Einst bewachtes Grenzgebiet, heute bei Investoren und Touristen beliebt: die Mündung der Trave mit dem Priwall (rechts). Foto: mauritius images / imageBROKER / Hans Blossey/imageBROKER / Hans Blossey

Seit der Öffnung der deutsch-deutschen Grenze hat sich in dem beliebten Ostseebad Travemünde viel getan. Leider ist dabei nicht nur Gutes herausgekommen. Warum sich ein Besuch dennoch lohnt.

Lübeck - Wenn Peter Warschkow an seinen Arbeitsplatz vor 30, 40 Jahren denkt, kommt er ins Schwärmen: „Der Priwall war damals traumhaft schön. Da wuchsen noch richtig weite Wälder, jeder kannte jeden, und der Strand war ein echtes Volksbad für die Lübecker, denen Travemünde zu schickimicki war.“ Sie durften die Fähre gratis benutzen, und einer der Campingplätze war für Leute mit wenig Geld reserviert. An der Fähranlegestelle, wo nun eine teure Altersresidenz Senioren verwöhnt, reparierte die Schlichting-Werft Marineschiffe, und wo sich heute die genormten Häuser einer Ferienhaussiedlung in die künstlichen Dünen ducken, servierte damals die „singende Pauschi“ im Kurmittelhaus Jägerschnitzel und Langnese-Eis.

 

Der Priwall ist eine drei Kilometer lange Halbinsel südöstlich von Travemünde, die mit dem Festland von Mecklenburg-Vorpommern durch eine schmale Landbrücke verbunden ist, aber zu Schleswig-Holstein gehört – jahrhundertelang ein Zankapfel zwischen den beiden Regionen. Genau an dieser Engstelle, am Ende der Wochenendhaussiedlung, die immer noch steht, führt ein etwa 400 Meter langer Querweg nach links zum Strand, nach rechts zur Pötenitzer Wiek, einer Ausbuchtung der Trave. Hier ging Peter Warschkow, heute 79, als Zöllner mit seinem Schäferhund Alfi Streife. Denn genau hier teilte die deutsch-deutsche Grenze Ost und West. Es war ein ruhiger Job in Uniform. Gelegentlich stapfte er am Grenzstreifen entlang, viel öfter saß er in seinem Schutzhäuschen.

Gesichtslose Architektur auf dem Priwall

Mal plauderte er mit Freunden aus der Siedlung, mal kam eine Schulklasse – wobei sich die Jungs mehr für seine Pistole, die Mädchen mehr für Alfi interessierten als für die Grenze. Einmal pro Woche sah der Bundesgrenzschutz oder der British Front Service mit seinem Schützenpanzer nach dem Rechten. „Hin und wieder kamen DDR-Offiziere nach vorn und schwärmten uns von den bahnbrechenden Entscheidungen des letzten Parteitags vor – eine Art Höflichkeitsbesuch.“ Die eigentlichen Befestigungen – zwei Grenzzäune mit Nato-Draht, aufgepflügtem Schutzstreifen, Kolonnenweg und Wachturm – lagen 400 Meter weiter hinten, die Fläche davor war abgeholzt. Der nächste Ort, Pötenitz, war mehr als zwei Kilometer entfernt, das Grenzgebiet war für die Bewohner tabu. Einen Fluchtversuch hat Peter Warschkow nie erlebt. Eher mussten schon mal Jugendliche zurückgepfiffen werden, die als Mutprobe bis zum Zaun vorrückten. Den 9. November 1989 erlebt er nicht an der Grenze, sondern als zufälliger Besucher in Berlin, an der Mauer. Der Weg durch den Sand ist immer noch da. Gleich dahinter, Richtung Osten, beginnt ein Urwald aus Hagebutten, Brennnesseln, Ebereschen und abgestorbenen Sanddornbüschen. Betonpfosten sind von Hundsrosen und Brombeeren überwuchert. Am Strand steht eine Infotafel mit alten Fotos und erinnert Badegäste, die sich Zeit nehmen, an früher. Das ist lange her.

