Künstliche Realitäten? In der Filmakademie sind sie Alltag Foto:  

Es war 1991 ein kühnes Konzept: eine praxisorientierte und flexibel am Bedarf der Filmindustrie ausgerichtete Hochschule. Das Schöne: 25 Jahre später ist die international etablierte Filmakademie Baden-Württemberg immer noch und immer wieder im Aufbruch.

Ludwigsburg - Aufbruch ist überall in Baden-Württemberg in den späten 1980er Jahren. Und die Rasanz der technologischen Entwicklung erfordert aus Sicht des damaligen Ministerpräsidenten Lothar Späth ein neues Denken. Ein Denken über Grenzen hinweg. Späth setzt auf ein Gründerdenken – und provoziert nicht nur die CDU-Parteifreunde mit seinem Engagement, die Künste als Innovationsschrittmacher zu verstehen und auch entsprechend einzusetzen. So entsteht 1989 in Karlsruhe das Zentrum für Kunst und Medientechnologie, 1990 in Stuttgart die Akademie Schloss Solitude – und 1991 in Ludwigsburg die Filmakademie Baden-Württemberg. Gründergeist beflügelt auch sie – bis heute.

Immer neuer Aufbruch

So geht auch, wenn an diesem Donnerstag in Ludwigsburg offiziell das 25-jährige Bestehen der Filmakademie gefeiert wird, der Blick bewusst nach vorne. „Die größte Gefahr ist“, sagt Thomas Schadt, seit 2004 Direktor der Filmakademie, „es sich im Erfolg bequem zu machen. Ich muss immer neu befeuern, für Unruhe sorgen, Dinge infrage stellen und dabei alle mitnehmen.“

Eine Position, die auch den Dialog mit der Landespolitik leicht macht. Im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst sieht man die Offenheit als Erfolgsgarantie. „Die Filmakademie“, sagt Ministerin Theresia Bauer (Grüne), „bildet für alle Filmproduktionsberufe aus. Die Studieninhalte werden dabei ständig an die Veränderungen der Branche und des Marktes angepasst und zukunftsorientiert weiterentwickelt. Mit diesem inhaltlich umfassenden und außergewöhnlich praxisorientierten Studienkonzept ,Learning by Doing‘, das die Arbeit in Filmproduktionsteams und die Betreuung durch Dozentinnen und Dozenten aus der Praxis zur Basis hat, hat die Filmakademie über die Jahre hervorragendes Renommee erlangt – regional und international, bei den Studierenden, den Lehrenden und in der Filmwirtschaft.“

Staatssekretärin will neueste Technik

Und der Blick nach vorne? „In Zukunft“, sagt Petra Olschowski, Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, „geht es darum, die sehr hohe Qualität der Ausbildung an der Filmakademie zu halten. Das betrifft vor allem die Lehre, die äußerst intensive Betreuung der Studierenden während des Studiums und die weit über 200 Filme, die jährlich an der Filmakademie entstehen.“ Und Olschowski fügt hinzu: „Das setzt eine Produktionstechnik auf dem neuesten Stand voraus. Auch hier heißt das Ziel, die technische Ausstattung der Filmakademie auf dem bestehenden hohen Niveau zu halten, das den Anforderungen des freien Marktes entspricht.“

Im Klartext: Die Filmakademie, als Einrichtung eine hundertprozentige Tochter des Landes, muss in ihrer Ausstattung nicht nur die Entwicklungssprünge des Digitalen bewältigen, sondern auch selbst Schrittmacher bleiben. Das Jubiläum markiert so einen „Zwischenschritt“ – ein Wort, das Albrecht Ade für die Erfolgsstationen der Filmakademie nur zu gerne wählte.

Ohne Ade ist die Filmakademie nicht denkbar. Wie Heinrich Klotz mit dem als Museum und Labor zugleich angelegten Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe und Jean-Baptiste Joly mit der Fördereinrichtung Akademie Schloss Solitude in Stuttgart setzt auch Ade als Gründungsdirektor und Filmakademie-Lenker bis in das Jahr 2000 auf Vernetzung.

