Heute gibt es sie wieder – Kaugummi-Automaten: Im Zuge der Retrowelle kehren die Metallkästen mit den vielen bunten Kugeln zurück – mit einem sich wohlig-warm anfühlenden Stück Kindheit im Gepäck. Foto: dpa/Wikipedia commons

Es ist nur ein Stück Masse im Mund, und doch ist es bis in die letzten Winkel der Zivilisation vorgedrungen. Mal als Pose, mal als Retter in der Not wurde das Kaugummi zum Begleiter unseres Lebens.

New York/Stuttgart - Zu behaupten, das Kaugummi hätte den Lauf der Welt verändert, wäre vielleicht zu hoch gegriffen. Doch hat es sich zweifellos an die Fersen der Menschheitsgeschichte geheftet – vielmehr geklebt – und ist fortan weder wegzukriegen noch wegzudenken.

Ein Meilenstein seiner Geschichte war der 27. Juli 1869, vor genau 150 Jahren, als ein gewisser Amos Tyler aus Ohio ein Patent für eine „verbesserte Kaugummi-Verbindung“ zugesprochen bekam. Es gilt als das erste gewerbliche Schutzrecht für die klebrige Masse. Gekaut aber hatte die Welt schon lange vorher.

9000 Jahre alte Klebemasse

Der älteste bekannte Kaugummi-Vorläufer ist mehr als 9000 Jahre alt, wie die Ernährungssoziologin Pamela Kerschke-Risch von der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg erklärt. Damals bissen Menschen im heutigen Skandinavien auf dem Harz von Birken herum. „Da wird vermutlich vor allem der Kautrieb befriedigt worden sein“, sagt die Expertin. Wenn der Mensch isst, ist sein Überleben gesichert. Deshalb beruhigt schon das Kauen. Auch heute noch.

Es diene der Konzentration und helfe bei Stress, so die Bubblegum-Expertin. Nicht ohne Grund sieht man viele Sportler vor wichtigen Spielen, wie sie sich schmatzend an ihm abarbeiten.

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Kein Gehweg ohne Klebereste

Doch das Kaugummi schaffte es nicht nur zu den größten Sportveranstaltungen der Welt, sondern auch in Ausstellungshallen, Konferenzräume, auf Konzerte und die letzten Winkel der Erde. Selbst im Weltraum wurden Blasen gepustet bis es knallte. Soldaten bekamen das Gummi im Krieg zwischen die Zähne. Und nach dem Sieg über Nazi-Deutschland verteilten US-Kämpfer nicht nur Zigaretten, sondern auch Kaugummis an die Bevölkerung.

Die Klebemasse hat dabei die Angewohnheit, sich nicht nur an der Geschichte festzukrallen: Kein Gehweg kommt ohne die kleinen Flecken aus, die nur kurz weiß und schon bald schwarz sind. Unzählige Hosen wurden durch Kaugummis ruiniert.

Und wer schon einmal eins in die Haare bekommen hat, weiß: Da muss die Schere ran (Öl oder Butter sollen es aber angeblich auch tun). Kein Wunder also, dass im sauberen Singapur Einfuhr und Verkauf der Gummis verboten sind.

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Pfefferminz-Geschmack ist der Dauerbrenner

Doch es geht nicht nur um Pose, sondern auch um Geschmack. Pfefferminz ist seit langem der Dauerbrenner im Angebot, doch es gibt so ziemlich alle Sorten. Einige braucht man nur zu riechen, und schon fühlt man sich ins Ferienlager zurückversetzt. Man kaute eins nach dem anderen und hoffte etwa, dass das Schicksal einen auf den Sitzplatz neben dem Mädchen mit dem süßen Pony katapultiert.

Spezialkaugummis helfen Menschen auch dabei, mit dem Rauchen aufzuhören oder lindern den Schwindel beim Reisen. Und wenn im Flugzeug der Druckausgleich auf die Ohren geht, kann das Kauen Wunder wirken.

Apropos Füllung

Was in Kaugummis drin ist? Schon in der Spätsteinzeit waren Kaugummis beliebt. Damals wurden sie aus Baumharz etwa von der Birke hergestellt.

Heute ist die Kaugummibasis – auch Kaumasse genannt – ein Mix aus verschiedenen petrochemischen Grundstoffen: Kunststoffe wie Polyisobutylen und Polyvinylacetat (Ausgangsstoffe für Dichtungsmasse, Pflasterkleber und Sprengstoff), 50 bis 70 Prozent Zucker, Füllstoffe wie Aluminiumoxid sowie Kieselsäure und Zellulose. Nicht zu vergessen Weichmacher, Feuchthaltemittel, Antioxidantien, Aromen, Säuren, Farbstoffe und Emulgatoren.

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Weder gesund noch natürlich

Die Inhaltsstoffe sind weder gesundheitsförderlich noch natürlich. Sei’s drum. Kaugummis haben eine äußerst anregende Wirkung, was aber nicht mit den Ingredienzien zu tun hat, sondern mit der durch das Dauerkauen ausgelösten mechanischen Bewegung der Kaumuskulatur.

Dies verbessert nämlich die Blutversorgung des Kopfes und damit die Blut- und Sauerstoffversorgung des Gehirns. Zudem wird die dicht mit Nerven durchzogene Mundhöhle durch die Reizung angeregt und zugleich entspannt.