In Internetportalen bieten Damen sexuelle Dienste an – wer wirklich dahinter steckt, ist selten klar. Foto: dpa

Lange hat’s gedauert, doch nun ist das Spiel eines 26-Jährigen zu Ende. Zwei Polizeibehörden waren lange parallel mit dem mutmaßlichen Menschenhändler beschäftigt, jetzt fanden sie beim Haftrichter zusammen. Er soll eine Minderjährige sexuell ausgebeutet haben.

Stuttgart - Eine Polizeistreife hatte durchaus den richtigen Riecher. Im Oktober letzten Jahres sichteten die Beamten an einem Sonntag frühmorgens um drei in der Pragstraße in Bad Cannstatt einen verdächtigen Mercedes. Am Steuer ein Mann aus Ludwigsburg, auf dem Beifahrersitz ein 14-jähriges Mädchen. Alles ein bisschen seltsam, aber konkret war nichts nachzuweisen. Die Jugendliche erklärte, dass alles in Ordnung sei. Man sei auf der Heimfahrt nach Ludwigsburg, wo sie bei den Eltern wohne.

Der Fall wäre womöglich im Sande verlaufen, hätte sich die Lage nicht im Februar zugespitzt – und hätten verschiedene Ermittler nicht gemerkt, dass sie an ein- und demselben Tatverdächtigen dran sind, der da offenbar diverse dunkle Geschäfte im Prostitutionsgewerbe betrieb. Wie die Polizei am Dienstag mitteilte, sitzt der 26-Jährige nun in Untersuchungshaft.

Es dauerte Monate, bis die Stuttgarter Kripo einen Nachweis dafür bekam, was die 14-Jährige tatsächlich mit dem Mann zu tun hatte. „Ermittlungen sind halt schwierig, wenn auch die Opfer nichts sagen“, erklärt Polizeisprecher Tobias Tomaszewski. In einem einschlägigen Internetportal fanden die Ermittler das Mädchen nach mehreren Monaten dennoch – in einem sozialen Netzwerk, das nach eigenen Angaben „Sexkontakte mit Hobby-Huren, Studentinnen für Girlfriendsex, Escort-Agenturen, Bordelle und Kunden“ vermittelt. Die 14-Jährige aus Ludwigsburg bot dort als angeblich 18-Jährige ihre erotischen Dienste als Escort-Dame an. Höchste Zeit also, die elterliche Wohnung des Mädchens in Ludwigsburg nach Beweisen zu durchsuchen, dass sie in Wirklichkeit von einem Zuhälter, dem 26-Jährigen, abhängig war.

Der Mann, ein gebürtiger Stuttgarter, ist kein unbeschriebenes Blatt. Bereits bei der Kontrolle in der Pragstraße im letzten Oktober stand er auf einer einschlägigen Liste. Wegen eines anderen Falls, dessen Ermittlungen der Esslinger Kripo schon weit gediehen waren. Er soll im Mai und Juni 2015 versucht haben, eine 17-Jährige in Wendlingen (Kreis Esslingen) zur Prostitution zu zwingen. Die Jugendliche lehnte das aber ab. Gegen den falschen Freund wurde Anzeige erstattet.

Der 26-Jährige hatte einen festen Wohnsitz in Ludwigsburg

„Gegen den Beschuldigten wurde wegen versuchten Menschenhandels ermittelt“, sagt die für Esslingen zuständige Polizeisprecherin Andrea Kopp. Aus den Erkenntnissen fertigte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft eine Anklage, die im November 2015 erhoben wurde. „Zu diesem Zeitpunkt gab es aber noch keinen Haftgrund“, sagt Staatsanwaltssprecher Jan Holzner. Also keine Flucht- oder Verdunklungsgefahr. Der 26-jährige Deutsche hatte einen festen Wohnsitz in Ludwigsburg.

Die Lage änderte sich freilich, als die Stuttgarter Ermittler die 14-Jährige aus Ludwigsburg in einem einschlägigen Internetportal entdeckten. Und der Esslinger Kripo bekannt wurde, dass der 26-Jährige mittlerweile die 17-Jährige massiv bedrohte. Die Staatsanwaltschaft beantragte Ende Februar Haftbefehl wegen des Wendlinger Falls. Gleichzeitig musste ein Richter grünes Licht für Wohnungsdurchsuchungen im Fall der 14-Jährigen aus Ludwigsburg erteilen. „Zeitgleich Festnahme und Durchsuchung – das ist dann letztlich auch eine organisatorische Frage“, sagt Staatsanwaltssprecher Holzner. Am Montagmorgen rückten die Polizisten an – und es klickten die Handschellen.

Hinweise darauf, dass der Tatverdächtige womöglich einem Zuhälterring angehört, gibt es nach Angaben der Staatsanwaltschaft bisher nicht. Auch das Erscheinungsbild des Mannes mit osteuropäischen Wurzeln deutet nicht darauf hin, zu organisierten Banden aus dem rockerähnlichen Milieu zu gehören. Über die Motive der 14-Jährigen machte die Polizei keine Angaben. Im Kreis Göppingen geboren, gehörte sie jedenfalls nicht zu jenen jungen Frauen, die mit falschen Versprechungen aus Osteuropa nach Deutschland gelockt wurden. Sollte sie relativ freiwillig mitgemacht haben, droht dem 26-Jährigen nicht einmal der Vorwurf des Menschenhandels oder der Zuhälterei – sondern lediglich der Förderung sexueller Handlungen. Hier drohen statt maximal zehn nur bis zu drei Jahre Haft.