Jochen Cornelius-Bundschuh (links) und Frank Otfried July Foto: dpa/Christoph Schmidt

Vor 200 Jahren haben sich in Baden Lutheraner und Reformierte zusammengeschlossen. Es könnte ein Vorbild für das ganze Land sein, ist es aber nicht.

Karlsruhe - Kein Klatschen, keine geheime Wahl, keine Kampfabstimmung: es war ein fünfminütiges feierliches Schweigen, das die Kirchenfusion besiegelte. „Sachen des Glaubens und Gewissens“ ließen sich nicht durch Abstimmung entscheiden, hatte der Präsident der Generalsynode Carl Christian Freiherr von Berckheim zuvor erklärt. Doch niemand hatte zu diesem Zeitpunkt noch etwas einzuwenden. Es ist die Geburtsstunde der badischen Landeskirche, in der sich fortan sowohl Lutheraner als auch Reformierte zu Hause fühlen sollten – „gleich hochherzig und gleich begeistert für die Wahrheit des Evangeliums“, wie es hieß. Im Jahr 2021 wird die Union 200 Jahre alt.

Die Gründungsurkunde, aus deren Präambel das Zitat stammt, ist nicht mit dickem Siegel versehen und nicht mit Goldrand verziert. Statt in geschwungenen Buchstaben erschien ihr Text in sachlicher Druckschrift im staatlichen Amtsblatt. Tatsächlich kam die Kirchenvereinigung in einer Zeit, in der es noch keine Trennung von Kirche und Staat gab, einem hoheitlichen Akt nahe. Dem Großherzog, zugleich Kirchenoberhaupt, war die Entwicklung recht. Nicht ohne Grund hatte er schon 1807 einen in Karlsruhe ansässigen gemeinsamen Oberkirchenrat bilden lassen.

Badens Fläche verzehnfachte sich

Durch die napoleonische Neuordnung war Württemberg zum Königreich aufgestiegen, doch Badens Zugewinn war besonders kräftig. Die Fläche verzehnfachte sich. Zu Württemberg kam das katholische Oberschwaben, doch es blieb bei einer protestantischen Mehrheit. Der evangelische Großherzog aus Karlsruhe-Durlach war hingegen im eigenen Land plötzlich Angehöriger einer Minderheit. Zwei Drittel seiner Landeskinder waren römisch-katholisch, und das evangelische Drittel war sich nicht einig. Die meisten waren Lutheraner, die neu hinzugekommene Kurpfalz hatte aber auch evangelisch-reformierte Tradition.

Aus dem Mannheimer und Heidelberger Bürgertum ging die Initiative zur Bildung einer echten Kirchenunion aus. „Der Anstoß kam aus der Mitte der Gesellschaft“, sagt der heutige Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh – auch wenn das einfache Kirchenvolk kaum mitreden durfte. Entscheidend war aber auch eine „bestimmte Konstellation von Persönlichkeiten“, glaubt der Heidelberger Kirchenhistoriker Christoph Strohm. Die Männer an der Spitze des paritätisch besetzten Oberkirchenrats, darunter der Dichter und Universalgelehrte Johann Peter Hebel, konnten gut miteinander.

Die Badener erarbeiteten ein gemeinsames Bekenntnis

Einige Jahre zuvor war in Preußen eine Verwaltungsunion gegründet worden. Die Badener gingen einen erheblichen Schritt weiter. Sie arbeiteten ein gemeinsames Bekenntnis aus. Was heute noch das Verhältnis zur katholischen Kirche belastet, war damals nämlich auch unter Protestanten ein Problem: die unterschiedlichen Auffassungen zum Abendmahl. Für Lutheraner war Christus in Wein und Brot leiblich anwesend, für Reformierte war es nur ein Symbol. Man einigte sich auf eine Anwesenheit im geistigen Sinne.

Die badische Union sei besser gelungen als anderswo, sagt der Historiker Strohm. Die damalige Kompromissfähigkeit sei Ausgangspunkt für das Engagement in der Ökumene und in der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) gewesen. Vor allem aber bewies sie, dass die unterschiedlichen Auffassungen in der Abendmahlslehre kein unüberwindbares Hindernis unter Protestanten sein müssen. Es dauerte allerdings noch bis 1973, ehe eine europaweite Abendmahlsgemeinschaft unter Protestanten möglich wurde.

Die Baden-Württemberg-Kirche ist in weiter Ferne

Seither wäre dieser Punkt also auch kein Gegensatz mehr zur lutherisch orientierten Landeskirche in Württemberg. Trotzdem ist eine evangelische Baden-Württemberg-Kirche in weiter Ferne. Als der Vorsitzende des Finanzausschusses der württembergischen Landessynode, der Sielminger Pfarrer Tobias Geiger, jüngst von einer möglichen Fusion mit Baden sprach, war das vor allem als Drohung gemeint, um die württembergischen Synodalen auf ein „Sparen ohne Tabus“ einzustimmen. Eigentlich reiche eine Zusammenarbeit in Teilbereichen, verriet Geiger. „Es gibt viele Doppelstrukturen.“

Die Badener sehen es nicht anders – und kooperieren im Übrigen lieber mit der unierten Landeskirche in der Pfalz. Vor allem die starke pietistische Tradition der Württemberger ist ihnen nicht geheuer. Für eine Fusion habe es bisher auch keine Notwendigkeit gegeben, sagt der Historiker Strohm. Einen Zusammenschluss mit den Württembergern werde es frühestens am jüngsten Tag „und dann auch erst am Nachmittag“ geben, lautet ein Bonmot des jüngst verstorbenen frühere Landesbischofs Ulrich Fischer. Sein Nachfolger denkt schon in wesentlich kürzeren Fristen. Für die Baden-Württemberg-Frage, so Cornelius-Bundschuh anlässlich des Unionsjubiläums, werde sich gewiss eine Lösung finden, „irgendwann in den kommenden 200 Jahren“..