Charakteristische Kulisse: das Bärenschlössle an einem Frühlingswochenende 2017 Foto: Lichtgut/Oliver Willikonsky

Vor 200 Jahren ließ König Wilhelm I. das Bärenschlössle errichten. Seinerzeit war es den Herrschenden vorbehalten. Heute strömen Massen von Ausflüglern dorthin. Was macht seinen Reiz aus?

Stuttgart - Dieser Text beginnt mit einer Behauptung. Es wird behauptet, annähernd jeder, der ihn liest, war schon mal am Bärenschlössle, hat die Bronze-Bären fotografiert oder ist sogar auf einem gesessen. Vermutlich als Kind. Doch auch Erwachsene können nicht widerstehen. Von 1964, dem Jahr, in dem das im Krieg zerstörte Bärenschlössle wiedereröffnet wurde, existiert ein Foto, das einen vollschlanken Herrn mit Sonnenbrille zeigt, der winkend auf einem der beiden Bären sitzt: Es war der damalige baden-württembergischen Finanzminister Hermann Müller, aus dessen Kasse das Geld für den Wiederaufbau stammte (160 000 Mark) ebenso für den Guss der beiden bekannten Bären (je 10 000 Mark) nach einem Vorgänger-Bären von 1863, der heute noch beim Forsthaus im Schattengrund steht.

 

Unter den vielen Spaziergängern, Wanderern, Sportlern, Verliebten, die schon mal vor den Bären am Bärenschlössle standen oder auf ihnen saßen, sind nicht wenige, die sich einen Bären aufbinden ließen. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass es hier früher echte Bären gegeben habe. Die gab es nicht, was der Faszination des Ortes jedoch nichts nimmt.

In Wahrheit entstiegen die „Bären“ etymologisch dem Bernhardsbach, der in den Bärensee unterhalb des Bärenschlössles fließt. Nach einer anderen Erklärung besteht eine sprachliche Verwandtschaft mit den als „Bären“ bezeichneten Deckschweinen, die hier gehalten wurden. Die „Bärenhöhle“ in der Senke vor dem Schlössle, war demzufolge ein Unterstand der Hirten.

So erzählt Jürgen Unmüßig die Geschichte, nachdem er sich auf Wunsch des Fotografen vor einem der Bären – wo sonst? – hat ablichten lassen. Unmüßig, 49, ist Pächter des Bärenschlössles. Seit 20 Jahren schon – sein persönliches Jubiläum. Zuvor hatten seine Mutter und dann sein Stiefvater das Schlössle bewirtschaftet. Es begann mit einer „Vesperstube im kühlen Sockelgeschoss“, wie die Stuttgarter Presse bei der Eröffnung schrieb, damals, als der Finanzminister Müller auf dem Bären ritt und verkündete: „Das Bärenschlössle ist jetzt für alle da – und nicht nur wie früher großkopfeten Gästen vorbehalten.“

Das Geschäft hängt stark vom Wetter ab

Die Großkopfeten? Dazu gleich mehr. Kommen wir erstmal unserer Verabredung mit Jürgen Unmüßig nach und lassen uns mit ihm an einem der Holztische vor dem Bärenschlössle nieder. „Guten Morgen!“ an einem Frühlingstag im April. Zartes Grün streckt sich überall der Sonne entgegen, die ersten Spaziergänger umkreisen das Bärenschlössle auf der Suche nach dem schönsten Fleckchen.

Auf der Wiese hinter den beiden Eichen, die ihr 200-Jahr-Jubiläum längst hinter sich haben und in die „Absterbephase“ eingetreten sind, wie eine Tafel erklärt, hat sich eine Hundeschule zum Unterricht versammelt. Alles Bobtails. „Sitz!“, „Platz!“ Das Bellen übertönt die Vogelstimmen. Wäre das Treffen gewerblich, wäre es verboten. „Die Vorschriften sind streng“, sagt Unmüßig. Er kennt jede Naturschutzregel, jeden Baum, jede Morgenstimmung, jede Abendstimmung, jeden Stammgast. Eigentlich alles hier. Er ist Mister Bärenschlössle. Zusammen mit seiner Frau, 18 Angestellten und 45 Aushilfen, meist Studenten, treibt er den Betrieb um. Das Geschäft hängt stark vom Wetter ab, auch die Personalplanung. Wetterberichte sind seine Pflichtlektüre. Er liest täglich mehrere.

