Wer das Schloss an einem Samstag besucht, hat gute Chancen eine Braut beim Posen vor der Kamera zu sehen. Foto: factum/Weise

24 Stunden Ludwigsburg – in einer 24-teiligen Serie erzählen wir wie die Ludwigsburger und die Gäste der Stadt leben und arbeiten. Zwischen 13 und 14 Uhr lassen sich die Besucher aus nah und fern durch das Barockschloss führen. Samstags kommen immer viele Brautpaare für Fotoshootings – bis zu 25, jeden Samstag.

Ludwigsburg - Es ist ein Kommen und Gehen. Ständig pilgern am diesem Samstag gegen 13 Uhr ein paar Besucher durch das große Portal in den Hof des Ludwigsburger Barockschlosses, andere haben die schmucken Räume und den Schlossgarten eben besucht, verlassen das Areal in Richtung Innenstadt. Ein dicker Mercedes fährt vor, ein Brautpaar steigt aus dem Wagen. Sie trägt ein schneeweißes Kleid, er einen dunklen Anzug – und beide tragen sie im Gesicht ein angespanntes Lächeln. Die Frischvermählten haben Freunde und einen Fotografen im Schlepptau, gemeinsam marschiert die Gruppe zur Kasse. Die Fotos sollen in einem der barocken Zimmer mit den hohen Decken und der prunkvollen Einrichtung geschossen werden.

Fotoshooting für Brautpaare

Auf dem Schlosshof steht eine Frau mit extrem hohen High Heels, etwas unbeholfen hält sie das Gleichgewicht und telefoniert. Ein älterer Herr hat Platz genommen auf einem Stuhl draußen vor dem Café Schlosswache, er will sich offensichtlich nur kurz ausruhen. Marcus Herzau steht am Eingang zum Café, in dem er seit zwei Jahren arbeitet. „Im Moment ist fast nichts los bei uns“, sagt er und berichtet, dass das Geschäft aber richtig brumme, sobald es wärmer sei. Der Restaurantfachmann stammt aus Sachsen-Anhalt, seit rund 15 Jahren lebt er im Ländle. Baden-Württemberg, sagt er, gefalle ihm sehr gut, speziell das Nahverkehrssystem sei super. Der Mann, Ende 20, wohnt mitten in Ludwigsburg, „eine klasse Stadt“. Nette Menschen, viele Kunden des Cafés grüßten überschwänglich, wenn man sich zufällig treffe.

An der Kasse verkauft Renate Steinfeld die Tickets, auch an das Brautpaar. So ein Fotoshooting kostet 140 Euro, dafür bekommen die Paare und bis zu vier Begleitpersonen 90 Minuten Zeit und einen Schlossmitarbeiter zur Seite gestellt, der sagt, wo es lang geht und wo nicht. Renate Steinfeld arbeitet seit acht Jahren im Schloss, vorher war die Botnangerin bei der Stadt Stuttgart beim Einwohnermeldeamt angestellt. Sarah Erdmann hat an diesem Nachmittag die Oberaufsicht, ihr Job heißt wirklich so. Sie ist dafür verantwortlich, dass alle Besucher reibungslos ins Schloss kommen – und wieder raus. Die 37-Jährige aus Stuttgart erzählt, dass sie und ihre Kollegen bei einer Privatfirma angestellt seien, das Unternehmen arbeite bundesweit und habe sich als Dienstleister für Museen einem Namen gemacht.

Der Herr über rund 2000 Schlüssel

An einem durchschnittlichen Tag kämen rund 500 Besucher in das Ludwigsburger Schloss, erzählt Frau Erdmann, an Spitzentagen im Sommer bis zu 1200. Ein Mann fragt an der Kasse, ob er schon Karten für das Blühende Barock, den Schlossgarten, kaufen könne. „Ab 17. Februar“, antwortet Renate Steinfeld. Bis zum 17. März sei der Eintritt aber eh noch frei.

Ein paar Schritte von der Kasse entfernt sitzt Andreas Ernst in der Schlosswache, die rund um die Uhr besetzt ist. Herr Ernst und seine Kollegen beobachten auf Bildschirmen was sich im und um das Schloss herum tut. „Wir haben 33 Kameras“, sagt der 63-jährige Mann, der ebenfalls in Stuttgart wohnt. Er habe Zimmermann gelernt, aber auch schon als Dachdecker und als Altenpfleger gearbeitet. Jetzt ist er unter anderem für die rund 2000 Schlüssel verantwortlich, die Zugang gewähren zum Schloss und in dessen etwa 450 Zimmer.

Gegen 13.30 Uhr beginnen zwei Führungen durchs Schloss, eine in deutscher Sprache, eine auf Englisch. Eine Mutter mit Tochter aus Urbach und deren Austauschschüler Max aus Australien warten auf die Englisch-Tour. Der junge Mann von Down Under müsse das Ludwigsburger Schloss sehen, sagt die Gastmutter. Der Kontakt zur Familie von Max bestehe schon lange, „seine Großeltern haben meinen Mann, als der jung war, in Australien aufgenommen“. Ebenfalls auf die Führung auf Englisch warten eine Tunesierin und deren Verwandte, die in Stuttgart leben, sowie eine 29-jährige Russin, die zurzeit in Deutschland ist, weil ihr Mann sich hier habe operieren lassen. „Egal wo ich hin fahre“, sagt sie, „ich gucke mir immer die Schlösser an“.

Als Kind fast täglich im Schloss gewesen

Die Schlossführung auf Deutsch macht Sibylle Kirschler-Nickerl. Sie kennt das Schloss wie die sprichwörtliche Westentasche und erzählt, dass sie schon als Kind fast täglich im Schloss gewesen sei. Ihr Vater habe in dem Prachtbau als Bildhauer gearbeitet und Figuren restauriert. Später habe sie im Buchhandel gearbeitet, jetzt sei sei als Schlossführerin fest angestellt, arbeite etwa 60 Stunden im Monat.

Und los geht die etwa einstündige Tour durch die Gemächer des Herzogs und die Lokalhistorie. Frau Kirschler-Nickerl hat acht Gäste im Schlepptau. Immer wieder treffen die Teilnehmer der Schlossführung die Braut und ihren Bräutigam, die vor der Kamera des Fotografen posen. An diesem Samstag hätten elf Paare Tickets für so ein Fotoshooting gebucht, hat die Kassierin vorhin gesagt. Samstag für Samstag kämen bis zu 25 Paare. Es sei auch möglich, im Schloss zu heiraten, evangelisch, katholisch und standesamtlich.

Beim Blick aus einem der vielen Fenster in Richtung Stuttgart erklärt die Schlossführerin, dass man immer nur geradeaus laufen müsste, dann käme man beim Schloss Solitude an. „Können wir machen“, sagt eine Teilnehmerin zu ihren Freund. Das Paar ist kürzlich aus Paris, wo sie studiert hat, nach Stuttgart gezogen. Sie stammt aus Kassel, mit ihrem französischen Freund wohne sie in der Nähe von Schloss Solitude , arbeitet als Lehrerin und sagt: Baden-Württemberg gefalle ihr gut. Warum? „Wegen der Nähe zu Frankreich.“