In jüngerer Zeit hat sich enorm viel getan auf dem Priwall. Die auffälligste Veränderung ist an der Nordseite der Halbinsel im Gang. Dort, wo die Viermastbark „Passat“ vor Anker liegt, baut ein dänischer Investor eine Küstenstadt namens „Beach Bay“ auf: Um den Jachthafen und eine neue Promenade herum gruppieren sich Blöcke mit Ferienwohnungen und Restaurants – gesichtslose Architektur, wie man sie vielerorts an Ost- und Nordsee vorfindet. Und ein neues Hotel an der noch unbebauten Kohlenhof-Spitze soll gegen heftigen Widerstand ebenfalls errichtet werden.

Travemünde und der Priwall haben ihre Seelen verkauft

Vom Priwall-Strand aus verfolgte Peter Warschkow Anfang der 1970er Jahre, wie auf der anderen Seite in Travemünde das Hotel Maritim erbaut wurde, das immer noch das höchste Gebäude an der Ostsee ist. Mit seinen 119 Meter Höhe war es als „reales und symbolisches Leuchtfeuer des freien Westens“ gedacht – und stellte dies für viele Mecklenburger auch dar. Heute steht es unter Denkmalschutz. Flankiert wird es inzwischen von zwei niedrigeren Querriegeln, einem Hotel und einem Apartmenthaus. Sie sind architektonisch ebenso unauffällig, passen sich aber dadurch stilistisch an.

Auch Alt-Travemünde hübscht sich auf. Gerade wird der ehemalige Fischereihafen umgebaut, Schuppen und Stapelplätze sind bereits verschwunden. Wo man vorher Hering von Deck kaufen oder frischen Dorsch an Bord eines Seelenverkäufers essen konnte, entstehen teure Eigentumswohnungen am Wasser. Immerhin wurden den Fischern Liegeplätze versprochen – ganz ohne Dekoration funktioniert maritimes Ambiente nicht.

Es hat sich viel verändert in den letzten Jahren. So mondän wie Anfang des 20. Jahrhunderts, als Thomas Mann in höchsten Tönen davon schwärmte, wird das Seebad nie mehr werden. Aber das Schmuddelkind ist Vorzeigegöre geworden und kann jetzt mithalten im Kreis der aufgebrezelten Ostseebäder. Alle, die vom Tourismus leben, jubeln darüber. Von den anderen aber beklagen viele, dass Travemünde und der Priwall endgültig ihre Seelen verkauft hätten.

Anreise

Mit dem Auto via Hamburg über die A 1 Richtung Puttgarden, hinter Bad Schwartau auf der A 226 und B 75 nach Travemünde. Mit der Bahn über Lübeck nach Travemünde, www.bahn.de.

Unterkunft

Luxushäuser, die hinsichtlich Ausstattung, Wellness, Kulinarik und Service keine Wünsche offenlassen:A-rosa, Außenallee 10, Tel. 0 45 02 / 3 07 00, www.a-rosa-resorts.de (DZ/F ab 280 Euro). Atlantic Grand Hotel, Kaiserallee 2, Tel. 0 45 02 / 30 80, www.atlantic-hotels.de (DZ/F ab 200 Euro).Preiswerter, hübsch und freundlich:Strandperle, Kaiserallee 10, Tel. 0 45 02 / 3 08 69 95, www.lieblingsplatz-hotels.de (DZ/F ab 100 Euro) Sonnenklause, Kaiserallee 21: Tel. 0 45 02 / 8 61 30, www.hotel-sonnenklause.de (DZ/F ab 120 Euro)

Essen und Trinken

„Buddenbrooks“: Im Restaurant des A-Rosa-Resort hat sich Dirk Seiger mit vorwiegend französischer Küche samt asiatischem Einschlag einen Stern erkocht. Tel. 0 45 02 / 3 07 08 35. www.buddenbrooks-travemuende.de„Fisch Und Meer“: Hering, Dorsch, Seelachs, Scholle – wie der Name sagt, macht Fisch den Schwerpunkt der Speisekarte aus. Tel. 0 45 02 / 77 08 68, www.fisch-meer-travemuende.de

Allgemeine Informationen

Lübeck und Travemünde Marketing in Lübeck, Tel. 04 51 / 8 89 97 00, www.luebeck-tourismus.de