Jürgen Unmüßig ist mit dem Bärenschlössle buchstäblich verwurzelt. Seine ersten drei Lebensjahre verbrachte er in der nahen Wildmeisterei, wo sein Großvater Revierförster war. Schon als Jugendlicher half er in der Vesperstube mit – wie heute seine 17-jährigen Söhne. Nach seiner Konditorlehre stand er vor der Wahl: einen Job in einem Luxushotel in Saudi-Arabien oder das Bärenschlössle. Wüste oder Wald. Er entschied sich für den Wald und hat es nie bereut, obwohl das Geschäft hart ist, wie er sagt. Zwölf-Stunden-Tage sind bei ihm die Regel. Seit einem Jahr gibt es zumindest einen Ruhetag, den Montag. Zum Schutz langjähriger Mitarbeiter. Denn: „Gutes Personal ist immer schwieriger zu finden.“ Das aber sei wichtig, „um für die Gäste verlässlich zu sein“. Der Satz passt zu seinem Auftreten: ruhig, schwäbisch, bescheiden.

Die Gastronomie ist indes nur ein Kapitel in der langen Geschichte des Schlössles am See. Der heutige Bau ist bereits der Vierte an dieser Stelle. Die eigentliche Geschichte des Bärenschlössles beginnt 1768. Damals, im ausklingenden Rokoko beschloss ein berühmt-berüchtigter Großkopferter, Herzog Karl Eugen, Erbauer der drei Kilometer entfernten Solitude, an dieser Stelle ein Jagdschlösschen hinzustellen. Es entstand ein zweigeschossiger ovaler Bau oberhalb des bereits früher angelegten Bärensees. Aus dieser Zeit existiert eine Radierung des württembergischen Hofmalers Nikolaus Heideloff. Sie zeigt die „Grande Chasse“, das „grose Pracht Jagen“ von 1782, vermutlich das größte Spektakel, das jemals am Bärenschlössle stattgefunden hat.

Ein riesiges Spektakel

Der Kunsthistoriker Michael Wenger, ein exzellenter Kenner jener Zeit, spricht von einer „einzigartigen Inszenierung“ mit venezianischen Gondeln, Tausenden Lichtern und szenischen Darstellungen. Um den russischen Großfürsten Paul und dessen Gattin Maria Feodorowna zu beeindrucken, die damals auf Europareise waren, setzte Karl Eugen sämtliche Hebel in Bewegung – wie ein irrer Kulissenschieber. Alles war auf Show angelegt. Im Hofdiarium, einem Art Tagebuch, ist das Geschehen vom 24. September 1782 festgehalten. Demnach begeisterte sich die Hofgesellschaft von einem Ausblick am anderen Seeufer aus „an dem in panischer Flucht die Terrassen am Schlössle niederrennenden Wild, das gezwungen wurde, den See zu durchschwimmen“, berichtet Wenger. Die Ehefrau Herzog Karl Eugens, Franziska von Hohenheim, schrieb in ihr Tagebuch: „Es war manifig an zu sehen.“ Entgegen anderlautender Berichte fiel bei dieser Jagd kein Schuss. Vielmehr ließ man das Wild – um die 5000 Tiere – „bald henaus“.

Schönes Detail dieser Geschichte: Ein gewisser Friedrich Schiller nutzte den Beginn der Festivitäten auf der Solitude am 22. September für seine Flucht nach Mannheim. Bei Zuffenhausen, so Wenger, kreuzte Schillers Kutsche die Solitude-Allee. Von dort blickten die Flüchtenden auf das Schloss, das „sich in einem Feuerglanze zeigte“, wie Schillers Freund Johann Andreas Streicher notierte.

So groß das Spektakel war, so schnell war alles vorbei. 35 Jahre später schrieb König Wilhelm I. die bröckelnde Solitude zum Verkauf aus. Doch niemand wollte sie haben. Auch Karl Eugens Bärenschlössle verfiel. Der König ließ es 1817 abtragen – exakt vor 200 Jahren – und an seiner Stelle einen achteckigen Pavillon errichten, der ursprünglich in Freudental stand. Zwei kleine Seitenflügel kamen neu hinzu – auch das eine Form des Kulissenschiebens. In Wahrheit sparte man Kosten. Eigentlich war an ein repräsentatives Jagdschloss gedacht.

