„Man wird nicht untreu, nur weil man ein Tuch trägt oder einen Turban“, sagt Fereshta Ludin.Fereshta Ludin bei ihrem Auftritt in Stuttgart Foto: dpa

Vor 20 Jahren trat die Lehrerin Fereshta Ludin eine bundesweite Debatte los, als sie dagegen klagte, nicht mit Kopftuch unterrichten zu dürfen. Wie denkt sie heute darüber?

Stuttgart - Es ist immer noch sehr aufwühlend für sie, das wird deutlich, wenn sie spricht. „Elend habe ich mich gefühlt, würdelos“, sagt Fereshta Ludin. Fast auf den Tag genau ist es 20 Jahre her, dass sie eine deutschlandweite Debatte lostrat. Denn Ludin durfte 1998 nicht als Lehrerin an einer baden-württembergischen Schule arbeiten. Nicht, weil sie nicht ausreichend qualifiziert war, sondern weil sie sich weigerte, ihr Kopftuch während des Unterrichts abzulegen. Ein Umstand, gegen den sie sich als erste Frau in Deutschland auflehnte. Bis vor das Bundesverfassungsgericht zog sie mit ihrer Klage – und scheiterte. Sie durfte nicht unterrichten, außerdem führten mehrere Bundesländer nach dem Urteil Verbote ein.

Heute arbeitet Ludin an einer privaten Schule in Berlin. „Ich bin glücklich. Trotzdem belastet mich immer noch das Gefühl, dass ich nicht das machen kann, was ich eigentlich wollte.“ Denn Lehrerin im Staatsdienst, wie sie es geplant hatte, ist sie nicht. „Baden-Württemberg ist für mich persönlich die Symbolfigur für Diskriminierung geworden“, beschreibt sie ihre Erfahrungen im Land.

Ludin wünscht sich deutlichere Signale für Vielfalt und Weltoffenheit

Das Thema ist ein Dauerbrenner. Erst im Mai wurde einer Lehrerin in Berlin untersagt, mit Kopftuch an einer Grundschule zu arbeiten. Sie verstieß gegen das dort geltende Neutralitätsgesetz, urteilten die Richter. Zwar gilt ein Urteil des Bundesverfassungsgericht von 2015 als richtungsweisend. Die Richter in Karlsruhe kippten damals ein pauschales Verbot des Kopftuchs. Es darf mit Kopftuch unterrichtet werden, sofern das friedliche Zusammenleben an der Schule nicht gefährdet ist. Dennoch bedeutet das nicht, dass die Lage überall gleich ist. Denn jedes Bundesland beantworte die Frage, was eine „Gefährdung des friedlichen Zusammenlebens“ ist, anders. In Berlin etwa ist die Regelung strenger als in Baden-Württemberg, wo es mittlerweile Lehrerinnen gibt, die mit Kopftuch arbeiten.

Das Urteil am Verfassungsgericht sei eine sehr positive Entwicklung gewesen, findet Fereshta Ludin. Dennoch wünscht sie sich deutlichere Signale des Staates für Vielfalt und Weltoffenheit. „Es ist schade, dass wir immer noch über das Thema reden müssen.“ Denn das Tragen eines Kopftuchs bedeutet für sie nicht, dass sie den Kindern automatisch ihre Werte und Vorstellungen auftragen wollte. „Das Kopftuch ist kein politisches Statement oder Zeichen für Protest und Abgrenzung.“

Für Lehrerverband ist das Kopftuch an Schulen tabu

Der deutsche Lehrerverband sieht das anders und bezieht eindeutig Position gegen das Kopftuch bei Lehrpersonen. „Das Kopftuch sollte an den Schulen tabu sein“, fordert Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger. Bei Lehrerinnen mit Kopftuch würde eine Einflussnahme stattfinden, auch wenn sie sich sonst ausnahmslos korrekt verhalten würden. „Mit dem Kopftuch trägt man seine Religion demonstrativ voran.“

Jede Muslima habe unterschiedliche Gründe dafür, das Kopftuch zu tragen, sagt Fereshta Ludin. Dabei gehe es auch nicht zwangsläufig darum, die Haare vor Männerblicken zu schützen. Und: In den allermeisten Fällen sei es eine freiwillige Entscheidung der Frauen, das Kopftuch zu tragen. „Viele Frauen fühlen sich wohler und schön mit dem Kopftuch und spüren eine größere Nähe zum Schöpfer.“ Sie fühlten sich als Teil der Gesellschaft und weigerten sich, immer noch als Fremde angesehen zu werden.

Konflikt ist ein Dauerbrenner

Grundlage des immer wieder aufkommenden Konflikts ist die Trennung von Staat und Religion. Lehrkräfte als Repräsentanten des Staates müssen neutral sein. Dem gegenüber steht das Grundrecht auf Religionsfreiheit und das Verbot religiöser Diskriminierung beim Zugang zu öffentlichen Ämtern. Hinzu kommt, dass das Recht der Lehrer auf Religionsfreiheit mit dem gleichen Recht der Schüler kollidieren kann, weil sie dem Kopftuch als religiösem Symbol nicht ausweichen können.