Die Menschen gehen immer noch aus, dafür aber günstiger. Besonders hochpreisige Gastronomie muss daher umplanen. Foto:  

Seit einem Monat muss die Gastronomie wieder 19 anstatt 7 Prozent Mehrwertsteuer zahlen. Wirte aus dem Kreis Ludwigsburg sind noch zurückhaltend mit Preiserhöhungen, doch die scheinen unvermeidlich.

Frank Land ist ein optimistischer Wirt, egal zu welcher Tageszeit begrüßt der 35-Jährige seine Gäste in der Besigheimer Marktwirtschaft mit einem breiten Lächeln. Die Rückkehr von der sieben zur 19-Prozent-Mehrwertsteuer zu Beginn des Jahres macht jedoch auch ihn nachdenklich. „Die zwölf Prozent Differenz müssen wir irgendwie anders reinbekommen“, sagt Land und ergänzt: „Beim À-la-carte-Geschäft haben wir keine Preiserhöhungen, den Mittagstisch haben wir nur leicht erhöht. Essen darf kein Luxus sein.“

 

In dem Zwiespalt zwischen Preisanpassungen und der Empathie für den Gast befinden sich auch andere Restaurants wie die Schwabenstuben in Freiberg oder Imbisse wie die Veggi Station in Ludwigsburg. Sie rühren in den ersten Wochen der „neuen alten“ Mehrwertsteuer ihre Preise kaum an. Obwohl sie wissen, dass damit am Ende weniger für sie übrig bleibt. Der Branchenverband Dehoga erklärt, was der Gastro nun droht – und räumt mit einem angeblichen Trugschluss auf.

Trend geht zum preisgünstigen Restaurantbesuch

Seine Preise bleiben erst einmal stabil, sagt Orhan Kalkan, Betreiber der Veggi Station in der Ludwigsburger Wilhelmstraße. „Ich habe Sorge, dass ich weitere Kunden verliere.“ Seit den Preissteigerungen seien seine Kunden zurückhaltender, „davor haben viele Leute sich gegenseitig zum Essen eingeladen – jetzt sind die Gäste nicht mehr so locker“, beobachtet Kalkan. In dieser Situation auch noch die Preise zu erhöhen, könne er sich aktuell nicht vorstellen. „Gleichzeitig sind wir an der Grenze. Wir kämpfen, die Frage ist, wie lange noch.“

Auch die Schwabenstuben im Freiberger Zentrum geben die Zwölf-Prozent-Differenz nicht an die Gäste weiter – zumindest so lange das noch geht. „Wir gucken uns jetzt den Januar an und vergleichen ihn mit dem Vorjahr“, sagt Inhaberin Pia Neuberth. Auch die Schwabenstuben haben Sorge, Gäste zu verlieren. „Ich habe das Gefühl, dass die Menschen weiterhin essen gehen, aber günstiger“, sagt Pia Neuberth. Betriebe im mittleren und hohen Preissegments wie die Schwabenstuben hätten es deswegen noch mal etwas schwerer, sagt Neuberth.

Der Hotel- und Gaststättenverband Baden-Württemberg (Dehoga) beobachtet die Situation mit Sorge. Preiserhöhungen seien wegen der Mehrwertsteuer in fast allen Betrieben, die Speisen vor Ort anbieten, unvermeidlich, sagt Pressesprecher Daniel Ohl. Alles andere würde die Betriebe nur weiter in Bedrängnis bringen. Die Lage sei schon vorher angespannt gewesen, sagt Ohl – wegen Konsumzurückhaltung, gestiegener Lebensmittel- und Personalkosten.

Laut einer aktuellen, deutschlandweiten Dehoga-Umfrage blicken 20 Prozent der Betriebe zuversichtlich auf ihre Geschäftsentwicklung, 5,8 Prozent geben sich optimistisch. Demgegenüber stehen 41 Prozent, die ihre Entwicklung als „verhalten“ einschätzen, 21 Prozent beurteilen diese „eher negativ“, zwölf Prozent sind „pessimistisch“.

19 Prozent doch sinnvoll?

Die Dehoga schlägt also weiterhin Alarm. Während der Pandemie mussten laut dem Verband über 5000 Betriebe in Baden-Württemberg aufgegeben, im Kreis Ludwigsburg sank die Zahl an Gaststätten von 1206 auf 987. Viele von ihnen würden Öffnungszeiten einschränken. „Man sollte sich nicht vom Anblick voll besetzter Gasthäuser in die Irre führen lassen“, sagt Ohl. Die Restaurants seien aktuell auch deswegen so gut besucht, weil weniger Angebote auf eine ähnliche hohe Nachfrage treffe.

Ob die Rückkehr auf 19 Prozent so unfair ist, wie es die Dehoga darstellt, bleibt umstritten. Die Forscher des Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW halten die Rückkehr beispielsweise für ökonomisch sinnvoll und sozial gerecht. Dem ZEW zufolge begünstigte der verringerte Steuersatz eher wohlhabende und kinderlose Haushalte, weil diese häufiger Restaurants besuchen würden. Zudem treffen Herausforderungen wie Inflation und Arbeitskräftemangel auch andere Branchen – die würden jedoch auch keine Unterstützung bekommen. Die Gastro muss ihren Teil leisten, lässt sich die ZEW-Botschaft zusammenfassen.

Ob gerechtfertigt oder nicht, die Rückkehr zu den 19 Prozent hat Folgen. Beispielsweise könnten Betriebe ihre Karte modifizieren, sagt Ohl. Aufwendige und teure Gerichte wie ein Rinderfilet könnten von vielen Menüs fliegen. Denn das rechne sich nicht mehr. Zweitens könnten mehr Betriebe ihre Öffnungszeiten weiter verringern. „Ein Gastronom meinte kürzlich zu mir, dass er 80 Prozent der Umsätze in 20 Prozent der Öffnungszeiten mache.“ Weniger Öffnungszeiten würden zwar der Wahrnehmung schaden, seien aber teils alternativlos, so Ohl.

Der Besigheimer Wirt Frank Land will trotz der Herausforderungen ein optimistischer Wirt bleiben. „Die Leute gehen auch essen, um ihren Alltag zu entfliehen – da sollte der Wirt nicht dauernd meckern.“ Trotz der Herausforderungen macht ihm der Job immer noch Spaß, „ich kann mir nicht vorstellen, irgendetwas anderes zu machen“.

Wer hat die Deutungshoheit über die 19-Prozent-Mehrwertsteuer?

Bundesregierung
Um die Gastronomie während der Pandemie zu entlasten, war der Steuerersatz für Speisen in Restaurants vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden. Die Regelung wurde mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende 2023. Für die Bundesregierung war die Rückkehr zur 19 Prozent eine Rückkehr zur Normalität.

Dehoga
 Der Branchenverband kämpfte lange um eine weitere Verlängerung der sieben Prozent. Da die Restaurants bereits unter Druck stünden, sei eine Rückkehr zu den 19 Prozent für viele Betriebe tödlich. Zudem, so ein Argument der Dehoga, haben fast alle europäischen Nachbarn eine niedrigere Gastro-Mehrwertsteuer als Deutschland.