Zuhause in der Sprache und Kultur zweier Länder: die Wagenburg-Schüler der deutsch-französischen Abteilung. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Vor 20 Jahren haben am Wagenburg-Gymnasium die ersten Schüler das deutsche Abitur und das französische Baccalauréat in einem Zug abgelegt. Anlässlich des Jubiläums vereinbarten Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) und die Kanzlerin der Universités d’Alsace eine noch engere Zusammenarbeit.

Stuttgart - Schon jetzt passt zwischen die Wagenburgschüler kein Blatt Papier, egal, ob sie Französisch mit deutschem oder Deutsch mit französischem Akzent sprechen. Die Unterschiede verschwimmen, so gut funktioniert der bilinguale Unterricht in der deutsch-französischen Abteilung. Wichtig ist an diesem Morgen in dieser Sporthalle das Gemeinsame.

Die Kanzlerin der Universités d’Alsace, Sophie Béjean, und Patrice Brand von der Partnerschule in Saverne sowie Schüler und Lehrer sind aus Frankreich angereist, um hier den Deutsch-Französischen Festtag zu feiern. Er fiel diesmal mit einem Schuljubiläum zusammen: Vor 20 Jahren haben die ersten 14 Schüler Baden-Württembergs am Wagenburg-Gymnasium das Abibac, das deutsche Abitur und das französische Baccalaureat in einem Zug abgelegt. Heute ist aus der ehemaligen Pilotschule ein Aushängeschild geworden, eine Partnerschule für Europa, an der in diesem Jahr 315 Schüler in der deutsch-französischen Abteilung unterrichtet werden; 203 davon sind französischsprechend.

Zugang zum Denken beider Länder

„Der Elysée-Vertrag hat den Grundstein für Freundschaft und Frieden in Europa gelegt“, so Landeskultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) in ihren Grußworten. Dies sei allerdings nicht ausschließlich Aufgabe der Politik, sondern auch die der Menschen. „20 Jahre Abibac sind ein konkretes Beispiel für gelebte Freundschaft, das Wagenburg-Gymnasium trägt in besonderer Weise zu einem gemeinsamen europäischen Verständnis bei.“

Sophie Béjean wies darauf hin, dass der Unterricht in Literatur, Geschichte und Geographie sich für den gemeinsamen Weg besonders anbiete: „Literatur ermöglicht den Zugang zum Denken beider Länder. Geschichte und Geographie schaffen den erklärenden Kontext.“ Künftig werde man die gemeinsame Lehrerausbildung ins Zentrum rücken, so Eisenmann. Zu diesem Zweck unterzeichneten die Bildungspolitikerinnen eine Absichtserklärung.

353 Schüler haben seither das Abibac abgelegt, „verbunden mit wesentlich mehr Unterrichtsstunden, mehr Lernbereitschaft und mehr Arbeitsaufwand für die Kollegen“, so Schulleiterin Petra Wagner. „Wir hatten als Pilotschule sehr viel Arbeit am Anfang“, sagt Claudia Wielandt, Leiterin der deutsch-französischen Abteilung. „Wir haben uns damals in den Sommerferien selbst Materialien für den Unterricht zusammenstellen müssen, es gab keine Lehrbücher“, bestätigt Regine Bürkle-Kuhn, die ihre Schüler nun auch seit 20 Jahren in Geschichte, und zwar in französischer Sprache, unterrichtet. Inzwischen helfe das Internet, aber Material in französischer Sprache über deutsche Geschichte zu verbinden, sei heute noch eine „Herausforderung“.

Fest bis in den Abend

Stefan Aykut (36), Ex-Wagenburg-Schüler, schwankt in seiner Einschätzung, ob das Abibac „Anachronismus oder unersetzlich“ ist. Heute könne sich jeder Abiturient an jeder französischen Uni einschreiben, „aber mit Abibac kreuzen sich Lebenslinien, das ist das Wichtigste“, sagt er. Lisa Choueri (18) macht bald Prüfung und kommt trotz Mehrstunden zu einem positiven Schluss: „Die Sicht auf die Dinge ändert sich.“

Mit pfiffigen Schülersketchen, einer literarisch-musikalischen Aufführung der Klasse 8c und französischen Künstlern, mit Konzerten, Gästen aus der Kommunalpolitik und aus den 17 weiteren Abibac-Gymnasien in Baden-Württemberg ist das Jubiläum am Wagenburg-Gymnasium bis in den Abend hinein gefeiert worden, auch in dem Bewusstsein, dass viele Absolventen inzwischen Verantwortung für Europa übernehmen.