Unweit des Pragsattels gähnt seit Jahren eine Brache – jetzt sollen dort 250 Wohnungen entstehen. Foto: Lichtgut / Max Kovalenko

Wohl um kein anderes Grundstück in Stuttgart ist je so gestritten worden wie um eine Fläche am Theaterhaus. Der Trump-Tower, eine Milliardenklage gegen die Deutsche Bank und lange Verzögerungen prägen die Geschichte. Jetzt soll Baustart noch im Juni sein.

Stuttgart - Die Landeshauptstadt braucht dringend Wohnungen. Doch auf dem Pragsattel, gleich hinter dem Theaterhaus, gähnt seit Langem eine Brache. Vor vier Jahren hätte dort eigentlich der Startschuss zum sogenannten Theaterviertel fallen sollen – auf einer Fläche, die eine schillernde, bisweilen bizarre Geschichte hinter sich hat. Einstmals wollte der frühere Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) dort den ersten Trump-Tower Deutschlands bauen lassen. Das Projekt scheiterte, das Areal wurde immer wieder zum Zankapfel – bis heute. Doch so, wie es aussieht, werden nach vielen Jahren jetzt Nägel mit Köpfen gemacht.

„Der Baustart ist für Ende Juni geplant“, sagte ein Sprecher des Investors Instone unserer Zeitung. Vorbereitungsarbeiten liefen bereits, auch eine offizielle Grundsteinlegung werde es geben. Vorgesehen sind auf dem Areal zwischen Maybach- und Rheinstahlstraße demnach 250 Wohnungen, davon 24 Sozialwohnungen zur Miete. Insgesamt soll die Wohnfläche nach Angaben des Investors 18 000 Quadratmeter betragen. Es handelt sich damit um eines der größten Wohnbauprojekte in der Stadt. Man freue sich „schon sehr“ auf das Projekt, so Instone.

Kein Wunder, nach all den Verzögerungen. Offizielle Erklärung dafür ist eine Stromleitung in der Rheinstahlstraße. Stadt und Investor haben beide immer betont, es habe sich im August 2016 herausgestellt, dass deren Verlegung unmöglich sei. Daraufhin habe Instone die Planungen komplett umarbeiten müssen. All das habe sich entsprechend lange hingezogen.

Baugenehmigung liegt seit November vor

Nun liegt die Baugenehmigung für das Theaterviertel bereits seit Anfang November vergangenen Jahres vor. Beobachter wundern sich deshalb über die neuerliche Verzögerung. „Wir sehen die Entwicklung unaufgeregt“, sagt Stadtsprecher Sven Matis dazu. Bei einem Vorhaben dieser Größenordnung brauche es auch nach der Genehmigung einen ausreichenden Vorlauf. So müssten auf dieser komplexen Baustelle einige Problemstellungen wie das Eisenbahnrecht wegen des nahen Tunnels oder die verkehrliche Erschließung bearbeitet werden.

Die Stadt selbst hat Instone einen Teil der insgesamt 8700 Quadratmeter großen Fläche verkauft. Der Rest stammt aus der Insolvenzmasse des Stuttgarter Teppichhändlers Sabet. Im städtischen Kaufvertrag sind Punkte wie Lärmschutz, Wohnbauförderung oder Gestaltung des öffentlichen Raums geregelt. Aber nicht nur. Nach Informationen unserer Zeitung hat sich die Stadt darin eine juristische Hintertür offen gehalten. So soll sie sich im Vertrag verschiedene Rücktrittsrechte gesichert haben – gültig bis zum Baubeginn für den Fall, dass der ursprüngliche Ankaufsvertrag von Instone über die Sabet-Grundstücke aus dem Jahr 2015 rückabgewickelt werden sollte.

Aber wozu diese Vorsicht? Dazu muss man wissen, dass um die Sabet-Grundstücke seit Jahren erbittert gestritten wird. Die Familie Sabet versucht dabei, Schadenersatz von der Deutschen Bank zu bekommen. Die Klage hat es bundesweit zu Berühmtheit gebracht. Schon allein wegen der Höhe der Forderung: Sie beläuft sich inzwischen auf astronomische elf Milliarden Euro. Vertreten wird die Familie von der Kanzlei Tilp aus Kirchentellinsfurt, die auch VW im Abgasskandal zu Leibe rückt. Sie hat immer wieder betont, dass sie die Forderungen für berechtigt hält.

Grundstücke sollen unter Wert verkauft worden sein

Hintergrund ist, dass der einst weltgrößte Teppichhändler Sabet vor einigen Jahren in finanzielle Schieflage geriet. Die Grundstücke wurden im August 2013 aus der Insolvenzmasse heraus für 6,7 Millionen Euro verkauft – nach Meinung des Geschäftsmannes Hafez Sabet auf Betreiben der Deutschen Bank weit unter Wert. Bei späteren Wiederverkäufen erzielten sie in der Tat deutlich höhere Preise. Die elf Milliarden Euro Klagesumme errechnen sich aber großteils nicht aus dem Grundstückswert. Darin eingerechnet sind die entgangenen Erlöse aus der Entwicklung eines speziellen Motors, die Sabet als zweites Standbein bis zur Insolvenz auf dem Gelände betrieben hat.

Verantwortlich dafür ist Sabets Meinung nach die Deutsche Bank. „Wir sind betrogen worden und werden das nachweisen“, sagt er. Trotz einiger Niederlagen bisher vor Gericht will er den jahrelangen Kampf nicht aufgeben und in einem aktuellen Verfahren seine Sicht der Dinge belegen. „Es gibt eine große Solidarität. Die Geschichte lässt viele nicht unberührt“, sagt Sabet. Die Deutsche Bank äußert sich zum Verfahren nicht. Wann der Prozess beginnen wird, ist offen.

Genauso wie die Frage, was passiert, falls Sabet oder weitere Kläger in der Sache womöglich doch noch recht bekommen. „Das spielt für uns überhaupt keine Rolle. Wir haben das Grundstück im Jahr 2015 ganz regulär mit einem rechtskräftigen Kaufvertrag erworben“, sagt der Instone-Sprecher. Jetzt, so der Plan, soll erst einmal gebaut werden.