Kleine Störenfriede: Zwergfledermäuse wie diese statteten einer Wohnung im Stuttgarter Osten einen Besuch ab. Foto: dpa

20 Federmäuse flattern in ein Wohnzimmer – Polizei fängt Eindringlinge und lässt sie am Max-Eyth-See frei.

Stuttgart - So viele Gäste hatte Frau Marlene F. noch nie in ihrem Wohnzimmer. Erst zählte sie zwei Fledermäuse, tags darauf war es nur noch eine, am dritten Tag schließlich hingen ungefähr 20 Tierchen in den Gardinen. Die Polizei setzte der Hausbesetzung ein sanftes Ende.

Eigentlich ist auch in der Ostendstraße die Zeit der Hausbesetzungen seit vielen Jahren vorbei. Doch in der Tierwelt hat sich diese Nachricht noch nicht herumgesprochen.

Als Frau F. (Name geändert) am vergangenen Samstagabend in ihrem Wohnzimmer saß, flatterten plötzlich zwei Fledermäuse um sie herum. „Sie flogen so schnell und so elegant, so etwas habe ich noch nie gesehen“, sagt Frau F. „Ich habe das Fenster geöffnet und gehofft, dass sie wegfliegen. Aber sie haben sich versteckt.“

Am Sonntagmorgen saß eine der Fledermäuse auf dem Fensterbrett und flog, als Frau F. ihr Wohnzimmer betrat, widerwillig weg. „Sie wollte aber mehrmals durch das geschlossene Fenster zurück.“ Am Montagmorgen wollte Frau F. die verbliebene Fledermaus auf ähnliche Weise loswerden. Als sie ihr Wohnzimmer betrat, war aber die Überraschung groß. „Ich traute meinen Augen nicht“, erinnert sich Frau F., „im Vorhang hingen über zehn schwarze Knoten.“

Mitarbeiterin des Freundeskreises der Schlossfledermäuse Tübingen nennt das Verhalten der Tiere ungewöhnlich

Den ersten Gedanken, einen Schädlingsbekämpfer zu rufen, verwarf Frau F. rasch. „Bekämpfen, das ist ein so schreckliches Wort.“ Als sie sich im örtlichen Polizeirevier Rat holen wollte, erlebte sie eine angenehme Überraschung. „Zwei freundliche Herren haben mich begleitet und die Fledermäuse behutsam eingefangen.“ Die Hälfte der Tiere flog zuvor im Wohnzimmer ein paar hektische Runden, die anderen krochen noch tiefer in ihre Verstecke. Zwei Feldermäuse hatten sich in einer Wolljacke, die an der Tür hing, verkrochen.

Die Polizisten nahmen die etwa 20 Zwerg- oder Mückenfledermäuse in einem Pappkarton mit. Nach Rücksprache mit Fledermausspezialisten in Tübingen wurden die Tiere bis zum Abend im kühlen Keller des Reviers aufbewahrt. Um 21.30 Uhr erlebten die Tiere dann ihre hoffentlich letzte Fahrt mit dem Batmobil. Ein Polizeifahrzeug brachte die Fledermäuse an den Max-Eyth-See, wo sie nach der Freilassung sofort davonflatterten.

Eine Mitarbeiterin des Freundeskreises der Schlossfledermäuse Tübingen nennt das Verhalten der Tiere in der Ostendstraße ungewöhnlich. Der Gruppe von Jungtieren sei vermutlich die erwachsene Erzieherin abhandengekommen. Ohne diese erfahrene Führerin habe sich wohl ein neugieriges Jungtier ins Wohnzimmer verirrt. „Dabei sind Wohnungen für Fledermäuse viel zu unruhig“, sagt die Expertin. Zwergfledermäuse wiegen nur drei bis fünf Gramm, erreichen aber eine Flügelspannweite von 20 Zentimetern. Jedes Tier kann pro Nacht mehrere Tausend Stechmücken fressen.

„Ruhe bewahren, das Licht ausmachen und das Fenster öffnen“

Wer in seiner Wohnung ungebetenen Besuch von Fledermäusen bekommt, soll ein paar einfache Regeln einhalten, rät die Expertin: „Ruhe bewahren, das Licht ausmachen und das Fenster öffnen.“ Wenn die Tiere nach Anbruch der Dunkelheit ausgeflogen sind, einfach das Fenster wieder schließen.

Nicht nur Privatpersonen, auch die Polizei ist vor Besuchen der kleinen Vampire nicht sicher. Am Montag, 23. Juli, hatte sich morgens eine kleine Fledermaus in der Poststelle des Polizeipräsidiums an der Holzdecke festgekrallt. Der herbeigerufene Hausmeister ging professionell vor. Mit Handschuhen steckte er das Tier in die Meerschweinchentransportbox seiner Kinder. Abends ließ er die Fledermaus frei. Nach Polizeiangaben saß das Tier noch eine Weile auf einem Liegestuhl, bevor es spurlos verschwand.