Thomas Müller und Mario Gomez bejubeln den Treffer zum 2:0 für die DFB-Elf. Foto: dpa

Mit einem Sieg bricht Weltmeister Deutschland zur EM nach Frankreich auf. Im letzten Härtetest setzt Löw größtenteils auf seine Weltmeister, was dem deutschen Spiel mehr Struktur verleiht. Auch Kapitän Bastian Schweinsteiger ist zurück.

Gelsenkirchen - Die EM-Lust ist geweckt. Fußball-Weltmeister Deutschland meldet sich mit einer gelungenen Generalprobe gegen Ungarn bereit für die Titeljagd in Frankreich. Auch wenn für die letzte Vorbereitungswoche vor dem ersten Gruppenspiel am 12. Juni gegen die Ukraine noch einige Feinarbeit bleibt, zeigten Mario Götze und Co. beim 2:0 (1:0)-Sieg am Samstag gegen Ungarn acht Tage vor Turnierbeginn deutlich aufsteigende Form. Ein Eigentor von Adam Lang (39. Minute) und ein Treffer von Torjäger Thomas Müller (64.) versetzte die 52 104 Zuschauer in der Arena auf Schalke und Millionen deutsche Fans vor den TV-Geräten in Europameisterschafts-Vorfreude. Das 20-Minuten-Comeback von Kapitän Bastian Schweinsteiger rundete den Hoffnung machenden Abend in Gelsenkirchen ab.

Liveticker

 

„Die Testphase ist für uns vorbei. Wir wollen zeigen, dass wir bereit sind“, hatte Löw vor dem letzten EM-Härtetest angekündigt und wurde auch bestätigt. Mit neun Weltmeistern in der Startelf zeigte sich die DFB-Auswahl deutlich strukturierter und organisierter als noch sechs Tage zuvor beim 1:3 gegen die Slowakei, wenngleich die Chancenverwertung aber noch ausbaufähig ist.

Hier geht es zu unserer Themenseite zur Fußball-EM

Vielversprechend ging es vor rund 50 000 Zuschauern in der Arena auf Schalke los, Schiedsrichter Martin Strömbergsson spielte jedoch nicht mit. Schon nach 56 Sekunden zappelte der Ball nach einer schönen Kombination von Götze auf Julian Draxler im Netz des ungarischen Tores, doch der schwedische Referee erkannte zu Unrecht auf Abseits, obwohl Draxler beim Pass mehr als einen Meter hinter dem Gegenspieler stand.

Draxler auf der linken Außenbahn und Götze als sogenannte „falsche Neun“ besetzten zwei der vier noch vakanten Positionen in Löws EM-Mannschaft. Und die beiden Youngster wussten zu punkten. Draxler war in seiner alten Heimat sehr engagiert und an einigen Aktionen beteiligt. Götze, der zunächst vor dem klassischen Mittelstürmer Mario Gomez den Vorzug erhielt, überzeugte durch seine Lauf- und Spielfreude. Der WM-Held von Rio war entsprechend auch an weiteren Tormöglichkeiten beteiligt wie bei seinem abgeblockten Schuss (3.) oder einem Kopfball (30.).

Götze erzwang auch das Eigentor von Lang, der nach einem schönen Spielzug über Mesut Özil, Draxler und Jonas Hector vor Götze den Ball über die Linie beförderte (39.). Zuvor hatte aber Hector knapp im Abseits gestanden. Das Tor war zu diesem Zeitpunkt des Spiels trotzdem längst überfällig. Wieder einmal war die deutsche Mannschaft verschwenderisch mit ihren Möglichkeiten umgegangen. So entschärfte der frühere Bundesliga-Keeper Gabor Kiraly, der bei der EM mit 40 Jahren zum ältesten Spieler der Turnier-Geschichte aufsteigen kann, noch einen Distanzschuss von Müller (11.). Bei der anschließenden Ecke setzte Antonio Rüdiger einen Kopfball völlig frei neben das Tor.

