Das Internet feiert Geburtstag. Foto: dpa

Das World Wide Web hat unser Leben drastisch verändert. Dabei wollte der Wissenschaftler Tim Berners-Lee im Jahr 1991 eigentlich nur den Informationsaustausch unter Kollegen vereinfachen. Warum sich unsere Leben-Kollegin ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellen kann und wie schwer es unserem Politik-Kollegen fiel, sich von seiner Schreibmaschine zu trennen, gibt es hier zu lesen.

Berlin - Eigentlich sollte die Webseite nur zu Forschungszwecken dienen. So hatte es sich zumindest der britische Physiker Tim Berners-Lee gedacht, der damals am Europäischen Kernforschungszentrum (CERN) bei Genf beschäftigt war. Ihn nervte das dort herrschende Informationschaos und suchte nach einer Möglichkeit dieses einzudämmen. Im März 1989 schlug er seinem Arbeitgeber ein Projekt auf Basis des Hypertexts vor, um den Datenaustausch zwischen den Forschern weltweit zu vereinfachen. Unterstützung bekam er von seinem Kollegen Robert Cailliau. Weihnachten 1990 legte Berners-Lee mit info.cern.ch den ersten Web-Server der Welt an. Am 6. August 1991 machte der 36-Jährige die erste Webseite im Internet öffentlich.

„Das war ein technischer Meilenstein“, sagt der Informatiker Werner Zorn, der als Gründungsvater des deutschen Internets gilt und 1984 an der Universität Karlsruhe die erste deutsche Internet-E-Mail empfing. „Die Idee dahinter war die Verbindung von Apples Hypertext mit der Internet-Technologie auf der Netzebene“, erklärt er. Denn das Internet, also die Netzwerk-Infrastruktur, gab es schon einige Jahre. Nach der E-Mail wurde nun mit dem World Wide Web ein weiterer Dienst geschaffen, der das Internet quasi zum Leben erweckte. Im Wesentlichen basiert Berners-Lees Entwicklung auf drei Punkten: Zum einen entwickelte er die „Hypertext Markup Language“ (HTML), die beschreibt, wie Seiten mit Hypertextverknüpfungen („Links“) auf unterschiedlichen Rechnerplattformen formatiert werden. Mit dem „Hypertext Transfer Protocol“ (HTTP) definierte er den technischen Kanal, den Computer benützen würden, um über das Internet zu kommunizieren. Der „Universal Resource Identifier“ (URI), heute ist die Unterform „Uniform Resource Locator“ (URL) geläufiger, bezeichnet die Adresse, mit der Inhalte im Netz gefunden werden. Einen wichtigen Schritt machte das CERN 1993, als das Institut das World Wide Web für die Öffentlichkeit freigab und auf Lizenzzahlungen und Patentierung verzichtete. Damit trug es maßgeblich zur Bedeutung des Webs in seiner heutigen Form bei. „Die freie Verfügbarkeit war natürlich der Erfolgsfaktor schlechthin“, sagt der Netzpionier Zorn.

Wir Digital Natives: Ein Leben ohne Internet ist für junge Menschen kaum vorstellbar.

Es ist 7.30 Uhr: Der Smartphone-Wecker klingelt. Erste Tat des Tages: kurz Mails checken, schauen, wer bei WhatsApp geschrieben hat. Beim Duschen läuft Musik auf Spotify, beim Frühstück die Tagesschau auf dem Laptop. Die VVS-App weiß, wann genau ich spätestens das Haus verlassen muss und ob meine Stadtbahn pünktlich fährt. Auf der Arbeit ist das World Wide Web ohnehin nicht wegdenkbar.