Eine bewegte Historie

Die Zeiten hatten sich geändert. Die Epoche der grenzenlosen feudalen Selbstinszenierung war vorbei. Was blieb, war die Faszination der Herrschenden für die Jagd. Wilhelm I. wird als leidenschaftlicher Jäger beschrieben, „der alles abknallte, was ihm vor die Flinte kam“ (Wenger). Der württembergische König vergrößerte den Wildpark, platzierte kleine Jagdhäuser im Gelände und ließ alles einzäunen. Ein königlicher Sperrbezirk für Schaujagden entstand; das Volk musste draußen bleiben. Später wurde Eintritt verlangt. Erst mit Ende des Königreichs 1918 wurde der Rotwildpark frei zugänglich.

1937, unter den Nazis, sperrte man den Park wieder ab, das Bärenschlössle wurde zu einem Gästehaus für Großkopfete umfunktioniert. 1943 zerstörte eine Brandbombe den wilhelminischem Pavillon. Danach tat sich lange nichts, bis das Bärenschlössle 1963 auf vielfachen, immer lauter gewordenen Wunsch neu entstand – mit einer offenen Halle auf dem Sockel. 1964 Jahr öffnete die Imbissstube, samt öffentlichen Toiletten. Doch auch das dritte Schlössle war nicht von Dauer. Im November 1994 fiel es einer Brandstiftung zum Opfer. Das Land entschloss sich rasch zum Wiederaufbau – jetzt weitgehend originalgetreu. Drei Jahre später erstrahlte das Bärenschlössle in seiner heutigen Form, die große Ähnlichkeit mit dem Bau von vor 200 Jahren hat.

Was bringt die Zukunft?

Seitdem strömen die Massen. Jung und Alt. Das Bärenschlössle im Rotwildpark ist Stuttgarts bevorzugtes Naherholungsziel geworden. Eine Art Märchenwald, der an Wochenenden an ein Bild August Mackes erinnert: „Das Gartenrestaurant“ – nur dass die Besucher heute keine Melonen tragen. Apropos Maler. Selten ist einer anzutreffen. Die modellierte Natur böte jede Menge Motive. Dafür gibt’s Angler. Frühmorgens sitzen sie am Bärensee und verharren, als seien sie Teil der Landschaft.

Die Bobtails bellen immer noch. Jürgen Unmüßig denkt gerade über die Frage nach, welches Geheimnis des Bärenschlössles noch nicht gelüftet worden ist. Nach kurzer Pause sagt er: „Dass man hier nicht Millionär werden kann.“ Auch wenn viele meinten, es müsse eine Goldgrube sein.

Nächstes Jahr stehen Renovierungsarbeiten an. Bei der Gelegenheit schlägt Unmüßig eine Neuerung vor. Er wünscht sich einen E-Bus Shuttle. Speziell für Gehbehinderte. Das Bärenschlössle soll für alle erreichbar werden. Nicht nur für Großkopferte wie früher und für Leichtfüßige von heute. Es muss ja nicht jeder auf einem Bären reiten. Hauptsache man kommt hin.

Unter den vielen Spaziergängern, Wanderern, Sportlern, Verliebten, die schon mal vor den Bären am Bärenschlössle standen oder auf ihnen saßen, sind nicht wenige, die sich einen Bären aufbinden ließen. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass es hier früher echte Bären gegeben habe. Die gab es nicht, was der Faszination des Ortes jedoch nichts nimmt.

In Wahrheit entstiegen die „Bären“ etymologisch dem Bernhardsbach, der in den Bärensee unterhalb des Bärenschlössles fließt. Nach einer anderen Erklärung besteht eine sprachliche Verwandtschaft mit den als „Bären“ bezeichneten Deckschweinen, die hier gehalten wurden. Die „Bärenhöhle“ in der Senke vor dem Schlössle, war demzufolge ein Unterstand der Hirten.

So erzählt Jürgen Unmüßig die Geschichte, nachdem er sich auf Wunsch des Fotografen vor einem der Bären – wo sonst? – hat ablichten lassen. Unmüßig, 49, ist Pächter des Bärenschlössles. Seit 20 Jahren schon – sein persönliches Jubiläum. Zuvor hatten seine Mutter und dann sein Stiefvater das Schlössle bewirtschaftet. Es begann mit einer „Vesperstube im kühlen Sockelgeschoss“, wie die Stuttgarter Presse bei der Eröffnung schrieb, damals, als der Finanzminister Müller auf dem Bären ritt und verkündete: „Das Bärenschlössle ist jetzt für alle da – und nicht nur wie früher großkopfeten Gästen vorbehalten.“

Das Geschäft hängt stark vom Wetter ab

Die Großkopfeten? Dazu gleich mehr. Kommen wir erstmal unserer Verabredung mit Jürgen Unmüßig nach und lassen uns mit ihm an einem der Holztische vor dem Bärenschlössle nieder. „Guten Morgen!“ an einem Frühlingstag im April. Zartes Grün streckt sich überall der Sonne entgegen, die ersten Spaziergänger umkreisen das Bärenschlössle auf der Suche nach dem schönsten Fleckchen.

