Der spätere SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck traf den Gerlinger Studenten Markus Rösler 1990 in Ostberlin. Foto: Bundesarchiv

Markus Rösler ist heute Grünen-Abgeordneter, 1989 war er Student in Berlin. Mit dem späteren SPD-Chef Matthias Platzeck hat er schon zu DDR-Zeiten für Umweltschutz gekämpft – und eine Freundschaft aufgebaut.

Gerlingen/Berlin - Manchmal kreuzen sich Wege von Menschen, und daraus entstehen Begegnungen, die den Lauf der Geschichte verändern. Es war der Januar 1990, als der Student Markus Rösler aus Gerlingen auf den Bänken im unbeheizten Saal der TU Berlin saß, neben ihm Matthias Platzeck, der im November 1989 die Umweltgruppe Grüne Liga in der DDR gegründet hatte. Rösler schrieb damals an einem Buch „Naturschutz in der DDR“ und zeigte Platzeck das Manuskript. Als es im April erschien, hatte dieser viele Ergänzungen an dem Buch angeregt.

 

Es war die erste Begegnung der beiden, die über den Umweltschutz vieles in Bewegung gebracht haben. Platzeck hatte das Regime in Potsdam mit Umweltaktionen herausgefordert. Markus Rösler hatte sich schon 1988 als Student für ein deutsch-deutsches Naturschutzprojekt gemeldet und war einer derersten 15 Westdeutschen, die für diese Zweck in die DDR kamen.

Mit dem Anti-Atomkraft-Aufkleber in die DDR

Den Kofferraum voller im Osten verbotener Fachliteratur und mit einem Anti-Atomkraft-Aufkleber am Auto kam er nach Greifswald zum Institut für Landschaftsforschung. Die Wissenschaftler hatten dort Westkontaktverbot und mussten ihre Bücher abends in einen Stahlschrank einschließen.

Als Rösler dort eintraf, gab es noch keine Direktive aus Ostberlin. „Sie haben da ja einen Antrag, dann werden wir das mal so machen“, sagte der Institutsdirektor. Der 27-jährige Gerlinger stellte sich überall als „Praktikant Rösler“ vor und durfte an allein Sitzungen teilnehmen. „Es war wie im Märchen“, erinnert er sich heute, „ich saß in einer fremden Welt, und die anderen wussten nicht, wer ich bin.“

Nach dem Mauerfall am 9. November 1989, den Rösler als Student in Berlin hautnah miterlebt hat, konnte er sein Wissen über die Naturschutzszene der DDR nutzen. Im November ging er zu einer Tagung nach Ostberlin, in der zum ersten mal offen über das Waldsterben im Erzgebirge gesprochen wurde.

Praktikant Rösler wird im Westen bekannt

Auch im Westen war das Interesse an „Praktikant Rösler“ bei Veranstaltungen riesengroß. Der Gerlinger Student durfte für den Naturschutzbund die Kontakte zur DDR organisieren – und traf bei einem deutsch-deutschen Runden Tisch zum Umweltschutz erneut auf Platzeck. „Ich habe ihn als offen, herzlich und ehrlich empfunden“, erinnert sich der 58-Jährige. Zusammen setzten sie sich für die ersten Naturschutzparks in der DDR ein.

Nach dem Studium zog Markus Rösler auf die schwäbische Alb, schrieb dort an seiner Doktorarbeit. Platzeck wurde noch unter der letzten DDR-Regierung von Hans Modrow Minister ohne Geschäftsbereich, stieg dann zum Umweltminister und später Ministerpräsidenten von Brandenburg auf. Schließlich wurde er für kurze Zeit sogar SPD-Vorsitzender.

Matthias Platzeck kommt auf die Schwäbische Alb

Einmal hat er Rösler auf der Alb besucht, er traf sich auf halber Strecke mit seinen Töchtern bei ihm, die aus Spanien kamen. „Es war herzlich, wir sind zum Griechen essen gegangen und haben getafelt.“ Auch später traf man sich zwar selten, doch Rösler empfand die Begegnungen immer als ehrlich und direkt.

Natürlich wurde der Kontakt seltener. Markus Rösler zitiert seinen Vater: „Ein Freund an der Macht ist ein verlorener Freund.“ Nicht weil dieser arrogant und abgehoben sei, sondern weil schlicht die Zeit fehlte. Das konnte Rösler selbst nachvollziehen, als er 2011 Abgeordneter des Landtages wurde. „Dennoch war Platzeck Mensch geblieben“, sagt Rösler, „deswegen ist er auch als SPD-Chef zurückgetreten, als die Ärzte es geraten haben.“

Trägt Röslers Buch „stalinistische Züge“?

Es bleibt die Erinnerung an die Euphorie der Wendezeit. Eine Anekdote muss Rösler noch loswerden: Als sein Werk „Naturschutz in der DDR“ noch vor der Wende verteilt werden sollte, lehnte das DDR-Umweltministerium ab – wegen „stalinistischer Züge“ darin. Professoren der Humboldt-Universität hatten den Satz „In der DDR war nicht alles schlecht“ gerügt. Das hat Rösler nie verstanden: „Das waren zu SED-Zeiten treue Parteigänger und wurden jetzt zu Wendehälsen.“