Albrecht Ades Impulse

„Das reicht nicht“ – Albrecht Ade sagt diesen Satz immer wieder, seit er zum Wintersemester 1976/77 an der Kunstakademie Stuttgart eine Professur für Grafik-Design übernimmt. In Wuppertal hatte er zuvor Visuelle Kommunikation und Animationsfilm gelehrt. In Stuttgart forciert Ade die Verknüpfung – und gründet als Bühne seiner Studiengruppe Animationsfilm 1982 das Internationale Trickfilmfest. Ade will weiter, will auch für Lehre und Praxis im Film ein eigenes Forum. Am liebsten in Stuttgart, doch in der Landeshauptstadt kann man sich – bis hin zum damaligen Oberbürgermeister Manfred Rommel – nicht so recht vorstellen, was der Trickfilmfreund vom Weißenhof vorhat.

In Ludwigsburg werden Ade und das Land fündig. Der Abzug US-amerikanischer Soldaten aus Deutschland eröffnet auch für die Barockstadt neue Perspektiven. Die Kasernen im Zentrum können und müssen neu genutzt werden – und der Umbau der Mathildenkaserne zur Filmakademie wird zum Modell für die Umwandlung des gesamten Areals.

Für Ade gilt sein „Das reicht nicht“ weiter – und so signalisiert er mit der Gründung des Kurzfilmfestivals 1993 unmissverständlich, dass sich die Filmakademie Baden-Württemberg nicht auf ein Musterforum des Animationsfilms reduzieren lässt. Die Spielfilmausbildung wird wichtiger, die Deutsch-Französische Filmschule dient als Ausgangspunkt internationaler Kontakte.

Aufmerksamkeit auch in Hollywood

Was bleibt, ist die unbedingte Verschränkung von Theorie und Praxis, was folgt, ist eine bis heute immer länger werdende Liste internationaler Erfolge und höchster Weihen.

Mehr noch aber: Filmakademie-Absolventen werden Gründer, agieren im Umfeld der Hochschule als international geschätzte Spezialisten und knüpfen so das Netz der Film- und Medienregion in und um die Landeshauptstadt Stuttgart immer enger. Die Politik reagiert. „Im Rahmen des Animation Media Clusters Region Stuttgart“, sagt Staatssekretärin Olschowski mit Blick nach vorne, „sollen auch Initiativen verstärkt werden, den hierfür relevanten Nachwuchs in Baden-Württemberg zielgerichtet an den Standort zu binden“.

Was das genauer heißt? „Das Cluster“, sagt Olschowski, „entwickelt sich insbesondere aufgrund der jüngsten internationalen Erfolge durch Animations- und VFX-Effekte bei international renommierten Produktionen wie ,Bridge of Spies‘ oder ,Game of Thrones‘ gerade enorm weiter, da sich einige neue Firmen – wie zum Beispiel Rise FX – momentan in der Region ansiedeln.“

Tatsächlich hat die Politik den Filmstandort-Rahmen um den Schrittmacher Filmakademie weit gezogen. „In den vergangenen Jahren“, sagt Staatssekretärin Olschowski, „hat die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg ihren Schwerpunkt im Bereich Animation und Visuelle Effekte sowohl in der projektbezogenen Förderung wie auch bei den zahlreichen, auch strukturell wirksamen Maßnahmen deutlich verstärkt.“ Wichtig aber gerade für die Filmakademie und einen ihrer Schwerpunkte: Von der verstärkten Förderung profitieren zwar Projekte zu deutschen Eventmovies wie „Hindenburg“, Kinderfilme, internationale Serienerfolge oder gar ein Blockbuster wie „Independence Day 2“. „Trotzdem“, sagt Petra Olschowski, „fördert die Medien- und Filmgesellschaft im Gegensatz zu anderen Ländern wie Bayern auch weiter Kurzfilme.“

Thomas Schadt liebt die Unruhe

„Man muss sich immer wieder neu erfinden“, sagt Filmakademie-Direktor Thomas Schadt. Bewegt und vielfarbig zeigt sich denn auch das Programm zum 25-jährigen Bestehen. So lädt etwa das von Andreas Hykade geleitete Institut für Animation, Visual Effects und digitale Postproduktion unter dem Titel „Animators Arena“ an diesem Freitag zum Eintritt in künstliche Welten. In der Realität bildet die Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg mit dem Animationsinstitut, dem Atelier Ludwigsburg-Paris sowie der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg auf einem gemeinsamen Campus ein Erfolgsmodell, das Zukunftsmodell bleibt.

