dessen Träger die Diakonie Stetten ist, das Berufsbildungswerk Paulinenpflege Winnenden und das Berufsbildungswerk für Blinde und Sehbehinderte der Nikolauspflege Stuttgart.

Finanzierung
Der Zugang zu den BBW läuft über die Reha-Beratungsfachkräfte bei der Agentur für Arbeit. Letztere finanziert zum Großteil die berufliche Ausbildung an den BBW. Teils tragen auch Jugendämter und Rentenversicherungsträger die Kosten.

Erfolge
Laut einer Studie des Instituts für deutsche Wirtschaft aus dem Jahr 2010 sind 68 Prozent der BBW-Absolventen langfristig sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Eingliederungszahlen des BBW Waiblingen in den ersten Arbeitsmarkt lagen je nach Wirtschaftslage zwischen 60 und 85 Prozent.

Aktionstag
Das BBW Waiblingen in der Steinbeisstraße 16 feiert seinen 40. Geburtstag mit einem Tag der offenen Tür am 21. Oktober zwischen 11.30 und 17 Uhr