Auf der Wiese hinter den beiden Eichen, die ihr 200-Jahr-Jubiläum längst hinter sich haben und in die „Absterbephase“ eingetreten sind, wie eine Tafel erklärt, hat sich eine Hundeschule zum Unterricht versammelt. Alles Bobtails. „Sitz!“, „Platz!“ Das Bellen übertönt die Vogelstimmen. Wäre das Treffen gewerblich, wäre es verboten. „Die Vorschriften sind streng“, sagt Unmüßig. Er kennt jede Naturschutzregel, jeden Baum, jede Morgenstimmung, jede Abendstimmung, jeden Stammgast. Eigentlich alles hier. Er ist Mister Bärenschlössle. Zusammen mit seiner Frau, 18 Angestellten und 45 Aushilfen, meist Studenten, treibt er den Betrieb um. Das Geschäft hängt stark vom Wetter ab, auch die Personalplanung. Wetterberichte sind seine Pflichtlektüre. Er liest täglich mehrere.

Jürgen Unmüßig ist mit dem Bärenschlössle buchstäblich verwurzelt. Seine ersten drei Lebensjahre verbrachte er in der nahen Wildmeisterei, wo sein Großvater Revierförster war. Schon als Jugendlicher half er in der Vesperstube mit – wie heute seine 17-jährigen Söhne. Nach seiner Konditorlehre stand er vor der Wahl: einen Job in einem Luxushotel in Saudi-Arabien oder das Bärenschlössle. Wüste oder Wald. Er entschied sich für den Wald und hat es nie bereut, obwohl das Geschäft hart ist, wie er sagt. Zwölf-Stunden-Tage sind bei ihm die Regel. Seit einem Jahr gibt es zumindest einen Ruhetag, den Montag. Zum Schutz langjähriger Mitarbeiter. Denn: „Gutes Personal ist immer schwieriger zu finden.“ Das aber sei wichtig, „um für die Gäste verlässlich zu sein“. Der Satz passt zu seinem Auftreten: ruhig, schwäbisch, bescheiden.

Die Gastronomie ist indes nur ein Kapitel in der langen Geschichte des Schlössles am See. Der heutige Bau ist bereits der Vierte an dieser Stelle. Die eigentliche Geschichte des Bärenschlössles beginnt 1768. Damals, im ausklingenden Rokoko beschloss ein berühmt-berüchtigter Großkopferter, Herzog Karl Eugen, Erbauer der drei Kilometer entfernten Solitude, an dieser Stelle ein Jagdschlösschen hinzustellen. Es entstand ein zweigeschossiger ovaler Bau oberhalb des bereits früher angelegten Bärensees. Aus dieser Zeit existiert eine Radierung des württembergischen Hofmalers Nikolaus Heideloff. Sie zeigt die „Grande Chasse“, das „grose Pracht Jagen“ von 1782, vermutlich das größte Spektakel, das jemals am Bärenschlössle stattgefunden hat.

Ein riesiges Spektakel

Der Kunsthistoriker Michael Wenger, ein exzellenter Kenner jener Zeit, spricht von einer „einzigartigen Inszenierung“ mit venezianischen Gondeln, Tausenden Lichtern und szenischen Darstellungen. Um den russischen Großfürsten Paul und dessen Gattin Maria Feodorowna zu beeindrucken, die damals auf Europareise waren, setzte Karl Eugen sämtliche Hebel in Bewegung – wie ein irrer Kulissenschieber. Alles war auf Show angelegt. Im Hofdiarium, einem Art Tagebuch, ist das Geschehen vom 24. September 1782 festgehalten. Demnach begeisterte sich die Hofgesellschaft von einem Ausblick am anderen Seeufer aus „an dem in panischer Flucht die Terrassen am Schlössle niederrennenden Wild, das gezwungen wurde, den See zu durchschwimmen“, berichtet Wenger. Die Ehefrau Herzog Karl Eugens, Franziska von Hohenheim, schrieb in ihr Tagebuch: „Es war manifig an zu sehen.“ Entgegen anderlautender Berichte fiel bei dieser Jagd kein Schuss. Vielmehr ließ man das Wild – um die 5000 Tiere – „bald henaus“.

