Kinder der Salierschule haben ihre Traumberufe dargestellt. Foto: Gottfried Stoppel

Am 20. November 1989 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Kinderrechtskonvention. Das Kreisjugendamt des Rems-Murr-Kreises organisiert einen Aktionstag zum Jubiläum. Doch wie werden die Vorgaben im Alltag umgesetzt?

Waiblingen - Javier möchte Astronaut werden. „Weil ich den Mond sehen will“, sagt der Siebenjährige. Die gleichaltrige Diana liebt Hunde und träumt davon, als Hundetrainerin zu arbeiten. Ihre Klassenkameradin Gioia will eines Tages ein Restaurant besitzen – „wer sich dort richtig benimmt, der bekommt auch mal was umsonst“, erklärt die Siebenjährige. Und der Wunsch von Alina, ebenfalls sieben Jahre alt, ist, einmal berühmt und reich zu sein – womit, weiß sie noch nicht genau.

All ihre Berufswünsche haben rund 30 Erst- und Zweitklässler der Waiblinger Salierschule in einem Kunstprojekt anlässlich des 30-jährigen Bestehens der UN-Kinderrechte dargestellt: Aus Holz, Papier, Pappe und Farbe ist während der Herbstferien die Modellstadt „Kids City“ entstanden. Neben Alinas Geldspender und Javiers Raumstation ISS gibt es dort unter anderem eine Tankstelle, ein Fischerboot und einen Bundeswehrpanzer.

Mit Kinderrechten vertraut machen

Das Ziel des Projekts war, die Jungen und Mädchen mit den Kinderrechten vertraut zu machen. „Ich glaube, das war schon für viele neu. Am Anfang war es etwas holprig“, sagt Sibylle Obergfäll, die Leiterin der Ganztagesbetreuung in der Salierschule. Doch als es ans Bauen von Kids City ging, seien alle sehr motiviert gewesen, ergänzt Melanie Nyhuis-Kaffille, die ebenfalls als Betreuerin an der Schule tätig ist. Fragt man die siebenjährige Diana, warum Kinderrechte wichtig sind, antwortet sie: „Sonst wissen die Kinder nicht, was sie dürfen und was nicht.“ Dass man Kindern zuhört und „dass sie ausreden dürfen“, auch das legten die Kinderrechte fest, erklärt Gioia.

Am Mittwoch fahren alle Projektteilnehmer nach Backnang, wo das Kreisjugendamt einen Aktionstag unter dem Motto „30 Jahre Kinderrechte“ veranstaltet. In insgesamt 19 Schulen und Kindergärten des Rems-Murr-Kreises wurden Kunstwerke zu einzelnen UN-Kinderrechten geschaffen, die dann im Backnanger Landratsamt ausgestellt werden. Zudem findet eine Kinderkonferenz statt.

Im Kampf gegen Kinderarmut

72 923 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre lebten laut Statistik im Dezember 2018 im Rems-Murr-Kreis – wie steht es um die Umsetzung ihrer Rechte? Einer, der damit täglich zu tun hat, ist Holger Gläss, der Leiter des Kreisjugendamtes. Er sagt: „Ich glaube, dass da tatsächlich viel zu wenig getan wird in Deutschland. Es gibt überall Nachholbedarf – auch im Rems-Murr-Kreis“.

Dennoch sei er nicht unzufrieden. So gebe es beispielsweise im Kampf gegen Kinderarmut im Rems-Murr-Kreis eine Allianz aus Jobcenter, Jugendamt, Sozialamt und dem staatlichen Schulamt. Der Aktionsplan der Allianz sieht unter anderem vor, einen Lagebericht zur Kinderarmut im Kreis zu erarbeiten. Wichtig sei vor allem, die Leistungen, die betroffene Familien in Anspruch nehmen können, besser bekannt zu machen, betont Gläss. So soll es im Januar eine Veranstaltung für Familienhelfer geben, damit diese als Multiplikatoren dienen können. Die Angebote unterschiedlicher Träger und Stiftungen wollen die Verantwortlichen auf einem Flyer zusammenfassen.

