Sebastian Brunner hat das Downsyndrom. Das Wort behindert lehnt er ab. Foto: Julia Bosch

Bei der Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart hatte Sebastian Brunner, ein Mann mit Downsyndrom, öffentlich kritisiert, dass sich der Verein zu wenig für Inklusion einsetzt. Nun darf er ein Praktikum beim VfB machen – allerdings nicht dort, wo er am liebsten hinwollte.

Birkach/Fasanenhof - Die Bettwäsche. Das T-Shirt. Die Mütze. Der Geldbeutel. Der Rucksack. Der Kalender. Die Trinkflasche. Alles ziert das Logo des VfB Stuttgart. Und in seinem Fotoalbum klebt ein Foto aus 2008, als er Mario Gomez getroffen hatte. „Seit ich mich erinnern kann, bin ich VfB-Fan“, sagt Sebastian Brunner. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil dies mit dem Vater als FC-Bayern-München-Fan nicht unbedingt vorhersehbar war. „Aber ich bin im Robert-Bosch-Krankenhaus in Bad Cannstatt auf die Welt gekommen. Ich musste also VfB-Fan werden“, meint er und grinst.

Der 29-Jährige hat das Downsyndrom. Er lebt im Wohnheim des Behindertenzentrums (BHZ) in Birkach und arbeitet in der BHZ-Werkstatt auf dem Fasanenhof. Das Wort behindert lehnt Sebastian Brunner trotzdem ab. Lieber sagt er Handicap oder nennt seine Krankheit beim Namen: Trisomie 21. Das Chromosom 21 ist bei ihm dreifach statt zweifach vorhanden. Er ist einer von rund fünf Millionen Menschen weltweit, die mit dem Downsyndrom leben.

Bei der Mitgliederversammlung ans Mikrofon gegangen

Doch dieses dreifache Chromosom 21 hält Sebastian Brunner nicht davon ab, sich an vielen Stellen zu engagieren und aktiv zu sein: Er ist unter anderem Vorsitzender des Bewohnerbeirats im BHZ-Wohnheim in Birkach sowie Schriftführer der Lebenshilfe in Leonberg. Und er ist seit mehr als sechs Jahren Mitglied beim VfB Stuttgart. Aus diesem Grund hat er auch die außerordentliche Mitgliederversammlung des VfB im Dezember besucht – und ist dabei ziemlich aufgefallen.

Bei dem Tagesordnungspunkt, als sich Mitglieder äußern durften, ist der 29-Jährige aufgestanden, ans Mikrofon gegangen und hat bemängelt, dass der VfB sich zu wenig für Menschen mit Behinderung einsetze und die Inklusionvernachlässige. „Ich erhielt viel Beifall und wurde vom Vorstand und Präsidium für meinen Einsatz gelobt. Außerdem wurde mir sofort versprochen, dass ich ein Praktikum beim VfB absolvieren darf“, berichtet Sebastian Brunner. Daraufhin sei im Publikum noch mehr geklatscht worden. Zudem teilte der VfB auf dem sozialen Netzwerk Twitter ein Foto von ihm, berichtete von seiner Wortmeldung und dem zugesagten Praktikum: „Danke für deinen mutigen und wichtigen Beitrag, Sebastian“, hieß es.

Lieber wäre ihm eine Hospitanz in der Küche

Am liebsten würde der 29-Jährige im Küchenbereich des VfB hospitieren. Denn auch beim BHZ arbeitet er in der Hauswirtschaft, zudem interessiert er sich privat fürs Kochen. Im Regal neben seinem Bett steht rund ein Dutzend ausgeliehene DVDs, die sich mit der Kunst in der Küche beschäftigen. „Aber weil die Küchentätigkeiten beim VfB an eine externe Firma outgesourct sind, konnte ich leider dort kein Praktikum machen.“ Stattdessen darf er für ein oder zwei Wochen im Fanshop mithelfen.

Und obwohl ihm seitens des VfB unmissverständlich mitgeteilt wurde, dass es sich lediglich um ein Praktikum handelt, hofft Sebastian Brunner trotzdem auf eine anschließende Fortsetzung seiner Tätigkeit. „Mein Traum ist es, für immer beim VfB zu arbeiten – am liebsten mit Thomas Hitzlsperger, denn er ist mein großes Vorbild.“

Er will auch selbst mehr Fußball spielen

Außerdem will Sebastian Brunner damit anfangen, selbst auch wieder mehr Fußball zu spielen. Dies kam in der Vergangenheit zu kurz, denn seine Ehrenämter und anderen Hobbys – etwa Tischtennis oder die Fernsehsendung „Deutschland sucht den Superstar“ gucken – kosten inzwischen so viel Zeit, dass Sebastian Brunner sogar Duschen in seinen Terminkalender einträgt, um nichts zu vergessen.

Im Februar will er jedenfalls zum ersten Mal das Fußballtraining der Stuttgarter Buaben besuchen, dem christlichen Fanclub des VfB Stuttgart. Und er hat die Zusage erhalten, dass er künftig beim Inklusionsprojekt Pfiff des VfB Stuttgart mitkicken darf – auch während seiner eigentlichen Arbeitszeit beim BHZ. Und wenn er sowohl dort als auch bei seinem Praktikum im Fanshop mit seiner gesamten VfB-Ausrüstung auftaucht – T-Shirt, Mütze, Trinkflasche und Co. – kann vermutlich nicht mehr viel schief gehen.