Schönes Detail dieser Geschichte: Ein gewisser Friedrich Schiller nutzte den Beginn der Festivitäten auf der Solitude am 22. September für seine Flucht nach Mannheim. Bei Zuffenhausen, so Wenger, kreuzte Schillers Kutsche die Solitude-Allee. Von dort blickten die Flüchtenden auf das Schloss, das „sich in einem Feuerglanze zeigte“, wie Schillers Freund Johann Andreas Streicher notierte.

So groß das Spektakel war, so schnell war alles vorbei. 35 Jahre später schrieb König Wilhelm I. die bröckelnde Solitude zum Verkauf aus. Doch niemand wollte sie haben. Auch Karl Eugens Bärenschlössle verfiel. Der König ließ es 1817 abtragen – exakt vor 200 Jahren – und an seiner Stelle einen achteckigen Pavillon errichten, der ursprünglich in Freudental stand. Zwei kleine Seitenflügel kamen neu hinzu – auch das eine Form des Kulissenschiebens. In Wahrheit sparte man Kosten. Eigentlich war an ein repräsentatives Jagdschloss gedacht.

Eine bewegte Historie

Die Zeiten hatten sich geändert. Die Epoche der grenzenlosen feudalen Selbstinszenierung war vorbei. Was blieb, war die Faszination der Herrschenden für die Jagd. Wilhelm I. wird als leidenschaftlicher Jäger beschrieben, „der alles abknallte, was ihm vor die Flinte kam“ (Wenger). Der württembergische König vergrößerte den Wildpark, platzierte kleine Jagdhäuser im Gelände und ließ alles einzäunen. Ein königlicher Sperrbezirk für Schaujagden entstand; das Volk musste draußen bleiben. Später wurde Eintritt verlangt. Erst mit Ende des Königreichs 1918 wurde der Rotwildpark frei zugänglich.

1937, unter den Nazis, sperrte man den Park wieder ab, das Bärenschlössle wurde zu einem Gästehaus für Großkopfete umfunktioniert. 1943 zerstörte eine Brandbombe den wilhelminischem Pavillon. Danach tat sich lange nichts, bis das Bärenschlössle 1963 auf vielfachen, immer lauter gewordenen Wunsch neu entstand – mit einer offenen Halle auf dem Sockel. 1964 Jahr öffnete die Imbissstube, samt öffentlichen Toiletten. Doch auch das dritte Schlössle war nicht von Dauer. Im November 1994 fiel es einer Brandstiftung zum Opfer. Das Land entschloss sich rasch zum Wiederaufbau – jetzt weitgehend originalgetreu. Drei Jahre später erstrahlte das Bärenschlössle in seiner heutigen Form, die große Ähnlichkeit mit dem Bau von vor 200 Jahren hat.

Was bringt die Zukunft?

Seitdem strömen die Massen. Jung und Alt. Das Bärenschlössle im Rotwildpark ist Stuttgarts bevorzugtes Naherholungsziel geworden. Eine Art Märchenwald, der an Wochenenden an ein Bild August Mackes erinnert: „Das Gartenrestaurant“ – nur dass die Besucher heute keine Melonen tragen. Apropos Maler. Selten ist einer anzutreffen. Die modellierte Natur böte jede Menge Motive. Dafür gibt’s Angler. Frühmorgens sitzen sie am Bärensee und verharren, als seien sie Teil der Landschaft.

Die Bobtails bellen immer noch. Jürgen Unmüßig denkt gerade über die Frage nach, welches Geheimnis des Bärenschlössles noch nicht gelüftet worden ist. Nach kurzer Pause sagt er: „Dass man hier nicht Millionär werden kann.“ Auch wenn viele meinten, es müsse eine Goldgrube sein.

Nächstes Jahr stehen Renovierungsarbeiten an. Bei der Gelegenheit schlägt Unmüßig eine Neuerung vor. Er wünscht sich einen E-Bus Shuttle. Speziell für Gehbehinderte. Das Bärenschlössle soll für alle erreichbar werden. Nicht nur für Großkopferte wie früher und für Leichtfüßige von heute. Es muss ja nicht jeder auf einem Bären reiten. Hauptsache man kommt hin.