Schweinsteiger kommt in der 68. Minute auf den Platz

Der Ex-Stuttgarter Rüdiger, der zum fünften Mal in Serie in der Startelf stand, scheint das Rennen um den zweiten Platz in der Innenverteidigung neben Abwehrchef Jérôme Boateng gemacht zu haben - zumindest solange Mats Hummels (Muskelfaserriss) noch ausfällt. Etwas Sorgen gab es um Boateng, der zweimal am Spielfeldrand behandelt wurde. Auf der rechten defensiven Außenbahn hat derweil der Schalker Benedikt Höwedes die besten Karten.

Auch wenn sich das Geschehen in den ersten 45 Minuten fast ausnahmslos in der ungarischen Hälfte abspielte, blieben die vom Deutschen Bernd Storck trainierten Gäste nicht ohne Torchance. Ein Schuss von Kapitän Balazs Dzsudzsak konnte Manuel Neuer nur nach vorne abklatschen lassen (14.). Dazu tauchte einmal Bundesligaprofi Adam Szalai gefährlich vor dem deutschen Tor auf, als Rüdiger nicht aufpasste (27.).

Die zweite Halbzeit nutzte Löw auch, um noch einige taktische und personelle Alternativen zu testen. Mesut Özil rückte nach der Auswechslung von Sami Khedira neben Champions-League-Sieger Toni Kroos ins defensive Mittelfeld. Dafür wechselte Götze auf die Zehn, während Gomez als klassische Spitze aufgeboten wurde. Und Emre Can durfte sich als Linksverteidiger anstelle von Hector versuchen. Danach kam André Schürrle für Draxler ins Spiel.

Am Spiel änderte sich aber nichts. Die DFB-Auswahl dominierte und das Schiedsrichter-Gespann war weiter nicht auf der Höhe. Wie beim zweiten deutschen Tor, als Gomez im Abseits stand. Dessen Kopfball konnte Kiraly noch abwehren, beim Nachschuss war aber Müller zur Stelle und zog mit dem 32. Länderspiel-Tor seiner Karriere mit Klaus Fischer gleich (64.).

In der 68. Minute kam schließlich auch Kapitän Schweinsteiger nach zwei schweren Knieverletzungen zum Comeback. 76 Tage nach seinem letzten Pflichtspiel für Manchester United wurde der Mittelfeldspieler mit lautem Beifall begrüßt. Wie vom nun 115-maligen Nationalspieler selbst gewünscht, bekam er rund 20 Minuten Wettkampfpraxis. Auch sein langjähriger Weggefährte Lukas Podolski bekam einige Minuten Einsatzzeit.

Reaktionen zum 2:0-Sieg gegen Ungarn

Bundestrainer Joachim Löw: „Der Sieg gibt Stabilität und ein gutes Gefühl. Es war auch wichtig, zu Null zu spielen. Die Mannschaft hat sich ein Stück weit gefunden und sehr konzentriert gearbeitet. Ein paar Dinge müssen wir aber noch nachjustieren. Es gibt keine Wunschelf. Wir brauchen alle Spieler während des Turniers. Einige müssen noch etwas nachholen.“

Toni Kroos: „Es war ein vernünftiger Test. Wir haben den Ball gut laufen gelassen und hinten wenig zugelassen. Das war absolut in Ordnung.“

Jérôme Boateng: „Wir haben sehr gut angefangen, den Ball gut laufen gelassen und uns Torchancen erarbeitet. Wir haben besser gespielt als zuletzt. Wir können zufrieden sein. Ich bin behandelt worden, weil mein Nerv auf den Muskel gedrückt hat. Es ging aber zum Glück.“

Bastian Schweinsteiger: „Für 30 oder vielleicht auch 45 Minuten reicht es, für 90 Minuten eher nicht. 2014 konnte ich in der WM-Vorbereitung nichts machen, jetzt ging schon mehr.“