Martin Burk überlebte – nach 25 Jahren erinnert er sich an den Tag nach Lothar. Foto: Werner Kuhnle

Der Orkan Lothar wütete im Jahr 1999 – auch im Kreis Ludwigsburg. Der Murrer Martin Burk sägte, was das Zeug hielt. Mit einem Schlag änderte sich sein Leben.

Ein einziger Moment hat das Leben von Martin Burk radikal verändert. Es war der Tag nach dem Jahrhundertorkan Lothar vor genau 25 Jahren. „Es ist ein Wunder, dass ich das überlebt habe“, sagt der heute 62-Jährige, der noch immer unter den Folgen des damaligen Ereignisses leidet, als ein Baum auf ihn krachte und einen Teil der Schädeldecke wegriss. Heute ist der Landwirt aus Murr trotz aller körperlichen Beschwerden froh: „Mir hätte noch viel mehr passieren können.“

 

Der Orkan fegte im Jahr 1999 am zweiten Weihnachtstag mit Windstärken von mehr als 200 Kilometern pro Stunde über den Südwesten Deutschlands hinweg. Martin Burk stand zu dieser Zeit mitten im Leben. Er hatte eine Familie mit drei Kindern, beackerte 40 Hektar Land. Nebenbei arbeitete er für den Stihl im Bereich Versuch und Entwicklung, fuhr Lastwagen für eine Spedition und wirkte ehrenamtlich bei der Murrer Feuerwehr mit. Burk, der Schaffer, der mit der Motorsäge umgehen konnte wie kein anderer, der aber auch sonst dort anpackte, wo er gebraucht wurde. „Es gab praktisch nichts, was ich mir nicht zugetraut hätte.“

Tochter Alisa unterstützt mit ihrer Schwester Martin Burk beim Betrieb eines Reiterhofs. Foto: Werner Kuhnle

Am Tag nach dem Orkan klingelte morgens das Telefon. Es war die Murrer Feuerwehr. Martin Burk erinnert sich noch ganz genau: „Ein Baum war in ein Haus neben der Gaststätte Bruddler gekippt.“ Burk machte alles richtig und sägte den Baum in 30-Zentimeter-Tranchen fachmännisch Stück für Stück ab. „Ich war nach einer Stunde so gegen 10 Uhr fertig.“

Aufräumen nach Orkan Lothar: Zweimal räumte Martin Burk problemlos einen Baum weg

Später forderte ihn jemand aus Winzerhausen an, einem kleinen Ort in der Nähe. Ein Baum lag quer über einer Straße in der Nähe der Gipshütte, einem Lokal am Wunnenstein. „Auch das war kein Problem – im Vergleich zu Vorführungen für das Forstamt kein großer Aufwand.“

Auch der dritte Einsatz schien beherrschbar. Der Strombetreiber Kawag hatte Martin Burk geordert. Im Freiberger Stadtteil Geisingen standen am Neckar einige Bäume, die abzukippen drohten – darunter eine Akazie. „Sie gelten als heikel und diese dort drohte in eine Stromleitung zu fallen.“ Ein Druckentlastungsschnitt sei bei der Akazie leider nicht möglich gewesen: „Sie war zu dünn.“ Jedenfalls spaltete sich plötzlich der Baum und fiel nicht in die zuvor berechnete Richtung, sondern krachte auf beide Seiten. Die Akazie traf Burk mit voller Wucht und verletzte ihn schwer.

Das Ziel war nach dem Unfall aus dem Rollstuhl herauszukommen

Ein Rettungswagen brachte den Bewusstlosen ins Krankenhaus. Im Gespräch heute zeigt Martin Burk auf eine Narbe am Hals: ein Luftröhrenschnitt, den die Chirurgen in einer Notoperation anbrachten, als sie ihm ein riesiges Stück der Schädeldecke ersetzen mussten. Burk rang mit dem Tod und lag sechs Wochen lang im Koma. Aber er kam zurück und setzte sich danach ein Ziel: „Ich wollte unbedingt aus dem Rollstuhl herauskommen.“ Viel zu verdanken habe er einer Krankengymnastin in der Reha in Allensbach, an die er sich schmunzelnd erinnert: „Wir verstanden uns wirklich gut, sie hat mich motivieren wollen – sie sagte zum Beispiel: Komm zu mir, diese drei Schritte noch, dann gehen wir Kaffeetrinken.“

Bei der Rückkehr wurde Martin Burk die Tragweite seiner Behinderungen bewusst. Er konnte nicht mehr arbeiten, was an seinem Selbstwertgefühl nagte. „Es war für mich der Weltuntergang.“ Die Belastungen waren zu stark, auch für seine Ehe, die zerbrach. Immerhin sorgte die Unfallversicherung dafür, dass er materiell ein Auskommen hatte. Heute ist Martin Burk trotz des Schmerzes über Vergangenes dankbar, „dass alles letztlich so ausgegangen ist“. Er hat den Kuhstall in einen Reiterhof umgebaut und wird von seinen beiden Töchtern beim Betrieb des Hofes unterstützt.

Glückliche Beziehung stabilisiert den Gesundheitszustand

Ganz besonders froh ist Martin Burk darüber, dass er vor drei Jahren auch wieder eine Partnerin gefunden hat, die ihn so akzeptiert, wie er ist. Die glückliche Beziehung stabilisiere auch seinen Gesundheitszustand, der noch vor einigen Jahren durch häufige epileptische Anfälle gefährdet war.

Dass er einige frühere Hobbys wie das Fußballspielen beim örtlichen SGV Murr oder das Skifahren nicht mehr betreiben kann, sieht Martin Burk inzwischen sehr gelassen. Manchmal gehe er ins Feuerwehrmagazin und treffe sich dort für einen Plausch mit Kameraden. „Die kennen mich da alle“, sagt er. Vermisst habe er zwischenzeitlich auch das Fahren von schweren Lastwagen, aber leider dürfe er noch nicht einmal ein Auto steuern. Dafür steigt Burk immer wieder gerne in den Traktor und fährt mit ihm auf den eigenen Grundstücken Heu und Stroh aus. „Es gibt immer noch viel zu tun.“