Tag Eins der neuen Legislaturperiode: Der 18. Bundestag hat sich konstituiert. Norbert Lammert wird als Präsident bestätigt. Er bekommt sechs Stellvertreter - dagegen protestieren Grüne und Linke. Die Union und die SPD beginnen am Mittwoch mit ihren Koalitionsverhandlungen.

Berlin - Einen Monat nach der Bundestagswahl ist die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nur noch geschäftsführend im Amt.

Der neue Bundestag traf sich am Dienstag zu seiner ersten Sitzung und bestätigte den CDU-Politiker Norbert Lammert mit einem Rekordergebnis als Parlamentspräsident. Am Mittwoch beginnen die schwarz-roten Verhandlungen mit dem Ziel einer großen Koalition. Die alte Regierung führt die Geschäfte so lange weiter, bis eine neue steht.

Es ist die dritte Amtszeit Lammerts als Bundestagspräsident. Für den 64-Jährigen stimmten 591 der 625 anwesenden Abgeordneten. Er zeigte sich beeindruckt von dem Votum und sagte, er sehe dies als "Ermutigung und Verpflichtung". Zugleich mahnte er die Abgeordneten, ihre Rechte wie Pflichten ernsthaft wahrzunehmen. "Wir sind alle gewählt, nicht gesalbt." Laut Verfassung seien die Volksvertreter nur ihrem Gewissen verpflichtet und an Weisungen nicht gebunden. Dem neuen Bundestag gehören 631 Abgeordnete an.

Künftig sechs Stellvertreter

Lammert hat künftig sechs Stellvertreter - einen mehr als bisher. Die meisten Stimmen erhielt bei der Wahl am Dienstag Edelgard Bulmahn (SPD), gefolgt von Ulla Schmidt (SPD), Petra Pau (Linke), Peter Hintze (CDU), Johannes Singhammer (CSU) und Claudia Roth (Grüne). Linke und Grüne kritisierten die Abmachung von Union und SPD, jeweils zwei Vizepräsidenten statt wie zuletzt nur einen zu stellen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte: "Man handelt schon als Koalition und dealt um Posten. Das akzeptieren wir nicht."

Unmittelbar vor der konstituierenden Sitzung des Bundestages ersuchte Bundespräsident Joachim Gauck die Kanzlerin, die Regierungsgeschäfte bis zur Bestimmung der Nachfolge weiterzuführen. Nach Artikel 69 des Grundgesetzes endet das Amt des Bundeskanzlers oder eines Ministers mit der Zusammenkunft eines neuen Bundestages.

Am Nachmittag waren die Kanzlerin und das scheidende schwarz-gelbe Kabinett zu Gauck ins Schloss Bellevue geladen, um die Entlassungsurkunden entgegen zu nehmen. Für die fünf bisherigen FDP-Minister um Parteichef Philipp Rösler wird es kein Zurück auf die Regierungsbank geben - die Minister der Union dürfen noch hoffen.

Union und SPD beginnen Koalitionsverhandlungen

Union und SPD beginnen am Mittwoch ihre Koalitionsverhandlungen. In zwölf Arbeitsgruppen sollen die Eckpunkte des künftigen Regierungsprogramms formuliert werden. Zu den Arbeitsgruppen kommen noch vier Untergruppen. Die Führung der insgesamt 16 Gremien soll paritätisch zwischen Union und SPD besetzt werden. Unter den 75 Mitgliedern der Hauptgruppe sind 27 von der CDU, 18 von der CSU und 30 von der SPD. Sollten die Verhandlungen ins Stocken geraten, werden sich die drei Parteivorsitzenden Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) unter sechs Augen treffen.

Als ältester Abgeordneter im Parlament hatte der CDU-Politiker Heinz Riesenhuber (77) die erste Sitzung des neuen Bundestages eröffnet. Er dankte den ausscheidenden FDP-Abgeordneten für ihre Arbeit zum Wohl der Demokratie. Die Liberalen waren bei der Wahl am 22. September an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert.

Die Grünen kündigten einen Antrag an, nach dem der Bundestag im Fall einer großen Koalition die Minderheitenrechte der Opposition stärken soll. Lammert sagte, bei einem schwarz-roten Bündnis solle geklärt werden, ob Geschäftsordnung und gesetzliche Regelungen zur Gewährleistung der Minderheitenrechte angepasst werden müssten. Alle Fraktionen hätten grundsätzlich Bereitschaft dazu erklärt.

Hintergrund ist, dass die Oppositionsfraktionen von Linken und Grünen gemeinsam gegen eine große Koalition nach derzeitigen Regeln wenig Rechte hätten. Sie haben nur noch 20 Prozent der Mandate. Das Grundgesetz schreibt aber vor, dass etwa für einen Untersuchungsausschuss 25 Prozent der Stimmen notwendig sind. Die Linke fordert eine Verfassungsänderung.