Fünfundzwanzig Jahre Internet – vier Jahre meines Lebens habe ich theoretisch netzlos verbracht, in Wirklichkeit waren es eher 14. Und doch ist für mich der Alltag ohne News-Apps und Google Maps, ohne Facebook und car2go kaum mehr vorstellbar. Wohin der Urlaub gehen soll, entscheidet längst nicht mehr der Berater im Reisebüro: Die Foto-App Instagram ist Ideengeber. Die Unterkunft vor Ort wird über die Wohnungsplattform Airbnb gebucht, Anregungen für das Sightseeingprogramm gibt’s auch unterwegs von Blogs und Freunden. Geschenke, Bücher, Kleidungsstücke werden online bestellt, nur Lebensmittel werden immer noch zu Fuß besorgt.

Wie das wohl in fünf Jahren sein wird? Oder in zehn? Wird sich die Musik dann morgens per Sprachbefehl einschalten, weil sowieso niemand mehr nachts das Smartphone ausschaltet? Wird das Auto von allein aus der Garage fahren und einen, ohne dass man noch irgendetwas dazu tun muss, zur Arbeitsstelle fahren? Werden wir mittels Hologramm-Bilder kommunizieren, so dass selbst der Geburtstagsbesuch bei der neunzigjährigen, sechshundert Kilometer entfernt lebenden Großtante überflüssig wird? Der Besuch der Hochzeit des besten Freunds, der besten Freundin? Oder wird die Menschheit irgendwann, in nicht allzu ferner Zukunft, ein kollektives Burn-out erleiden, weil selbst wir Digital Natives nicht mehr hinterherkommen, in unserem rastlosen und vom Internet bestimmten Leben? Von Melanie Maier

Bye-bye Schreibmaschine: Irgendwann musste eine Generation lernen, mit dem Internetzu leben.

Ich spreche nicht gerne darüber. Zu schmachvoll, und es geht zu direkt gegen meine Berufsehre. Irgendwann Anfang der Neunziger auf einem DGB-Kongress in Berlin. Ich muss einen Bericht schreiben und suche mir ein ruhiges Plätzchen in den fensterlosen Gängen des ICC. Kommen zwei sehr reizende Damen vorbei und schauen von Ferne zu: „Wie süß, dass es das noch gibt. Mach doch mal ein Foto.“ Das Foto galt rätselhafterweise nicht mir, sondern meiner – Schreibmaschine. Klein, zuverlässig, unverwüstlich. So lange ich meine Texte übers Telefon in die Redaktion diktieren konnte, brauchte ich keinen Computer, dachte ich mir.

Damals habe ich mir vorgenommen, dass mir so etwas nie mehr passiert. Deshalb habe ich mir vor einigen Wochen einen Twitter-Account eingerichtet. Äh, einrichten lassen. Alleine ist das doch ein wenig kompliziert. Und auf Facebook bin ich jetzt auch. Da habe ich aber mein Passwort vergessen. Aber Twitter ist spannend. Schon morgens um sieben schreibt mir der stellvertretende SPD-Parteichef Ralf Stegner aus Bordesholm, dass er jetzt zum Brötchen holen geht. Leider konnte ich ihm bisher nicht mitteilen, wie interessant ich das finde, weil ich noch nicht so weit bin, selbst zu antworten, also zu twittern. Und über Twitter kam ich auch auf den Livestream, der mir alle Saison-Vorbereitungsspiele von 1860 München von den entlegensten Dorfplätzen übertrug. Deshalb bin ich Twitter wirklich sehr dankbar.

Ich schaue auch manchmal auf die Webcam, die das Wetter in meinem Urlaubsort Prerow überträgt. Die Tickets für die Fahrt dorthin kaufe ich aber am Schalter und zahle bar. Ich will nicht die Nummer meiner Kreditkarte ins Netz stellen. Ich hasse auch Online-Banking. Ohne mich. Aber ich mache Ausnahmen. Ich habe mir einen Trainingsanzug mit 1860-Logo im Fanshop gekauft. Und mit Kreditkarte gezahlt. Online! Alles ging reibungslos. Der Trainingsanzug kommt mit nach Prerow. So sieht Fortschritt aus. Von Norbert Wallet