Die Schwarzwald-Kulisse hat großen Anteil am Erfolg der „Fallers“ Foto: SWR/Johannes Krieg

Seit einem Vierteljahrhundert begeistern „Die Fallers“ die Fernsehzuschauer. Das hat Gründe: Sie wirken als Identitätsstifter und bieten einen wunderbaren Ersatz für den Heimatfilm von einst.

Stuttgart - Es sind Geschichten aus dem Alltag. Keine Katastrophen, nichts Spektakuläres. Und doch werden sie heiß geliebt, die Reihen und Serien in den dritten Programmen. „Regionale Fiktion“ heißt das intern, nicht sexy, aber erfolgreich sind die Geschichten aus der Heimat, in denen es meist auch um Familien geht. Seit 25 Jahren erzählt der SWR die Geschichten der „Fallers“ aus dem Schwarzwald, es ist die dienstälteste Serie ihrer Art. Ähnliche Klassiker sind „Neues aus Büttenwarder“ (NDR, seit 1997) und „Dahoam is dahoam“ (BR, seit 2007). Alle drei haben treue Fan-Gemeinden, keineswegs bloß im jeweiligen Sendegebiet.

Abnutzungserscheinungen sind nicht festzustellen, im Gegenteil: Die Zuschauerzahlen der Schwarzwaldgeschichten liegen nach wie vor über dem Senderniveau; im Schnitt schalten pro Folge mehr als eine Million Menschen ein. Auch wenn Kritiker diese Art Fernsehen gern als altbacken einstufen: Der SWR erreicht mit der Serie deutlich mehr junge Zuschauer als mit dem restlichen Programm. Es sei eben „eine heimatverbundene Farbe, die die Leute sehr lieben“, heißt es dazu vom Sender. Die Serie ist offenbar wichtig für die Identifikation der Menschen im Sendegebiet, heute womöglich mehr als vor 25 Jahren: Nicht nur die ganze Welt, auch das Fernsehprogramm ist unübersichtlich geworden; Klassiker wirken wie zuverlässige Leuchttürme, erst recht, wenn sie mit ihren Geschichten auch inhaltliche Orientierung bieten.

Die komplexe Gegenwart wirkt hier übersichtlich

Für einen Landessender sind solche Produktionen daher weit mehr als bloß ein Quotengarant. Aufgrund der Sparzwänge wird das eigenproduzierte Angebot der „Dritten“ dünner, es gibt immer mehr ARD-Wiederholungen. Deshalb schöpft der SWR auch seine Existenzberechtigung aus einer Serie wie „Die Fallers“: Die Zuschauer wollen sich und ihre Heimat nicht bloß in Informationssendungen oder musikalischen Unterhaltungsformaten wiedererkennen. Identitätsstiftung ist das wichtigste Motiv für die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, eigene Reihen und Serien herzustellen. Das lassen sie sich auch einiges kosten, eine „Fallers“-Folge ist allemal teurer als eine Ausflugsreportage.

Beide Sendeformen sprechen allerdings ähnliche Bedürfnisse an. Der Erfolg der Serien basiert auf einer Sehnsucht nach einer Welt, wie es sie vor der Globalisierung gab. Auch wenn es unfair ist, „Die Fallers“, „Dahoam is dahoam“ oder „Neues aus Büttenwarder“ in einem Atemzug mit dem aktuellen Aufschwung rechtspopulistischer Politiker zu nennen: Die gesellschaftlichen Ursachen für den Erfolg sowohl dieser Serien wie auch der AfD sind die selben, denn beide reduzieren die Komplexität der Welt auf einfache Fragen. Im Grunde schließen die Serien jene Lücke, die der Heimatfilm hinterlassen hat. In den einzelnen „Fallers“-Episoden müssen zwar immer wieder Herausforderungen gemeistert werden, aber die sind in der Regel nicht existenzbedrohend. Die Serie erfüllt daher das Bedürfnis nach einer heilen Welt und stillt ähnlich wie einige populäre Zeitschriften („Landlust“) die etwas irrationale Sehnsucht nach einem vermeintlich idyllischen Leben in der Provinz.

Für den Schwarzwald zahlt sich die Werbung aus

Die sinnliche Nachvollziehbarkeit ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Während viele Menschen mittlerweile einer entfremdeten Beschäftigung nachgehen, weil sie bloß ein Rädchen in einem großen Betrieb sind, folgt das Leben auf einem Hof klaren und leicht verständlichen Regeln: Tiere füttern, Ernte einbringen, Kühe melken. Es ist kein Zufall, dass so viele Menschen ihre Ferien auf dem Bauernhof verbringen und voller Freude dabei helfen, den Stall auszumisten. Wenn sich diese Nähe zur Natur dann auch noch vor dem Hintergrund des Südschwarzwalds zuträgt, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen: Die Landschaft wird hier zum perfekten Sehnsuchtsort, der mit der Gleichgültig des Alltags im wahren Leben vermutlich ähnlich viel oder wenig gemein hat wie eine Hollywood-Kulisse. Für die Region zahlt sich diese kostenlose Werbung natürlich aus, regelmäßig reisen „Fallers“-Fans in die Nähe von Furtwangen, um nach den Schauplatzen der Serie zu suchen.

Ein letzter Punkt ist die Authentizität der Geschichten. Glaubwürdigkeit ist nicht nur eine Frage des Drehbuchs, sondern auch der Darsteller, denn neben der Landschaft sind es vor allem sie, die Lokalkolorit vermitteln. Die Mundart ist e daher ebenfalls Teil des Erfolgsgeheimnisses. Aus den Hauptprogrammen sind Dialekte fast völlig verschwunden. Sächsisch gilt geradezu als verpönt, das norddeutsche Platt gibt es allenfalls noch als Andeutung. Einzig die Bayern sind dank diverser Bergserien im ZDF noch in großer Zahl vertreten, aber sie dürfen nicht so reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, sondern müssen eine Art Fernsehbayrisch sprechen. Auch akustisch ist „Die Fallers“ also für viele eine Art Oase.