Etwa ein Drittel aller Protestanten im Land lassen ihre Kinder nicht taufen. Diese Zahl lässt sich auch auf Stuttgart übertragen, wie eine Studie im Dekanat Zuffenhausen zeigt. Gleichzeitig beantwortet die Untersuchung auch die Fragen nach den Gründen.
Stuttgart - Bei Statistiken gibt es immer die Frage nach der Perspektive. Ist das Glas halb voll? Oder ist es halb leer? Zuffenhausens Dekan Klaus Käpplinger bevorzugt den positiven Blickwinkel. „Nur 14 Prozent der Eltern im Bezirk möchten nicht, dass ihr Kind getauft wird“, sagt der Theologe zufrieden und zieht daraus den Schluss: Der überwiegende Teil jener Eltern von ungetauften Kindern zwischen ein und zwölf Jahren ist für eine Taufe offen. Mehr noch. Für diese Gruppe hat die Zeremonie am Taufbecken eine wichtige Bedeutung in ihrem Leben und in dem ihrer Kinder.
Das ergab die Untersuchung der Professorin Claudia Schulz von der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg. Die Religionssoziologin hat 669 Eltern von ungetauften Kindern im Dekanat Zuffenhausen einen Fragebogen zum Thema Taufe geschickt. 166 Bögen mit 13 Fragen, die Mehrfachnennungen zuließen, kamen zurück. Für Käpplinger ist die Rücklaufquote dieser ersten und einzigen soziologischen Untersuchung zur Taufunterlassung in Deutschland „gut“ genug, um wichtige Fragen zu klären. Etwa die, ob es Hoffnung gebe, dass jene Kinder doch noch irgendwann getauft werden?
Darauf antworteten 36 Prozent: „Ich will die Taufe auf jeden Fall noch nachholen.“ 20 Prozent wollen den christlichen Ritus „wahrscheinlich“ nachholen. 24 Prozent waren sich „nicht sicher“. Und 14 Prozent lehnten die feierliche Eingliederung in die Gemeinschaft der Christen grundsätzlich ab. Manche davon jedoch, weil sie eine Glaubenstaufe bevorzugen. Also einen Taufakt, bei dem der herangewachsene Täufling ein persönliches Glaubensbekenntnis ablegt.
18 Prozent finden keine Paten
Zuversichtlich stimmen Käpplinger auch die Gründe für einen Aufschub der Taufe. Auch hier waren Mehrfachnennungen möglich. 26 Prozent der Eltern mit ungetauften Kindern erklärten, sie hätten Termin- oder Planungsschwierigkeiten. 18 Prozent finden keine Paten. Bei 14 Prozent ist der Lebenspartner nicht einverstanden. Und bei 13 Prozent spielt die andere Konfession des Partners eine Rolle. 22,5 Prozent haben dagegen gar keinen Bezug zur Kirche. Mit dieser Gruppe kommen Kirchen in der Regel nur schwer ins Gespräch. Daher will Klaus Käpplinger eher die anderen ansprechen. Die Unentschlossenen. Und diejenigen, die ganz weltliche Probleme mit einer Taufe haben.
Das größte Problem sei ein weit verbreiteter Irrtum. „Viele Menschen glauben, dass sie zwingend Paten brauchen“, sagt Käpplinger. Dabei schreibe das Kirchenrecht dies nicht vor: „Man kann sein Kind auch ohne Paten Taufen lassen.“ Wer dennoch nicht darauf verzichten will, dem könne die Gemeinde auch Paten vorschlagen.
Alleinerziehende „fühlen sich bei einem Sonntagsgottesdienst wie auf dem Präsentierteller“
Weiter will Käpplinger Eltern die Möglichkeit geben, Kinder in einem anderen Rahmen taufen zu lassen. Er denkt dabei an Alleinerziehende. „Die fühlen sich bei einem Sonntagsgottesdienst wie auf dem Präsentierteller“, weiß Käpplinger aus Erfahrung. Sie spürten die Blicke der Gemeinde und Fragen wie: Wo ist denn jetzt der Vater des Kindes? Vor solchen Situationen könnten spezielle Tauffeste Alleinerziehende bewahren. Käpplinger: „Vor zwei Jahren haben wir so 20 Taufen auf einmal gemacht.“
Kirchenrat Frank Zeeb von der württembergischen Landeskirche warnte bei der Präsentation der Studie in Zuffenhausen jedoch davor, die Ergebnisse aus dem Stuttgarter Norden auf ganz Württemberg zu übertragen. „Das ist eine Momentaufnahme für einen begrenzten Raum“, sagte Zeeb, „die Ergebnisse lassen höchstens Schlüsse für andere Metropolregionen zu, aber nicht für den ländlichen Raum.“ Klaus Käpplinger sieht das anders: „Es könnte durchaus sein, dass wir hier in der Stadt eine Entwicklung vorwegwegnehmen, die auf dem Land bald Realität wird.“ So oder so. Ob Land oder Stadt. Für den Kirchenmann aus Zuffenhausen gilt: „Wir müssen alle unseren Blick weiten und ein bisschen offensiver auf Menschen zugehen. Wir müssen ihnen klar machen: Wir sind für euch da.“