Wie beteiligt man Jugendliche?

Dass die bisherigen Bemühungen bereits gefruchtet haben, zeigt eine Studie, die der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband im Oktober veröffentlicht hat. Darin wurden die Quoten am Bildungs- und Teilhabepaket untersucht, mit dem Kindern und Jugendlichen die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben erleichtert werden sollte. Während diese Quote im baden-württembergischen Durchschnitt bei 12 Prozent liegt, sind es im Rems-Murr-Kreis 53,8 Prozent – der höchste Wert in Baden-Württemberg.

„Rechte haben ganz viel mit Beteiligung zu tun“, nennt Holger Gläss einen weiteren Bereich, in dem sich das Jugendamt für Verbesserungen einsetzt. So entstehe derzeit ein kreisweites Netzwerk zur Jugendbeteiligung in den Kommunen. „Neben Jugend-Gemeinderäten gibt es auch andere Formen von Beteiligung, etwa Jugendhearings“, sagt Gläss. Es gehe darum, gerade auch kleine Gemeinden bei der Umsetzung solcher Beteiligungskonzepte zu unterstützen.

Anforderungen an Familien sind hoch

Nicht nur in der Kommunalpolitik, auch bei so genannten Hilfeplanverfahren der Kinder- und Jugendhilfe sind Jungen und Mädchen umfassend anzuhören und zu beteiligen – und das sei eine große Herausforderung, gibt der Leiter des Kreisjugendamts zu. „Da kommen wir schnell an Grenzen, etwa, was die Personalressourcen betrifft“, erklärt er – obwohl der Landkreis in den vergangenen Jahren rund 80 neue Stellen geschaffen habe. Mit insgesamt 302 Mitarbeitern sei das Kreisjugendamt die größte Abteilung des Landratsamtes, sagt dessen Pressesprecherin Martina Keck. Der Etat des Rems-Murr-Kreises für das Jahr 2020 umfasse im Bereich Jugendhilfe 62,5 Millionen Euro. „Man sollte stolz darauf sein, dass man da investiert“, meint Holger Gläss.

Der Bedarf an Hilfen ist gestiegen – das beobachtet zumindest die Geschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes Schorndorf/Waiblingen, Magdalena Hecker-Rost. „Die Anforderungen an Familien sind sehr hoch“, sagt sie. Kämen dann noch finanzielle oder gesundheitliche Probleme hinzu, sei ein normales Familienleben schwer aufrecht zu erhalten. Deshalb sei ein Mehr an Unterstützung – gerade in den Bereichen Bildung und Bekämpfung von Armut – wichtig, damit die Kinderrechte umgesetzt werden können. Auch der Kinderschutzbund setze sich mit verschiedenen Projekten dafür ein

Info: Die UN-Kinderrechtskonvention

Geschichte: 1959 verabschiedete die UN-Generalversammlung eine Erklärung der Rechte des Kindes. Diese blieb jedoch ohne rechtliche Bindung. Am 20. November 1989, dem 30. Jahrestag der Erklärung der Rechte des Kindes, wurde dann schließlich die Kinderrechtskonvention einstimmig von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. Seitdem ist der 20. November der Internationale Tag der Kinderrechte. Die Konvention ist inzwischen von 195 Staaten ratifiziert worden – auch von Deutschland.

Inhalte: Wichtige Bestimmungen der Kinderrechtskonvention sind etwa das Recht auf elterliche Fürsorge, auf Bildung, auf Gesundheit, auf Privatsphäre, auf Freizeit und Spiel, aber auch das Recht auf Schutz vor Ausbeutung und Gewalt. Ferner legt Artikel 12 fest, dass der Kindeswille berücksichtigt werden muss – etwa bei Gerichts- oder Verwaltungsverfahren.

Aktuelle Lage: Das Kinderhilfswerk Unicef sieht zwar Fortschritte in der weltweiten Umsetzung der Kinderrechte, warnt aber vor neuen Gefahren für Kinder – wie etwa dem Klimawandel, Onlinemissbrauch oder Cybermobbing.