Theaterplakat für Goethes Faust im Cluss-Garten Foto: StN

Cluss-Garten-Macherin Christiane Wolff erklärt die Faszination der Ludwigsburger Bühne

Der Ludwigsburger Theatersommer, gegründet und geleitet von Peter Kratz und Christiane Wolff, feiert in diesem Jahr im Cluss-Garten sein 20-Jahr-Jubiläum. Eröffnet wird die Saison an diesem Donnerstag mit der Uraufführung einer Bühnenfassung von Woody Allens Filmklassiker "Purple Rose Of Cairo".

Frau Wolff, was reizt Sie an der Theaterbearbeitung von "Purple Rose Of Cairo"?

Wir freuen uns schon sehr auf die Szene, wenn Tom Baxter aus der Leinwand heraussteigt. Wie das funktioniert, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Der Aufbau sieht aus wie ein wunderschönes Freiluftkino mit einer Bühne auf der Bühne, auf der die Schauspieler live einen Kinofilm spielen.

Wie sehr prägt das 20-Jahr-Jubiläum den Spielplan?

Unser Motto heißt ja in diesem Jahr "Ein Freilicht-Theaterfestival in fünf Akten", das bedeutet fünf Produktionen, eine mehr als üblich. Die Zusatzproduktion "Ronja Räubertochter" ist für die Sieben- bis Zwölfjährigen gedacht, ich inszeniere das nicht so kindlich wie sonst üblich. Und es gibt zusätzlich in dieser Saison ein Theaterfest mit einer großen Tortenschlacht.

Wie kam es zu der zusätzlichen Produktion?

Dank einer Sonderförderung des Landes konnten wir 2009 erstmals auch vormittags Theater für die Schulen anbieten. Die Nachfrage nach der "Momo"-Inszenierung war sehr groß. Probenbedingt mussten wir dazu ein eigenes Ensemble einstellen. Nun können wir noch mehr Vorstellungen anbieten. So können wir erstmals mit "Urmel aus dem Eis" zwei Produktionen für die Jüngeren anbieten. Die Sonderförderung läuft insgesamt drei Jahre.

Die Besucherzahlen sind in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich gestiegen, von kleinen Einbrüchen abgesehen. Ist das Wetter also kein Hinderungsgrund?

Die Leute lieben unser Theater. Im Jahrhundertsommer 2003 hatten wir mit "Diener zweier Herren" einen immensen Publikumszuspruch. Erfahrungsgemäß ist es so, wenn der Juni eine Katastrophe ist, läuft es im August ganz toll, das rettet die Bilanz. Wir gehen davon aus, dass 25 Prozent der Vorstellungen wegen schlechten Wetters ausfallen. Meist liegen wir etwas darunter. Am schlimmsten ist es, wenn das Kindertheater ausfällt, die Kinder sind immer furchtbar traurig. Wir haben die Aufführungstermine dichter gemacht. So sind es in diesem Jahr 99 geplante Vorstellungen, das sind etwas mehr als sonst.

"Es ist eine feine und kleine Sache"

Welche Produktionen kommen am besten an?

Shakespeares "Sommernachtstraum" ist in mehreren Inszenierungen und Wiederaufnahmen das beliebteste Stück mit knapp 10.000 Zuschauern. Danach folgt Schillers "Kabale und Liebe". Der Klett-Verlag war von unserer Bearbeitung überzeugt und hatte diese den Informationsmaterialien für Lehrer beigelegt, da kamen viele Schulklassen. Zu "Arsen und Spitzenhäubchen" gab es ein immens gutes Wetter, sechs Wochen lang waren die Vorstellungen ausverkauft. An vierter Stelle der Publikumsfavoriten steht Molieres "Geiziger" mit 6500 Zuschauern.

Wie wichtig ist die Musik in den Produktionen?

Sie ist immens wichtig, und mit John King haben wir einen ganz herausragenden Bühnenmusiker, der international sehr gefragt ist. Bei uns hat er "Faust", "Steppenwolf" und "Der Process" gemacht, das sind unheimlich schöne Arbeiten. Aber auch in anderen Produktionen ist die Musik sehr wichtig. Denn es gibt bei uns keinen Vorhang, und es ist nie wirklich still. Die Musik stellt Stimmungen her und unterstützt Intensität. Auch beim Kindertheater kommen viele auf uns zu und loben die Musik.

Was hat sich an der Konzeption in den vergangenen 20 Jahren geändert?

Durch den kontinuierlichen Erfolg und unsere gewachsene Erfahrung werden die Produktionen immer größer. Grundsätzlich ist es unsere Konzeption, möglichst große Stücke mit möglichst wenig Leuten zu machen. So entsteht eine hohe Dichte mit viel Wärme. Anfangs waren wir zu uns da sehr streng, dass jeder eine sinnvolle Kombination von Doppelrollen spielt. Auf diese Weise wird die Psychologie einzelner Charaktere vielfältiger, und es entstehen neue Sehweisen. Üblicherweise werden solche Stücke nicht mit nur vier oder fünf Schauspielern besetzt. Hesses "Steppenwolf" durfte lange nicht aufgeführt werden, dann war die Uraufführung in Wien an der Volksbühne mit 25 Schauspielern, wir haben das zu dritt gemacht. Das gilt auch für Komödien wie den "Diener zweier Herren". Inzwischen ist aus der Not eine Tugend geworden. Im Film "Purple Rose Of Cairo" tauchen 20 bis 30 Figuren auf, wir spielen das mit fünf Schauspielern.

Erinnern Sie sich noch an die Anfänge?

Vor 20 Jahren war der Garten eine richtige Wildnis, durch die man kaum durchkam. Nur in der Mitte war eine kleine Lichtung, und wir haben beschlossen, genau dort Theater zu machen. 1900 Zuschauer kamen im ersten Jahr zu "Venus und Adonis", gerade mal 80 Zuschauer konnten eine Vorstellung sehen. Zunächst war das ein Geheimtipp, später hat sich das in Stuttgart herumgesprochen. Nach fünf Jahren gab es die Landesförderung, von da an ging es steil bergauf. Inzwischen ist jeder Zentimeter im Garten durchkultiviert, genutzt und gepflegt. Wir haben ja aus England die Technik importiert, mit der sich die mit Efeu überwachsenen toten Bäume erhalten lassen, die sonst üblicherweise gefällt werden. Da entstehen unheimliche Skulpturen, die den Garten prägen.

Gab es denn mal Überlegungen eines Umzugs oder eines Ausbaus?

Mit 11.500 Zuschauern wie im vergangenen Jahr ist der Garten sehr gut ausgelastet, das kann die Infrastruktur gerade noch meistern. Es ist so wunderschön und einmalig - wo gibt es sonst noch ein Freilufttheater mitten in der Stadt mit so viel Grün? Das ist wie ein Urlaubsabend. Wir sind froh, wenn wir weitermachen können wie gehabt. Ich glaube, auch die Stadt Ludwigsburg ist sehr froh, dass dieser Ort so genutzt wird. Ein Umzug steht also nicht an, da würde viel kaputt gehen, es ist ja sehr intim für Freilufttheater. Maximal 250 Besucher können pro Aufführung kommen, das ist ein ganz nahes Theatererlebnis. Es ist eine feine und kleine Sache.