37 Jahre nach der Tat: das Landgericht Ulm hat einen ehemaligen Soldaten wegen versuchten Mordes zu acht Jahren Haft verurteilt. Foto: dpa

Der Überfall im Jahr 1985 auf eine Frau in Göppingen war versuchter Mord, urteilt das Landgericht Ulm. Die Geschädigte leidet bis heute unter Ängsten.

Ein früherer Soldat des amerikanischen Militärs ist am Landgericht Ulm wegen versuchten Mordes im Jahr 1985 zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Die Strafkammer unter Vorsitz des Richters Wolfgang Tresenreiter kam zur Überzeugung, dass es sich vor 37 Jahren im Göppinger Stadtpark um einen versuchten „Verdeckungsmord“ zur Vertuschung einer vorangegangenen Vergewaltigung handelte.

Diesen Kernvorwurf hatte der heute 65-jährige Täter aus dem US-Bundesstaat Mississippi während der Verhandlung bestritten. Die Vergewaltigung und Schläge mit einem Stock auf den Kopf der Frau räumte er ein. Auch dass er anschließend ihren leblosen Körper mit seinem Auto sieben Kilometer weit fuhr, in einem Straßengraben ablegte und mit Ästen bedeckte, gab er zu. Das sei allerdings geschehen, so seine Aussage zu Prozessbeginn, um die Ermittlungen der Polizei zu „verzögern“. Die Frau sollte angeblich nur möglichst ihr Gedächtnis an den Tatort verlieren.

Eine Falle, keine Zufallsbeobachtung

Diesen Tathergang hält das Gericht für widerlegt. Unglaubwürdig sei bereits die Behauptung des Angeklagten, er habe die Frau abends gegen 22 Uhr zufällig vom Balkon seiner damaligen Wohnung in Göppingen aus gesehen, sei spontan zu seinem Auto gegangen, habe dort ein Messer geholt und sei ihr gefolgt. Das Sichtfeld vom Balkon aus habe eine solche Beobachtung nicht hergegeben, so das Gericht. Es ist vielmehr überzeugt, dass der Ex-Soldat bereits auf einem nahen Parkplatz in Tatortnähe im Auto gesessen und auf eine Frau gewartet habe.

Gegen einen ungeplanten, chaotischen Verlauf des gesamten Überfalls sprächen mehrere Spuren, so Richter Tresenreiter. So hätten abgerissene Knöpfe sowie Blutspuren bewiesen, dass die Frau rund hundert Meter weit durch den Park gezerrt worden sei. Kleidungsstücke habe der Mann nach der Vergewaltigung und den Schlägen sorgsam eingesammelt, bevor er den leblos scheinenden Körper in sein Auto schob und zum Straßengraben fuhr. Da der Mann gar nicht geflohen, sondern in seine Wohnung zurückgekehrt sei, mache die Behauptung, er habe Zeit gewinnen wollen, keinen Sinn, so der Richter. Das Hochrisikoverhalten nach dem Überfall werde aber schlüssig, wenn die Absicht bestanden habe, „dass die Geschädigte später gar nichts mehr sagt“.

Späte Wende durch einen mutigen Biss

Der zur Tatzeit 28 Jahre alte Mann war 1985 Nahkampfausbilder beim US-Militär gewesen. Er habe gewusst, wie man tötet, so die Verteidigung. Deswegen sei ihm zu glauben, dass er die Frau nicht umbringen wollte. Auch das sah das Gericht anders. Die Schläge seien durchaus mit Kalkül zu erklären. Als Tötungsfachmann habe der Angeklagte bewusst einen spurenreichen „Overkill“, etwa durch mehrfaches Zustechen mit einem Messer, vermieden.

Der Amerikaner war durch einen DNA-Abgleich im Jahr 2012 ermittelt worden. 1989 hatte er in Mississippi eine weitere Entführung und Vergewaltigung begangen, wofür er 17 Jahre in Haft saß. Die entscheidende Vergleichsspur lieferte ein 1985 im Göppinger Stadtpark gefundener Stock, an dem auch das Blut des Täters haftete. Die um ihr Leben kämpfende Göppingerin hatte damals ihrem Peiniger in die Hand gebissen.

Die Geschädigte berichtet von schweren Folgen

Zum Schutz der Frau war der Ulmer Prozess in wesentlichen Teilen unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt worden. Einblicke gab der Richter in seiner Urteilsbegründung am Dienstag. „Ein Sprichwort sagt: Zeit heilt alle Wunden. Hier nicht.“ Die Geschädigte schilderte demnach der Kammer ihr „Entsetzen, als Leichnam behandelt worden zu sein“ und wie sie bis heute Ängste bei Dunkelheit ausstehen müsse. Die Ulmer Anwältin Christina Seng-Roth vertrat die Geschädigte im Verfahren. Für sie sei bedrückend, sagte sie nach dem Urteil, dass der 65-Jährige sich auch nach bald 40 Jahren „nicht in vollem Maß zu seiner Schuld bekannt hat“.