Kommentar „Hauptrolle für den Film“

Das Thema Film in all seinen Facetten spielt in der Metropolregion Stuttgart längst eine Hauptrolle. Lassen schon die stattlichen Besucherzahlen im klassischen Kinobetrieb national staunen, ist die Region auf gleich mehreren Feldern nicht mehr nur heimlicher Spitzenreiter.

Verbunden mit dem und befeuert durch das Internationale Trickfilm-Festival und den Branchentreff FMX wird Stuttgart alljährlich zum Forum der weltbesten Spezialisten für Animation und Spezialeffekte. Parallel setzt Hollywood gerne auf digitale Filmwelten made in Stuttgart wie bei dem Oscar-Erfolg „Hugo Cabret“. Spätestens hier ist man dann in der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg angekommen.

1991 eröffnet, gehört die Filmhochschule des Landes zu jenen Projekten, mit denen Lothar Späth als Ministerpräsident (1978 bis 1991) Kunst und Kultur als Impulsgeber für Innovationen forcierte – nicht auf abgehobenen Bühnen, sondern als Teil konkreter erster Schritte in die digitale Zukunft. Daran darf, ja muss man sich erinnern, wenn in dieser Woche das 25-jährige Bestehen der Filmakademie Baden-Württemberg gefeiert wird. Künstliche Realitäten sind ein internationales Aushängeschild der Akademie – und wer hier auch in Zukunft mithalten will, muss investieren. In Technik, in Freiräume, in einen Gründergeist, der den weltweit gefragten Absolventen der Filmakademie Möglichkeiten gibt, ihre Qualitäten vor Ort zu bestätigen.

Und auch daran darf und muss man sich erinnern: Der Filmakademie-Gründung mit ihrem bewussten Schwergewicht Animation voraus ging 1982 die Gründung des Internationalen Trickfilmfestivals in Stuttgart. In der Person von Albrecht Ade verbinden sich beide Ereignisse. An der Stuttgarter Kunstakademie hatte Ade als Professor seit 1976 das Thema Trick und Animation vorangetrieben.

Das Trickfilmfest schaffte breite Akzeptanz für ein Spezialgebiet der bewegten Bilder, eröffnete den Raum für eine neue Szene und bot damit auch den Rückenwind für eine feste Ausbildungsbühne. Bewusst flexibel sollte diese sein, die Praxis sollte im Mittelpunkt stehen. „Überforderung als Programm“ macht Thomas Schadt, seit 2004 Direktor der Filmakademie und selbst international bekannter Dokumentarfilmer, als Erfolgsgaranten aus. Studierende sollen früh Verantwortung übernehmen, lernen, von Beginn an grenzüberschreitend zu arbeiten.

Anforderungen, die im Erfolgsfall auch Erwartungen schüren. Etwa, wenn das Studio Mackevision Spezialeffekte für die auch in Deutschland erfolgreiche US-Fantasy-Serie „Game Of Thrones“ liefert. Aus Sicht von Heiko Burkardsmaier, Produzent bei Mackevision, braucht der Wachstumsmarkt Spezialeffekte Rückendeckung durch die Filmförderung des Landes: „Ohne sie können wir mit höher subventionierten Standorten wie Vancouver oder London kaum mithalten“, sagt er. Und Burkardsmaier ist sich sicher: „Die Investition lohnt sich: Die Produzenten geben bis zum Fünffachen der Fördersumme hier aus.“

Die Filmakademie Baden-Württemberg ist ein Erfolgsmodell. Und gerade das macht sie zur Herausforderung, provoziert Anforderung – an die digitale Agenda des Landes ebenso wie an die Start-up-Förderung. Zuvorderst aber an die Metropolregion Stuttgart. Filmakademie, Trickfilmfest und die wachsende Zahl von Produktionsformen sind die Taktgeber des Filmstandortes. Daraus eine Idee und Identität für die Region zu machen ist die Aufgabe.