Thüringens CDU-Landeschef Mike Mohring und AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke – mindestens 17 Christdemokraten sind der Meinung, dass die Beiden miteinander reden sollten. Foto: dpa/Martin Schutt

Die CDU-Bundespartei hat vor knapp einem Jahr den eindeutigen Beschluss gefasst, dass es keinerlei Zusammenarbeit mit der AfD oder der Linkspartei geben wird – aber in Erfurt wollen sich eine Reihe von Parteifunktionären nicht daran halten.

Berlin - Für die politische Konkurrenz ist es ein gefundenes Fressen, dass Teile der Thüringer CDU wenig auf Ansagen aus dem Berliner Konrad-Adenauer-Haus geben und nach der jüngsten Landtagswahl trotzdem in Gespräche mit der AfD eintreten wollen. „Die Brandmauer nach rechts kriegt in der Union immer und immer mehr Risse“, ließ SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil verlauten. Für einen glaubwürdigen Kampf gegen den Rechtsextremismus müsse Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer „zuallererst ihren Laden in den Griff bekommen“, teilte Jan Korte von der Linkspartei mit.

Anlass ist ein von 17 Thüringer CDU-Funktionsträgern unterzeichneter Brief. Die AfD wird darin zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Allerdings passt die Aussage zur Regierungsbildung, wonach „fast ein Viertel der Wählerstimmen bei diesen Gesprächen außen vor bleiben sollen“, nur auf die Partei des Spitzenkandidaten Björn Höcke, die vor zehn Tagen auf 23,4 Prozent gekommen war. Gefordert wird in dem Schreiben an den Landesvorstand auch keine Koalition – sie wird vielmehr als „unmöglich“ bezeichnet, doch müsse „alles dazwischen unter Demokraten besprochen werden können, um auszuloten, ob und wie in Thüringen eine stabile Regierung gebildet werden kann“. Gespräche sollten „ergebnisoffen“ geführt werden.

Neu ist diese Haltung in den ostdeutschen Landesverbänden nicht. Schon vor einem Jahr hatte der damalige Brandenburger CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben angekündigt, aus Respekt vor Teilen der Wählerschaft auch Gespräche mit AfD und Linkspartei führen zu wollen, falls ihm der Auftrag zur Bildung einer Regierung zufalle. Senftleben, der als Spitzenkandidat nur 15,6 Prozent der Stimmen für die Christdemokraten holte, ist inzwischen zurückgetreten. Die Debatte über den Umgang mit den Parteien am linken und rechten Rand dagegen entbrennt neu. So fordert auch Alexander Mitsch von der konservativen Gruppierung Werteunion, „dass wir mit allen im Landtag vertretenen Parteien Gespräche über politische Inhalte und Lösungsvarianten führen“.

Es soll in der CDU auch Überlegungen für eine Minderheitsregierung geben

Schon direkt nach der Wahl hatten sowohl Kramp-Karrenbauer wie auch Generalsekretär Paul Ziemiak erklärt, dass die komplizierten Mehrheitsverhältnisse in Thüringen nichts an der Gültigkeit des Parteitagsbeschlusses aus dem vergangenen Jahr änderten. „Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab“, hatten die Delegierten in Hamburg entschieden. Umso größer ist nun die Verärgerung darüber, dass sich eine Reihe von Parteimitgliedern nicht an den Beschluss gebunden fühlen. Als „irre“ bezeichnete Ziemiak den Vorstoß in einer ersten Reaktion. Am Dienstagnachmittag legte er nur wenig moderater nach: „Ich halte die Debatte über eine Zusammenarbeit mit der AfD in Thüringen für absurd. Die AfD sät Hass und versucht unser Land zu spalten“, so der Generalsekretär: „Der Beschluss des Bundesparteitages bindet alle, insbesondere die in der Partei Verantwortung haben.“

Thüringens Landeschef Mike Mohring hatte nach der Wahl angekündigt, ein Gesprächsangebot des mit 31 Prozent der Wählerstimmen belohnten Ministerpräsidenten Bodo Ramelow von der Linkspartei nicht ausschlagen zu wollen. Es soll aber, obwohl die CDU mit 21,8 Prozent nur auf dem dritten Platz landete, auch Überlegungen für eine Minderheitsregierung geben, wobei Mohring bei der Ministerpräsidentenwahl auf Stimmen der AfD angewiesen sein könnte. In diese Richtung hatte sich Mohrings Vize Michael Heym geäußert. Landesgeneralsekretär Raymond Walk versuchte am Dienstag, die Debatte wieder einzufangen: „Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU gilt.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schaltete sich am Dienstag in die Debatte um Gespräche mit Ramelow von der Linkspartei ein. „Einfach mal abwarten – vielleicht will er mit uns ja auch gar nicht sprechen“, sagte sie dem „Spiegel“. Falls doch, so Merkel, „sollte man ihm das nicht verweigern, er ist schließlich Ministerpräsident“. Dies hätte im Sinne des Parteitagsbeschlusses jedoch mit Koalitionen und Zusammenarbeit „nichts zu tun“.