Die Stuttgarter Polizeidirektorin Claudia Rohde gehörte zu den ersten Polizistinnen im Land. Wir sprachen mit ihr darüber, wie das so ist, in eine Männerdomäne einzubrechen.
Frau Rohde, Sie gehörten vor 30 Jahren zu den ersten uniformierten Polizistinnen im Land. Wie haben Sie sich damals gefühlt?
Es war klar, dass wir etwas Besonderes waren. Niemand hatte ja Erfahrung mit Polizistinnen, weder unsere Vorgesetzten noch die Bürger. Da gab es natürlich Unsicherheiten.
Zum Beispiel?
Na ja, im Streifendienst tauchte schon mal die Frage auf, ob man mich tatsächlich zur Schlägerei in einer Gaststätte schicken kann oder nicht. Das war ja all die Jahre zuvor schon diskutiert worden: Kann man Frauen diesen Gefahren aussetzen? Oder sind sie besonders gefährdet und hemmen den Betrieb?
Hatten Sie Angst bei solchen Einsätzen?
Man braucht einen gesunden Respekt vor gefährlichen Situationen. Klar kann man in Lagen kommen, in denen einem unwohl ist. Nehmen Sie eine Schlägerei: Man weiß anfangs nicht, ob die Beteiligten alkoholisiert sind oder Waffen dabei haben. Aber das geht Männern ganz genauso. Man weiß nie, was einen erwartet. Das macht unseren Beruf ja so reizvoll.
Fühlten Sie sich ernst genommen von den Kollegen?
Ja, zu 99,9 Prozent. Nur in Einzelfällen habe ich Vorbehalte bemerkt. Aber die konnte ich ausräumen. Natürlich gab es Kollegen, da hast Du gespürt, dass sie lieber den 100-Kilo-Boxer als Partner neben sich hätten anstatt einer Frau. Die wussten ja nicht: Kann die denn hinlangen, wenn‘s ernst wird?
Und Sie konnten hinlangen . . .
Ja, wenn es notwendig war schon.
Fühlten Sie sich von den Bürgern immer ernst genommen?
Nicht mehr und nicht weniger als meine männlichen Kollegen. Es gibt Menschen, die haben grundsätzlich Probleme mit der Polizei, egal, ob die männlich oder weiblich ist. Bisweilen war es aber auch so, dass ich als Frau einen besseren Zugang zu unserem Gegenüber fand als meine Kollegen.
Was können Polizistinnen besser als Polizisten?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Man sagt uns Frauen ja nach, dass wir kommunikativ sind. Ich habe aber auch viele männliche Kollegen erlebt, die über diese Gabe verfügen. Ich bin aber überzeugt, dass Frauen anders denken und ticken. Nicht besser oder schlechter, einfach anders. Wenn sie das in den Polizeialltag einbringen, ist das eine Bereicherung.
Was hat sich in den letzten 30 Jahren verändert für Frauen in der Polizei?
Frauen in der Polizei sind heute eine absolute Selbstverständlichkeit. Heute würde das niemand mehr in Frage stellen. Auch in der Gesellschaft ist das völlig akzeptiert. Es gibt mittlerweile in allen Polizeibereichen Kolleginnen, und die bringen dort dieselbe Leistung wie ihre männlichen Kollegen.
Warum gibt es dann noch so wenige weibliche Führungskräfte? Sie sind ja bislang die einzige Polizeidirektorin im Land.
Das stimmt, es gibt zwar noch einige Kriminaldirektorinnen, aber ich bin die einzige uniformierte
Polizeidirektorin. Ja klar, da ist noch deutlich Luft nach oben. Aber das ist wie mit Führungspositionen in der Wirtschaft: Es braucht einfach Zeit, bis man merkt, dass der weibliche Führungsstil genauso zum Erfolg führt wie der männliche. Ich hatte das große Glück, dass ich oftmals sehr gute Vorgesetzte hatte. Und ich hatte, als ich schon in Führungsfunktionen war, sehr gute Stellvertreter. Die waren alle deutlich älter als ich und mussten mit der Tatsache fertig werden, dass ich an ihnen vorbei zog. Sie waren aber alle loyal und ließen mich an ihrem Wissen teilhaben. Das ist nicht selbstverständlich.